Der Bundestag hat sich für mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der CDU/CSU-Fraktion fand eine Mehrheit, wie die Sitzungsleiterin Katrin Göring-Eckardt mitteilte. Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt.
Der erste Antrag für mehr Zurückweisungen erhielt 348 Ja-Stimmen, 345 Nein-Stimmen, zehn Abgeordnete enthielten sich. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von Union, FDP und AfD sowie einige fraktionslose Abgeordnete für den Vorschlag ausgesprochen. Das BSW kündigte an, man werde sich enthalten. SPD, Grüne und Linke positionierten sich dagegen.
Der zweite Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen.
Was im ersten Antrag steht
In dem ersten Antrag heißt es: "Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen." Dies soll ausdrücklich auch für Menschen gelten, die in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll in Haft genommen werden. Vorgesehen ist zudem eine größere Rolle der Bundespolizei bei Rückführungen.
Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen unbefristet so lange in Arrest kommen bis sie freiwillig ausreisen oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Gefordert werden auch dauerhafte Grenzkontrollen. Allerdings gibt es seit einigen Monaten auf Anordnung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ohnehin stationäre Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen.
Was im zweiten Antrag steht
Im zweiten Unionsantrag heißt es: "Wenn Menschen, die bei uns zu Gast sind und Hilfe in Anspruch nehmen, straffällig werden oder Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss ihr Aufenthalt beendet werden." Die Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung sollen ausgeweitet werden – auch an Bahnhöfen und Flughäfen. Telekommunikationsunternehmen sollen zur Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden, mit denen sich Geräte im Internet identifizieren lassen. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme sollen gestoppt werden. Die Einsatzkräfte an den deutschen Grenzen sollen personell verstärkt werden.
Die FDP hatte bereits im Vorfeld erklärt, sie werde dem Antrag wegen der darin enthaltenen Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung nicht zustimmen. Bei der Vorratsdatenspeicherung würden Anbieter gesetzlich verpflichtet, die Telefon- und Internetverbindungsdaten der Nutzer zu sichern, sodass Ermittler später darauf zugreifen können.
Empörung bei SPD und Grünen, Merz bedauert
Die CDU/CSU hatte mit ihrer Initiative Empörung bei SPD und Grünen ausgelöst, weil absehbar war, dass die Pläne nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit finden könnten. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte über die Vorhaben gesagt: "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt".
Nach der Abstimmung bot Merz indes neue Verhandlungen an. Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments", sagte der Unionskanzlerkandidat in einem emotional aufgeheizten verbalen Schlagabtausch. "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das."
Unmittelbarer Auslöser der Unions-Vorstöße war eine Bluttat in Aschaffenburg. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll am Mittwoch vergangener Woche einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte mutmaßliche Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.
Weitere Abstimmung am Freitag
Am Freitag soll der Bundestag über ein sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen, mit dem die Union unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden will. Merz forderte SPD und Grüne auf, bis Freitag mit der Union "darüber zu sprechen, wie wir mit Ihnen zusammen eine Mehrheit zu dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf hier im Deutschen Bundestag erzielen". Er ergänzte: "Wenn Sie sich dieser Verantwortung entziehen, dann bleibt es Ihre Verantwortung, dass darüber keine Mehrheit zustande gekommen ist."
Zugleich verteidigte Merz das Vorgehen der Unionsfraktion. Frei gewählten Abgeordneten und auch der Unionsfraktion könne das Recht nicht abgesprochen werden, "dass wir hier Anträge zur Abstimmung stellen, die wir in der Sache für richtig halten. Auch wenn es Ihnen mit Ihrer Minderheit von SPD und Grünen im Deutschen Bundestag nicht gefällt." Dabei werde es auch bis Freitag bleiben, "es sei denn, Sie kommen zur Vernunft".