Schadensersatz in Diesel-Verfahren: Auch die Umwelt hat Rechte
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Wer ein vom Diesel-Skandal betroffenes Fahrzeug gekauft hat, kann vom Hersteller Schadensersatz verlangen - das ist nichts Neues. Neu ist allerdings der Grund, den das LG Erfurt in einem Fall für einen höheren Schadensersatz anbrachte: die Eigenrechte der Natur.

Ein Diesel-Käufer hatte wegen eines eingebauten Thermofensters sogenannten kleinen Schadensersatz von der Herstellerin des Kfz verlangt – der BGH setzt hierfür zwischen 5% und 15% des ursprünglichen Kaufpreises an. Das LG Erfurt legte sich auf 10% fest: Der Schaden sei hier im mittleren Bereich anzusiedeln. Die Annahme des Mittelwertes entspreche zunächst dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Weiter sei der Sanktionsgedanke zu berücksichtigen. Der Rechtsverstoß der Kfz-Herstellerin habe beträchtliches Gewicht.

Im Rahmen des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und nach freier Überzeugung zu schätzen. Verstärkend träten hier Eigenrechte der Natur hinzu, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergäben, meint das LG (Urteil vom 02.08.2024 – 8 O 1373/21). Diese Rechte der Natur seien – so das LG – von Amts wegen und unabhängig von entsprechendem Vortrag der Parteien oder gar einer ausdrücklichen Berufung hierauf zu berücksichtigen. "Die Anerkennung von spezifischen Rechten ökologischer Personen durch Auslegung und Anwendung des geltenden Unionsrechts ist aufgrund der Wichtigkeit und Dringlichkeit der ökologischen Herausforderungen – Klimawandel, Artensterben und Müllproduktion – und angesichts drohender irreversibler Schäden geboten", heißt es in dem Urteil.

Auch juristische Personen – oder künftig Künstliche Intelligenz – würden umfassend grundrechtlich geschützt, fährt das LG fort. Es gebe keinen Grund, es bei ökologischen Personen anders zu halten. Letztlich werde nur eine "Waffengleichheit" hergestellt.

In anderen Staaten wurden bereits Rechte der Natur anerkannt. In Spanien beschloss das Parlament im Jahr 2022, dass die stark belastete Salzwasserlagune Mar Menor eine Rechtspersönlichkeit mit eigenen Rechten werden solle. Und ein Gericht in Indien erklärte den Ganges 2017 zu einem Lebewesen. Dieser und die Yamu­na – sein wich­tigs­ter Ne­ben­fluss – hätten die glei­chen Rech­te wie ein Mensch. Kurz darauf kassierte Indiens Oberstes Gericht jedoch die Entscheidung.

LG Erfurt, Urteil vom 02.08.2024 - 8 O 1373/21

Redaktion beck-aktuell, bw, 15. August 2024.