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Nachhaltiges Finanzwesen: Neue Vorschläge für die EU-Taxonomie sowie das ESG-Rating

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Kernpunkte eines EU-Vorschlags vom 13.6.2023

Die EU-Aktivitäten für ein nachhaltiges Finanzwesen sollen gestärkt werden. Nachdem im Laufe der letzten Jahre bereits zahlreiche Maßnahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen umgesetzt wurden, ist die EU-Kommission nun im Juni 2023 einen weiteren Schritt gegangen, um das regulatorische Umfeld zu modifizieren. Insbesondere wurden zusätzliche Tätigkeiten in die EU-Taxonomie aufgenommen und neue Vorschriften für Anbieter von Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG-Ratings) vorgeschlagen, die die Transparenz auf dem Markt für nachhaltige Investitionen erhöhen sollen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit einem neuen Paket (Sustainable finance package) soll nach Angaben der EU-Kommission vom 13.6.2023 sichergestellt werden, dass der Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen Unternehmen zugutekommt, die in ihren Übergang zur Nachhaltigkeit investieren wollen. Zudem soll das Paket die Nutzung des Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen erleichtern und dabei weiterhin einen wirksamen Beitrag zu den Zielen des europäischen Grünen Deals (Green Deal) leisten. Das Paket ist insbesondere auch für die Anbieter und Nutzer von ESG-Ratings bedeutsam; es enthält zudem für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU wesentliche Elemente, wie der nachfolgende Überblick zeigt.

 

 

Lösung

(1) EU-Taxonomie: Die EU-Taxonomie wird als ein Eckpfeiler des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen und ein wichtiges Instrument für Markttransparenz gesehen, das Direktinvestitionen in die Wirtschaftstätigkeiten unterstützt, die für den ökologischen Wandel am dringendsten benötigt werden. Hierzu hat die Kommission eine Reihe neuer EU-Taxonomiekriterien für Wirtschaftstätigkeiten grundsätzlich genehmigt, die einen wesentlichen Beitrag zu einem oder mehreren der nicht klimabezogenen Umweltziele leisten:

  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Ergänzend hat die EU-Kommission gezielte Änderungen am delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie angenommen. Das Spektrum der Wirtschaftstätigkeiten, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen und bisher nicht unter die Taxonomie fielen, wird erweitert, so insbesondere im Bereich des verarbeitenden Gewerbes und im Verkehrssektor. Durch die Berücksichtigung weiterer Wirtschaftstätigkeiten, die alle sechs Umweltziele abdecken, werden noch mehr Wirtschaftszweige und Unternehmen in die EU-Taxonomie einbezogen. Die Kriterien stützen sich weitgehend auf die im März und November 2022 veröffentlichten Empfehlungen der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen. Die EU-Kommission hat zudem Änderungen am delegierten Taxonomie-Rechtsakt der EU über die Offenlegungspflichten angenommen, um die Offenlegungspflichten mit Blick auf die zusätzlichen Tätigkeiten zu präzisieren.

(2) Vorschlag für eine Verordnung über Anbieter von ESG-Ratings: Auf dem EU-Markt für nachhaltige Finanzierungen spielen ESG-Ratings eine wichtige Rolle, da sie Anlegern und Finanzinstituten Informationen über Anlagestrategien, Risikomanagement und interne Analysen liefern. Sie werden auch von bewerteten Unternehmen genutzt, die sich einen besseren Überblick über ihre Konkurrenz verschaffen wollen und die mit ihren Tätigkeiten verbundenen Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen vergleichen möchten. Da u.a. seitens des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) massiv beklagt wurde, dass es am ESG-Ratingmarkt derzeit an Transparenz mangelt, wurde nun eine Verordnung vorgeschlagen, um die Zuverlässigkeit und Transparenz von ESG-Ratings zu verbessern. Neue organisatorische Grundsätze und klare Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten sollen für mehr Integrität hinsichtlich der Tätigkeiten von ESG-Ratinganbietern sorgen. Zudem sollen Anleger mit diesen neuen Vorschriften in die Lage versetzt werden, in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele fundiertere Investitionsentscheidungen zu treffen.

Darüber hinaus ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass Anbieter von ESG-Ratings, die Anlegern und Unternehmen in der EU Dienstleistungen anbieten, von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zugelassen und beaufsichtigt werden müssen. Dadurch werde, so die EU-Kommission, auch die Qualität und Verlässlichkeit ihrer Dienstleistungen gewährleistet, sodass die Investoren geschützt sind und die Marktintegrität gewahrt bleibt.

 

 

Praxishinweise:

  • Zum neuen Paket siehe unter https://finance.ec.europa.eu/publications/sustainable-finance-package-2023_en; die zusammenfassende Mitteilung der EU-Kommission vom 13.6.2023 ist unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_3192 aufrufbar. Der EU-Kommission zufolge ist bereits erkennbar, dass Unternehmen in allen wichtigen Wirtschaftssektoren bei ihren Bemühungen hinsichtlich der Gestaltung des Übergangs zunehmend auf die EU-Taxonomie zurückgreifen. So zeige beispielsweise in diesem Jahr die erste Berichterstattung von Unternehmensseite über die Taxonomie ermutigende Trends bei großen Nichtfinanzunternehmen, und viele Unternehmen melden bessere Werte bei der Taxonomiekonformität, insbesondere bei ihren Investitionsausgaben.
  • Kritik ließ aber nicht lange auf sich warten. So hieß es in einer Meldung vom 29.6.2023, dass die EU-Taxonomie damit einen Schritt weitergekommen sei, aber den bereits nachhaltig wirtschaftenden Branchen einige Jahre hinterherhinke. Markus W. Voigt, CEO der aream Group, befürchtet: „Investoren werden an einigen Stellen eher verunsichert als gelenkt.“ Vor allem Unternehmen der Erneuerbaren Energien erfüllen demnach seit Jahren die jetzt gerade präzisierten Anforderungen, und auch die geforderte Transparenz sei bereits seit Jahren geschaffen. Die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme seien längst Bestandteil der Genehmigungen bei allen Projekten, so Voigt. Angemerkt sei dazu relativierend, dass es ja zumindest nicht schadet, wenn die Mehrheit nun zum Aufholen der von Vorreiter-Branchen bereits umgesetzten Anforderungen in die Pflicht genommen werden soll.
  • Dass Mittelständler über sog. ESG-Ratings günstigere Finanzierungskonditionen einwerben können, ist ebenfalls nicht neu und wurde vom Verfasser bereits thematisiert. Dennoch ist die beabsichtigte Stärkung der Integrität der Ratinganbieter trotz aller Regularien, die sicher auch wieder andersdenkende Interessensvertreter auf den Plan rufen werden, zu begrüßen. Zur Feststellung, dass sich kurz- bis mittelfristig aus einer umfangreichen ESG-Performance noch Vorteile für mittelständische Unternehmen hinsichtlich der Fremdkapitalkosten ergeben können, siehe den im BC-Newsletter der letzten Woche erschienenen Bericht des Verfassers.
  • Am 15.6.2023 veröffentlichte das DRSC ein aktualisiertes Briefing Paper zu den Berichtspflichten der Umwelttaxonomieverordnung (UmwelttaxonomieVo, Verordnung (EU) 2020/852). Das Briefing Paper gibt einen Kurzüberblick über die Berichtspflichten und soll eine erste Orientierung für die Umsetzung geben. Hierüber wurde bereits mit dem Beitrag von Thurow im BC-Newsletter berichtet. Das DRSC-Paper enthält insbesondere konkretisierende Angaben zu den Leistungskennzahlen (KPI – Key Performance Indicators) Umsatz, CapEX und OpEx.
  • Zuvor hatte am 9.6.2023 die EU-Kommission – nach Auswertung diverser eingegangener Stellungnahmen – die Überarbeitung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS – Europäische Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) abgeschlossen und den Entwurf eines delegierten Rechtsakts für die ESRS veröffentlicht (dazu Kurz-Info von Zwirner/Boecker). Die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen hierzu endet kurzfristig bereits am 7.7.2023.
  • Der Arbeitskreis Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR) des BVBC e.V. hat unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Müller eine Stellungnahme zur Nachhaltigkeitsberichterstattung formuliert, die in Kürze fristgerecht eingereicht werden soll. Darin heißt es zunächst, dass der Arbeitskreis Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR) des BVBC e.V. die Erleichterungen begrüßt, die im Rahmen der Anpassung von der EU-Kommission an den ESRS-Entwürfen der EFRAG vorgenommen wurden. Dennoch heben die AK-Mitglieder hervor, dass es sich bei den Erleichterungen durch Übergangsfristen lediglich um vorübergehende Erleichterungen handelt, die im ersten bzw. bis zum zweiten Berichtsjahr für einen Teil der berichtspflichtigen Unternehmen Anwendung finden.
  • Alles in allem sehen die Mitglieder des Arbeitskreises Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR) die Anwendung der ESRS als extrem hohen Verwaltungsmehraufwand und mit sehr großen (bürokratischen) Herausforderungen verbunden. Viele Unternehmen, die zum ersten Mal für das Berichtsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen, stehen gemäß aktuellem Informationsstand im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch ganz am Anfang und sind mit diversen Kapazitätsproblemen (zeitlich, personell sowie finanziell) konfrontiert (mehr dazu in Kürze in einem BC-Aufsatzbeitrag des AK-Leiters Müller).

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 7/2023

BC2023725

 

 

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