Kleine Anfragen sind für jede Bundesregierung ein Ärgernis – in der Regel vor allem, weil sie Arbeit machen. Sie sind ein Instrument der Opposition im Bundestag, um das Regierungshandeln transparent zu machen und zu kontrollieren. Eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages können eine solche Anfrage stellen, die thematisch mehr oder weniger unbegrenzt ist und trotz ihrer Namensgebung nicht unbedingt klein sein muss. Sie darf lediglich "keine unsachlichen Feststellungen oder Wertungen enthalten" (§ 104 GO-BT). In den vergangenen Legislaturperioden ist die Anzahl solcher Anfragen stark gestiegen, allein von 3.953 in der 18. auf 11.102 in der 19. Wahlperiode – die meisten stammten zuletzt von der AfD. Dieser Anstieg zeigt, dass die Kleinen Anfragen nicht mehr bloß der Informationsgewinnung dienen, sondern mitunter auch schlicht die Mächtigen ärgern sollen – ganz zu schweigen von ein wenig Selbstprofilierung.
Diesen Anschein erweckt auch die CDU/CSU-Fraktion in den Augen vieler mit ihrer jüngsten Anfrage zur Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen durch die Bundesregierung. Sage und schreibe 551 Fragen umfasst der 32 Seiten starke Katalog, den die Christdemokraten am 21. Februar an die Bundesregierung schickten. "Die Frage nach der politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen sorgt aktuell zunehmend für Debatten" heißt es dort. Hintergrund sind demnach die jüngsten Proteste, die in vielen deutschen Städten aufflammten, nachdem die Unionsfraktion gemeinsam mit FDP und der AfD einen Entschließungsantrag zur Migration im Bundestag durchgebracht hatte. Diese Proteste sollen in Teilen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wie etwa dem Verein "Omas gegen Rechts", (mit-)organisiert worden sein, die von staatlicher Förderung profitieren. Die Union, die sich bei diesen Protesten harter Kritik ausgesetzt sah, fragt daher nun, "inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden".
Förderung oder steuerliche Begünstigung?
Auf der langen Frageliste tauchen unterschiedlichste Organisationen auf, darunter die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich nach ihrer Selbstbeschreibung gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, sowie das Recherchenetzwerk Correctiv, das sich selbst als überparteilich und journalistisch neutral sieht, jedoch mit seiner Recherche zum berüchtigten Potsdamer Treffen für viel Aufsehen sorgte. Insgesamt sind die Organisationen in diesem Katalog mehr oder weniger alle politisch eher Links zuzuordnen, bzw. werden von der anderen Seite des Spektrums so eingeordnet.
Will man sich dem Thema aber inhaltlich nähern, so sollte man zwischen zwei Arten der staatlichen Begünstigung von NGOs unterscheiden: der steuerlichen Begünstigung und der aktiven Förderung – institutionell oder projektbezogen – mit Staatsgeldern. So viel vorweg: Für beides finden sich Beispiele in der Unions-Anfrage. Die Gemeinnützigkeit findet sich zwar als Rechtsbegriff in unterschiedlichsten Gesetzesmaterien, ist aber in Bezug auf NGOs vor allem steuerrechtlich relevant. Eine Organisation, die als gemeinnützig anerkannt wird, muss bspw. nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 KStG keine Körperschaftssteuer zahlen, zudem können Unterstützerinnen und Unterstützer Spenden an sie von der Steuer absetzen.
Attac verlor Gemeinnützigkeitsstatus
Nach § 52 Abs. 1 S. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, "wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern". Aus dem Juristendeutsch übersetzt bedeutet das: Die Organisation muss einen Zweck verfolgen, welcher der Allgemeinheit zugutekommt und nicht nur einem bestimmten Spektrum der Gesellschaft. Das ist bei der lokalen Nachbarschaftshilfe meist unproblematisch, kann aber schon beim Stichwort "Demokratieförderung" schwierig werden, wenn der Begriff "Demokratie" zu eng ausgelegt wird – etwa, wenn rechte (nicht rechtsextreme) Positionen als antidemokratisch gebrandmarkt werden. Das heißt indes nicht, dass diese NGOs sich politisch völlig zurücknehmen müssten. Nach Rz. 16 Absatz 3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 52 ist "es nicht zu beanstanden (…), wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt".
Nur was bedeutet "vereinzelt"? Hier beginnt die Grauzone, an der sich die Unionsfraktion stößt. Eine Grenze zog der BFH bspw. im Fall des Anti-Globalisierungsnetzwerks Attac. Hier entschied das Gericht schon Anfang 2019 und 2021 erneut, dass die Einflussnahme des Vereins auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung nicht mehr als gemeinnütziger Zweck im Sinn des § 52 AO zu sehen sei.
Im Bereich der staatlichen Förderung hingegen muss der Status der Gemeinnützigkeit kein entscheidendes Kriterium sein. Die Fördermittel werden dabei nach je eigens festgelegten Kriterien verschiedener Förderprogramme vergeben. Dabei spielen ethische Vorgaben auch oft eine Rolle, mitunter wird explizit auf die Gemeinnützigkeit Bezug genommen. Fördermittelempfänger des Bundesprogramms "Demokratie leben!", nach dem die Union sich in ihrer Anfrage unter anderem erkundigt, müssen etwa nach der entsprechenden Richtlinie grundsätzlich die Voraussetzungen einer Steuerbegünstigung nach den §§ 51 ff. AO mitbringen.
Die Regierung soll keine Volkserziehung betreiben
Was ist aber überhaupt das Problem, wenn der Staat Organisationen, die sich politisch betätigen, in welcher Weise auch immer finanziell begünstigt? Das Störgefühl, das manche offenbar beschleicht, wenn die "Omas gegen Rechts" von der Regierung unterstützt werden, rührt von der prinzipiellen Trennung zwischen Staat und Gesellschaft her. Die Regierung soll nicht ihre finanziellen und politischen Mittel nutzen, um ihre eigenen Ansichten unters Volk zu bringen. Und erst recht nicht, um die Opposition zu diskreditieren.
Geht man davon aus, zeigt sich jedoch auch, warum die Differenzierung zwischen steuerlicher Begünstigung und aktiver Förderung keine bloße Erbsenzählerei ist. Bei der steuerlichen Behandlung werden lediglich abstrakte Kriterien definiert, wonach Körperschaften, die diese Kriterien erfüllen, eine Entlastung erhalten. Ob die Organisationen wirklich dem Gemeinwohl dienen, entscheiden aber Finanzämter und -gerichte. Im Bereich der Förderungen gibt es zwar auch abstrakte Kriterien, die Regierung wählt jedoch die Zuwendungsempfänger selbst aus. Hier ist das Potenzial für eine staatliche Steuerung der öffentlichen Meinungsbildung ungleich größer.
Dass beides eine kritische Betrachtung und ggf. Nachbesserung verdient, zeigt auch die Rechtsunsicherheit, die das BFH-Urteil im Fall Attac bei vielen NGOs geschaffen hat. Die Union ihrerseits kann trotz des besorgten Untertons ihrer Kleinen Anfrage im Bundestag das Thema gelassen angehen: Aller Voraussicht nach wird sie die nächste Bundesregierung anführen und dann selbst erheblichen Einfluss nehmen auf die Verteilung von Staatsgeldern. Allerdings wird sie dann wohl auch zahlreiche Anfragen zu beantworten haben.