Keine Bestechlichkeit oder Bestechung von Mandatsträgern in Maskenaffäre
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Der Bundesgerichtshof hat die weiteren Beschwerden der Generalstaatsanwaltschaft München gegen die Aufhebung der Haft- und Vermögensarrestanordnungen in der sogenannten Maskenaffäre aufgehoben, in die auch ein Bundestags- und ein bayerischer Landtagsabgeordnete verwickelt waren. Die Beschuldigten hätten sich nicht der Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung von Mandatsträgern schuldig gemacht, bestätigte der Strafsenat.

Unternehmer fädelten Maskengeschäft mit staatlichen Stellen ein

Der Beschuldigte L. und ein Mitbeschuldigter, zwei Privatunternehmer, fassten Anfang März 2020 den Plan, Schutzausrüstung zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie aus Asien einzuführen, um sie gewinnbringend an Bundes- und Landesbehörden zu verkaufen. In Abstimmung mit L. trat der Mitbeschuldigte an die ihm persönlich bekannten Beschuldigten, die CSU-Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein, heran und trug ihnen an, gegen Entgelt ihre Autorität und ihren Einfluss als Bundes- beziehungsweise Landtagsabgeordneter einzusetzen, damit die Behörden die Ware von Firmen des L. oder mit diesen kooperierenden Unternehmen erwerben. Die beiden Parlamentarier erklärten sich mit dem geplanten Vorhaben einverstanden. In der Folge traten sie mit Entscheidungsträgern verschiedener Bundes- und Landesbehörden in Verbindung und wirkten auf den Abschluss von Kaufverträgen über Schutzmasken hin.

Abgeordnete vermittelten lukrative Maskenverträge

Nüßlein vermittelte einen Vertrag mit dem Innenministerium über 3 Millionen FFP2-Masken zum Nettokaufpreis von 11,4 Millionen Euro und einen Vertrag mit dem Gesundheitsministerium über 8,5 Millionen FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 37,25 Millionen Euro. Er stellte dabei den Kontakt zu den für die Ministerien handelnden Entscheidungsträgern und Mitarbeitern her und setzte sich sowohl bei der Anbahnung der Kaufverträge als auch bei deren Abwicklung für L. und den Mitbeschuldigten ein. Gegenüber den Behörden trat Nüßlein als "MdB" und stellvertretender Vorsitzender einer der Bundestagsfraktionen auf. Sauter vermittelte den Abschluss eines Kaufvertrages über Schutzmasken zwischen der benannten Firma und dem Freistaat Bayern über 3,5 Millionen FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 14,25 Millionen Euro. Er stellte den Kontakt zur zuständigen Mitarbeiterin des Ministeriums her und förderte den Vertragsschluss.

Politiker kassierten Zahlungen in Millionenhöhe

Die Abgeordneten wurden für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Maskenverkäufen abredegemäß entlohnt. Von den bei der benannten Firma eingegangenen Zahlungen zog deren Geschäftsführer zunächst die für die Beschaffung der Masken entstandenen Kosten und den ihr zustehenden Provisionsbetrag ab. Über die von ihm mitgeteilten Restbeträge erstellte L. insgesamt neun Rechnungen über Beratungs- und Provisionsleistungen. Daraufhin veranlasste der Geschäftsführer die Überweisung der Rechnungssummen von mehr als 10 Millionen Euro auf ein Konto des L. bei einer Liechtensteiner Bank. Nüßlein, der zugleich Geschäftsführer einer GmbH war, stellte in deren Namen zwei Rechnungen wegen "Abschlagszahlung Beratungshonorar" über 660.000 Euro und 600.000 Euro, von denen die erste beglichen wurde. Sauter, der maßgebenden Einfluss auf eine andere GmbH hatte, veranlasste, dass diese einen Gewinnanteil von 1,243 Millionen Euro abrechnete. L. überwies daraufhin den Betrag auf ihr Bankkonto.

BGH bestätigt: Keine Bestechlichkeit von Abgeordneten

Der Bundesgerichtshof hat – wie bereits die Senate des Oberlandesgerichts sowie dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – entschieden, dass das den drei Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht als Bestechlichkeit von Abgeordneten nach § 108e Abs. 1 StGB (Beschuldigte Nüßlein und Sauter) oder Bestechung von Abgeordneten (Beschuldigter L.) strafbar ist. Die Tatbestände des § 108e Abs. 1 und 2 StGB setzten eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Parlamentsmitglied mit dem Inhalt voraus, dass dieses "bei der Wahrnehmung seines Mandates" eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse. Die Beschuldigten Nüßlein und Sauter hätten, indem sie die Gegenleistungen für die Gewinnbeteiligungen erbrachten, nicht ihr Mandat im Sinne dieses Strafgesetzes wahrgenommen.

Vermittlung erfolgte nicht in "Wahrnehmung des Mandats"

Das Merkmal der Wahrnehmung des Mandats sei – insbesondere im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers - dahin zu verstehen, dass die Mandatstätigkeit als solche, nämlich das Wirken im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen, betroffen sein müsse. Allein die Vereinbarung zwischen den Beteiligten, dass sich der Mandatsträger bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status berufe, um im Interesse eines Privatunternehmers Behördenentscheidungen zu beeinflussen, erfülle dieses Merkmal nicht. Ebenso wenig genüge es, wenn das Parlamentsmitglied dazu die in dieser Funktion geknüpften Beziehungen zu Entscheidungsträgern der Exekutive ausnutzen oder sich seiner Amtsausstattung bedienen solle. 

Selbst Richter mit Urteil unzufrieden

Soweit hier möglicherweise eine Strafbarkeitslücke bestehe, sei es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen wolle. Die Münchner Richter machten keinen Hehl daraus, dass sie mit der Gesetzeslage selbst unzufrieden sind: Dass sogar "die missbräuchliche Kommerzialisierung des Mandats unter Ausnutzung einer nationalen Notlage von beispielloser Tragweite" nach aktueller Rechtslage straflos bleibe, erscheine kaum vertretbar und stehe in eklatantem Widerspruch zum allgemeinen Rechtsempfinden, so eine Argumentation. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Der juristische Freispruch macht die moralische Schuld nicht wett." Als Abgeordneter dürfe man sich "an einer schweren Notsituation wie der Corona-Krise nicht bereichern". Der bayerische Grünen-Politiker Florian Siekmann sagte: "Die Gesetzeslage steht im krassen Gegensatz zum Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Deutschland braucht ein scharfes Antikorruptionsrecht, damit dem Geldscheffeln mit dem Mandat ein Riegel vorgeschoben werden kann."

Politische Aufarbeitung dauert an

Nüßlein, der einst für die CSU im Bundestag saß, trat in Folge der Affäre aus der CSU aus, der Landtagsabgeordnete Sauter aus der Fraktion. Sauter gab überdies alle Parteiämter ab, insbesondere seine Sitze in CSU-Vorstand und -Präsidium sowie den CSU-Kreisvorsitz Günzburg. Die politische Aufarbeitung der Masken-Beschaffung geht weiter. In Bayern arbeitet ein Untersuchungsausschuss in der Sache. Sauter und Nüßlein haben sich im Ausschuss bislang nicht geäußert. Im Bundestag gibt es keinen Untersuchungsausschuss in der Angelegenheit. Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in dem bayerischen Untersuchungsausschuss am vergangenen Freitag harsche Kritik am Vorgehen einzelner Abgeordneter geübt - ohne jedoch Namen zu nennen. 99,9% der Politiker hätten etwa Hinweise zur Maskenbeschaffung aus patriotischem Verständnis heraus gegeben. Einige wenige, die ihm persönlich bekannt seien, hätten aber möglicherweise aus Eigennutz gehandelt. Das ärgere ihn "einfach maßlos", das sei auch eine "menschliche Enttäuschung". "Ich finde es einfach schäbig, dass da in der Krise sich bereichert wird."

BGH, Beschluss vom 05.07.2022 - StB 7-9/22

Redaktion beck-aktuell, 12. Juli 2022 (ergänzt durch Material der dpa).