Abgeordneten-Korruption: So wollen die Ampel-Fraktionen die Strafbarkeit erweitern
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Künftig soll, wer sein Abgeordnetenmandat und die damit verbundenen Beziehungen ausnutzt, auch strafbar sein, wenn er die Geschäfte nebenbei macht. Dafür soll nach einem am Dienstag abgesegneten Gesetzentwurf ein neuer Tatbestand sorgen, allerdings mit geringerem Strafmaß als die Abgeordnetenbestechung.

Bisher ist die entgeltliche Vertretung von Drittinteressen durch Mandatsträger gemäß § 108e StGB nur strafbar, wenn sie "bei der Wahrnehmung des Mandats" erfolgt. Laut BGH gehört dazu jedoch nur "das Wirken … im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen …" (Beschluss vom 05.07.2022 – StB 7-9/22, Rn. 24). Tätigkeiten außerhalb der parlamentarischen Arbeit sind selbst dann nicht von § 108e StGB erfasst, wenn ein Mandatsträger dabei seine auf sein Mandat zurückgehenden Kontakte und Beziehungen ausnutzt.

Das soll sich nun mit einem neuen Straftatbestand der "unzulässigen Interessenwahrnehmung" (§ 108f StGB) ändern. Danach wäre ein unzulässiger sogenannter Einflusshandel durch Mandatsträger auch dann strafbar, wenn dieser auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb der Mandatswahrnehmung zielt. Vorgesehen sind bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

SPD, Grüne und FDP reagieren mit der geplanten Gesetzesänderung vor allem auf die Maskenaffären früherer CSU-Abgeordneter. Diese hatten in der Frühphase der Corona-Pandemie Millionenprovisionen für die Vermittlung von Maskengeschäften kassiert. Sie konnten dafür nach der bisherigen Rechtslage nicht bestraft werden, der BGH konnte im Sommer 2022 keine Bestechlichkeit oder Bestechung nach § 108e StGB erkennen. 

BGH: Nur bei Wahrnehmung des Mandats

Die Tatbestände des § 108e Abs. 1 und 2 StGB, die ihrerseits erst seit 2014 existieren, setzten eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Parlamentsmitglied mit dem Inhalt voraus, dass dieses "bei der Wahrnehmung seines Mandates" eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse. Die beschuldigten Abgeordneten hätten aber, indem sie die Gegenleistungen für die Gewinnbeteiligungen erbrachten, nicht ihr Mandat wahrgenommen, so die Karlsruher Richterinnen und Richter. Tätigkeiten außerhalb davon seien selbst dann nicht davon erfasst, "wenn ein Mandatsträger dabei seine auf sein Mandat zurückgehenden Kontakte und Beziehungen ausnutzt".

Aus Sicht der Koalition ist dieses Verhalten aber strafwürdig. Mandatsträger verfügten aufgrund ihrer Stellung häufig über "besondere Verbindungen und privilegierten Zugang zu den ihrer parlamentarischen Kontrolle unterliegenden Ministerien, Behörden und sonstigen Stellen". Damit bestehe ein Risiko der "Kommerzialisierung der entsprechenden Einflussmöglichkeiten" und einer "Verquickung von monetären Interessen und dem Mandat", schreibt die Koalition. "Wenn Mandatsträger die ihnen im Interesse des Allgemeinwohls anvertraute Position durch Einflusshandel derart zum eigenen Vorteil ausnutzen, kann dies das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und ihre Mandatsträger unterlaufen", heißt es weiter.

Gesetzentwurf: Nicht nur im Amt, dafür weniger Strafe

Die neue Vorschrift des § 108f StGB stellt nun darauf ab, dass ein Mandatsträger sich oder einem Dritten einen ungerechtfertigten Vorteil verspricht oder sich versprechen lässt, weil er eine Handlung "während seines Mandats" unterlässt oder vornimmt. Die Vorschrift, die in Absatz 1 die Annahme von Gegenleistungen, in Absatz 2 deren Vergabe an Mandatsträgerinnen und -träger regelt, definiert positiv einen Täterkreis, der sich strafbar machen kann.

Gleichzeitig beschränkt sie die Strafbarkeit entgeltlicher Interessenwahrnehmung durch Abgeordnete auf Handlungen, die "für die Rechtsstellung des Mandatsträger maßgebliche Vorschriften verletzen". Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit sichergestellt werden, dass nichts unter Strafe gestellt wird, was nach den einschlägigen parlamentsrechtlichen Regelungen zulässig wäre. Das Strafmaß der neuen Vorschrift liegt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe unter dem der Abgeordnetenbestechung, die ein Verbrechen ist und mit maximal zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann. 

"Unsere Bürgerinnen und Bürger müssen das Vertrauen haben, dass Abgeordnete für das Allgemeinwohl und nicht den eigenen Geldbeutel arbeiten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, zu der Gesetzesänderung. Sein FDP-Kollege Stephan Thomae betonte: "Wer sein Mandat missbraucht, um sich selbst zu bereichern, darf nicht ungestraft davonkommen." Die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram sprach von einem "Schmiergeld-Paragrafen" und ergänzte: "Wenn Abgeordnete ihre Stellung ausnutzen, um sich selbst zu bereichern, schädigen sie damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität politischer Prozesse und fördern den Demokratieverdruss."

Der Vorschlag kommt spät

Aus der Unionsfraktion kamen zurückhaltende bis ablehnende Signale. "Handlungsbedarf sehe ich jetzt in diesem Bereich nicht", sagte ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU). Er wies darauf hin, dass nach der Maskenaffäre schon das Abgeordnetengesetz grundlegend geändert worden sei.

SPD, Grüne und FDP hatten in ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, die Regeln zu verschärfen. Dass dies bislang auf sich hatte warten lassen, führte wiederholt zu Kritik. So verharrte Deutschland im "Korruptionswahrnehmungsindex 2023" der Organisation Transparency International zuletzt auf Platz neun. Man trete bei der Korruptionsbekämpfung mehr oder weniger auf der Stelle, bemängelte die stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland, Margareta Bause, bei der Vorstellung des Berichts Ende Januar. Die Organisation bemängelte, dass es weiterhin Schlupflöcher bei der strafrechtlichen Verfolgung von Abgeordnetenbestechung gebe. Eine Gesetzesänderung hatte Transparency bereits Anfang 2022 angemahnt

Jetzt soll es schneller gehen: Die Vorlage der Ampel-Fraktionen soll am Donnerstagabend, 22. Februar 2024, in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Der Rechtsausschuss terminierte in seiner Sitzung am Mittwochmorgen eine öffentliche Anhörung zu dem Entwurf auf Mittwoch, 13. März 2024, von 11.00 bis 13.00 Uhr.

Redaktion beck-aktuell, Pia Lorenz/Britta Weichlein/gk, 21. Februar 2024 (ergänzt durch Material der dpa).