Am Mittwoch und Donnerstag treffen sich die Justizministerinnen und -minister der Länder in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin zu ihrer Herbstkonferenz. Die Ressortchefin aus Mecklenburg-Vorpommern, Jaqueline Bernhardt (Die Linke), bringt ein Thema mit, an dem sich bisher alle die Zähne ausgebissen haben: die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
2021 hatte sich die Ampel im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Gesetz "evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten" zu wollen. An dieses Versprechen sollen die Ressortchefs Bundesjustizminister Wissing nun erinnern. So lautet jedenfalls der Beschlussvorschlag aus Mecklenburg-Vorpommern: Der Justizminister solle prüfen, inwiefern der Schutz vulnerabler Gruppen durch eine AGG-Reform weiter gestärkt werden könnte, heißt es von Bernhardt in einer Pressemitteilung.
Unzureichender Rechtsschutz, hohe Hürden
Das AGG hat 2006 vier Antidiskriminierungsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt und das Beschäftigtenschutzgesetz abgelöst. Darin werden zum einen Diskriminierungsmerkmale wie Rasse, Geschlecht, Religion oder auch Alter festgelegt. Zum anderen sieht das Gesetz Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche für Menschen vor, die im Kontext Ihrer Berufstätigkeit oder bestimmter Schuldverhältnisse Diskriminierung ausgesetzt sind. Schließlich enthält das AGG auch Beweislasterleichterungen für Betroffene.
In der Praxis habe sich jedoch gezeigt, dass das vom europäischen Rahmen vorgegebene Mindestschutzniveau nicht überall effektiv erreicht werde, heißt es im Vorfeld der JuMiKo von Ministerin Bernhardt. Im europäischen Vergleich schneide Deutschlands Diskriminierungsschutz schlecht ab. Vor allem sei das auf die geltenden Beweislastregelungen zurückzuführen, so Bernhardt. Die vorgesehenen Sanktionen und Entschädigungen seien in der Praxis oft schwer durchzusetzen und wirkten nur bedingt abschreckend. Trotz bestehender Beweiserleichterungen sei es für betroffene Personen "mitunter eine Hürde, gerade in subtilen oder verdeckten Fällen eine Diskriminierung plausibel nachzuweisen." "Wenn wir diesen Schutz nicht verbessern, könnte dies durchaus zu einem Vertrauensverlust in den Diskriminierungsschutz sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz führen", so Bernhardt weiter.
Organisationen kritisieren AGG als unzureichend
Bernhardt ist nicht die einzige Kritikerin des AGG. Bereits Anfang 2023 forderte ein breites Bündnis von mehr als 100 Organisationen die Reform – darunter der Deutsche Juristinnenbund, die Europäische Vereinigung von Juristinnen & Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt und die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Unter anderem forderten sie, den AGG-Anwendungsbereich auf staatliche Stellen zu erweitern, Verbandsklagemöglichkeiten zu schaffen und die Beweislastregelungen weiter zugunsten Betroffener zu erleichtern.
Im April 2023 dann legte die SPD-Fraktion im Bundestag ein Eckpunktepapier vor, das insbesondere die Vorschläge zum kollektiven Rechtsschutz aufgriff und darüber hinaus längere Klagefristen für Betroffenen vorsah. Im Juli 2023 meldete sich schließlich auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, mit Reform-Vorschlägen – darunter eine Erweiterung der Diskriminierungsmerkmale, kollektiver Rechtsschutz sowie die Schaffung von Schlichtungsstellen. Untersuchungen der Antidiskriminierungsstelle hätten Nachbesserungsbedarf gezeigt, heißt es außerdem in dem Papier. Viele Fälle seien vom Diskriminierungsschutz im Gesetz nicht abgedeckt.
Wo liegen die Prioritäten der JuMiKo?
Alle Initiativen blieben vom Gesetzgeber ungehört. Nun soll nach dem Vorschlag von Justizministerin Bernhardt die JuMiKo dem Anliegen vor den Neuwahlen endlich Gehör verschaffen. Doch selbst wenn die Ressortchefs den Beschlussvorschlag annehmen und so die erneute Prüfung der Reform beim BMJ anregen sollten, ist zweifelhaft, ob sie mit ihrem Vorstoß erfolgreicher wären als ihre Vorgänger.
Einerseits sind nach dem Ampel-Aus ohnehin mehr Gesetzgebungsvorhaben in der Pipeline als bis zu den Neuwahlen im Februar 2025 realisiert werden können. Andererseits ist auch nicht gesagt, dass ein Reform-Versprechen es überhaupt in den Koalitionsvertrag der kommenden Regierung schafft. Die Hoffnungen der Linken-Justizministerin Bernhardt dürften eher auf der aktuellen Regierung ruhen.