Vorwort zur 82. Auflage
Anders als man dies für ein Jahr am Beginn einer neuen Legislaturperiode erwartet, waren auch im Laufe des Jahres 2022 bzw. zum 1.1.2023 wichtige Gesetzesänderungen zu verzeichnen, so dass auch die 82. Auflage dem Nutzer des Grüneberg wieder viel Neues bietet. An der Spitze der Gesetzgebungstätigkeit, die vorwiegend noch aus der 19. Legislaturperiode stammt, steht die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts mit der Neufassung der §§ 1773 bis 1888 BGB und kleineren Gesetzesänderungen in den übrigen Büchern des BGB. Hinzu kommen weitere Gesetzesänderungen im Allgemeinen Teil und im Allgemeinen wie auch Besonderen Schuldrecht durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungs-Richtlinie nebst einem bereits erforderlich gewordenen Ergänzungsgesetz, das Gesetz für faire Verbraucherverträge, das Gesetz zur Umsetzung der sog. Modernisierungs- Richtlinie, das Mietspiegelreformgesetz und das Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen. Daneben waren zahlreiche wichtige Entscheidungen des BVerfG, BGH, BAG, BSG und EuGH einzuarbeiten. All dies hat, neben der Überarbeitung und Straffung verschiedener Erläuterungen, auch in der vorliegenden Neuauflage zu zahlreichen Änderungen, Ergänzungen und Neubearbeitungen in der Kommentierung geführt. Die wichtigsten sind in der folgenden Darstellung der Einzelbereiche erwähnt.
Im Allgemeinen Teil sind die durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ab 1.1.2023 geltenden Änderungen der §§ 234, 238 BGB eingearbeitet worden, die im Wesentlichen die Mündelsicherheit durch Sicherheiten aufgrund der Verordnung nach § 240a BGB ersetzt haben. Durch dasselbe Gesetz ist die Verordnungsermächtigung des § 240a BGB eingefügt worden, zu der der Entwurf der ab 1.1.2023 geltenden Verordnung über die Anforderungen an Sicherheiten und die Anlage bestimmter Vermögen (Sicherheitenverordnung – SiV) mitkommentiert worden ist. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie sind die §§ 66, 71, 126a, 129 BGB geändert worden. Sie betreffen im Wesentlichen das Entfallen der gesonderten digitalen Bekanntmachung von Ersteintragungen im Vereinsregister und die öffentliche Beglaubigung digitaler Signaturen. Auch die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung wurde eingearbeitet, insbesondere zur nicht gegen des RDG verstoßenden Tätigkeit von Inkassounternehmen und zur Verjährung im Zusammenhang mit den sog. Dieselfällen.
Im Allgemeinen Schuldrecht hat das Gesetz für faire Verbraucherverträge kleinere Änderungen der §§ 309 und 312 BGB mit sich gebracht und in § 312k BGB ein besonderes Kündigungsrecht für Verbraucherverträge im elektronischen Geschäftsverkehr geschaffen. Durch das Gesetz zur Umsetzung der sog. Modernisierungs-Richtlinie wurden §§ 312, 312e, 312j, 356-360 BGB geändert und §§ 312l, 357a BGB eingefügt, wobei vor allem auf die Einführung allgemeiner Informationspflichten für die Betreiber von Online-Marktplätzen in § 312l BGB hinzuweisen ist. Daneben haben eine Fülle neuer Entscheidungen des EuGH, des BGH und der Instanzgerichte Anlass zu zahlreichen Änderungen und Ergänzungen gegeben. Hervorzuheben sind mehrere grundlegende Entscheidungen des BGH zu den durch die Corona-Krise verursachten Problemen bei der Vertragsdurchführung, zur Schadensbemessung in den sog. Dieselfällen und zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines finanzierten Kfz-Kaufvertrages. Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben mehrere Entscheidungen des EuGH, des BGH und des BAG die Rechtsprechung zur Klauselkontrolle (z.B. Zinsanpassungsklauseln in Sparverträgen, Klauseln zu Sperrung oder Klarnamenpflicht bei Nutzung sozialer Netzwerke oder Preiserhöhungsklauseln in Fernwärmeverträgen) und zu den Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln neue Akzente gesetzt.
Im Besonderen Schuldrecht kommt neben den erwähnten Gesetzesänderungen die Ergänzung der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer durch Änderung des Nachweisgesetzes hinzu. Die zum Allgemeinen Schuldrecht genannten Probleme waren Gegenstand der Rechtsprechung auch im Kaufrecht (Dieselfälle, Covid 19), Mietrecht und Arbeitsrecht (Covid- 19). Hinzu kamen etliche die Rechtslage klärende Entscheidungen des BGH im Mietrecht, z.B. zum Mieterwechsel bei Wohngemeinschaften oder zum Vorkaufsrecht des Mieters, und des BAG im Arbeitsrecht, z.B zur Pflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung essenzieller Arbeitsmittel. Mehrere Vorschriften des Werkvertragsrechts sind vollständig neu bearbeitet, außerdem ist die Kommentierung des praktisch bedeutsamen Bauträgervertrags (§ 650u BGB) neu gefasst und deutlich erweitert worden. Die umfangreiche Rechtsprechung insbesondere des BGH zum Abgasskandal hat zu einer vollständigen Überarbeitung und Erweiterung der entsprechenden Passagen in der Kommentierung zu § 826 BGB geführt, die Kommentierung des § 852 BGB wurde vollständig erneuert.
Im Sachenrecht lagen die Schwerpunkte der Überarbeitung beim Rangvorbehalt iSv § 881 BGB, bei entgeltlichen dinglichen Nutzungsrechten und bei den Gestaltungsmöglichkeiten von Ausübungsbedingungen dinglicher Rechte. Zudem waren zahlreiche höchst- und obergerichterliche Entscheidungen zu berücksichtigen, unter anderem zum Notwegerecht, abermals zum GbR-Gesellschafterwechsel im Grundbuch im Todesfall, zur Reallast sowie zu den Grundpfandrechten, hier insbesondere den Rückgewähranspruch betreffend.
Im Familienrecht erforderte die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts durch das Gesetz vom 4.5.2021 aufgrund der Neufassung der §§ 1773 bis 1888 BGB die umfangreichste Neu-kommentierung. Die am 1.1.2023 in Kraft tretende und durch das sog. „Reparaturgesetz“ vom 24.6.2022 bereits vor Inkrafttreten in zahlreichen Punkten wieder geänderte Reform hat zu einer völligen Neubearbeitung des Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrechts geführt. Der neuen Systematik entsprechend verweisen im Bereich der Vermögenssorge das Kindschafts- und das Vormundschaftsrecht nunmehr auf das Betreuungsrecht, in dem die Vermögenssorge völlig neu geregelt und dabei deutlich modernisiert wurde. Ebenfalls reformiert wurde das Vergütungsrecht im VBVG. Die Kommentierung bezieht sich ausschließlich auf das ab 1.1.2023 geltende Recht. Zur Erleichterung des Einstiegs wird in den Vorschriften jeweils einleitend der Bezug zum bisherigen Recht hergestellt. Mit dieser Reform wurde außerdem ein gegenseitiges Vertretungsrecht von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge eingeführt, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine in diesem Bereich anfallenden Angelegenheiten nicht besorgen kann (§ 1358 BGB). Auch die schon länger geforderte Abschaffung des Güterrechtsregisters wurde umgesetzt, so dass ab 1.1.2023 keine Eintragungen – von Löschungen in bestimmten Fällen abgesehen – mehr erfolgen können. Der Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs wurde durch § 1412 neu ausgestaltet. Allerdings ist für die Geltung der Publizität bestehender Eintragungen gegenüber dem Gutglaubensschutz eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen, zur Einsicht vorzuhalten ist das Register noch bis 31.12.2037. Die redaktionelle Berichtigung des § 1517 durch das Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens wurde ebenfalls noch berücksichtigt. Im Unterhaltsrecht haben die Entscheidungen des BGH zur Bemessung des Erwerbstätigenbonus sowie zu einer möglichen Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bei besonders guten Einkommensverhältnissen zu einer bedeutsamen, in der Kommentierung im Einzelnen dargestellten Überarbeitung der Düsseldorfer Tabelle sowie der Leitlinien der Obergerichte geführt. Zudem sind weitere für die Praxis bedeutsame Entscheidungen eingearbeitet worden. Hervorzuheben sind insoweit die Entscheidungen des BGH zur Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen für selbst genutzte bzw. vermietete Immobilien sowie seine lebhaft diskutierten Entscheidungen zur unterhaltsrechtlichen Anerkennung eines vom betreuenden Elternteil neben der Betreuung geleisteten Naturalunterhalts und den sich daraus für andere Unterhaltsverhältnisse ergebenden Konsequenzen. Auch im Bereich des Versorgungsausgleichs war wieder eine Fülle grundlegender Entscheidungen einzuarbeiten, die u.a. den Ausgleich neuer Formen über den Kapitalmarkt finanzierter Anrechte, aber auch den Ausgleich von durch die Einführung einer „Grundrente“ erhöhten Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen.
Im Erbrecht war ebenfalls die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zu berücksichtigen, insbesondere im Bereich der Nachlasspflegschaft und der Genehmigungspflicht erbrechtlicher Rechtsgeschäfte beim Handeln durch einen gesetzlichen Vertreter. Daneben waren zahlreiche Entscheidungen und Veröffentlichungen einzuarbeiten. So hat der BGH die Mitwirkung und Verantwortlichkeit des Erben bei dem umstrittenen Problembereich der Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse genauer herausgearbeitet. Ferner hat er der Auslegung von Verfügungen von Todes wegen durch außerhalb der Urkunde liegende Umstände wieder engere Grenzen gesetzt und sich von der teilweise sehr großzügigen Handhabung durch einzelne Oberlandesgerichte distanziert.
Im Internationalen Privatrecht wurden im Zuge der Reform des Betreuungsrechts Art 24 EGBGB völlig neugefasst, Art. 17 b EGBGB ergänzt und mit Art. 15 EGBGB eine Eingriffsnorm zum Schutz der Heilberufe geschaffen. Bei gleicher Gelegenheit wurde die Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit in Art 7 EGBGB auf das Aufenthaltsprinzip umgestellt. Daneben war auch das Inkrafttreten der Brüssel IIb-VO zu berücksichtigen, was insbesondere für die Anerkennung mitgliedstaatlicher Privatscheidungen folgenreich ist. Auch rechtstatsächliche Entwicklungen wie die Online-Eheschließung erforderten eine Einordung. Im übrigen EGBGB waren die Änderungen durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge, das Gesetz zur Umsetzung der sog. Modernisierungs-Richtlinie, das Mietspiegelreformgesetz und das Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen zu kommentieren. Daneben waren vor allem neue Urteile des BGH zu den bei Verbraucherverträgen bestehenden Informationspflichten zu berücksichtigen. In der Kommentierung des AGG sind insbesondere Entscheidungen des BAG zur Beweislast für die Benachteiligung und den Benachteiligungsgrund sowie des OLG Karlsruhe zur Benachteiligung durch eine nicht gendergerechte Anrede hervorzuheben.
Zum Wohnungseigentumsgesetz hat der BGH seine Rechtsprechung zur Störungsabwehrkompetenz nach dem WEMoG fortgesetzt und entsprechend der bisherigen Linie entschieden, dass ein Sondernutzungsberechtigter „Störungen durch andere Wohnungseigentümer oder Dritte“ selbst abwehren kann. Während sich die Judikatur zum Übergangsrecht und insbesondere der analogen Anwendung des § 48 V WEG allmählich verfestigt, werden nach der pandamiebedingten Blockade des Versammlungswesens materiell-rechtliche Fragen des reformierten WEG in den Focus rücken. Die Verordnung über die Prüfung zum zertifizierten Verwalter ist kaum in Kraft getreten, schon hat die Berliner Ampel-Koalition beschlossen, den „echten Sachkundenachweis“ einzuführen. Die erstmalige Anwendbarkeit der Vorschrift des § 19 II Nr. 6 WEG, wonach die Bestellung eines zertifizierten Verwalters zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, wurde kurz vor Redaktionsschluss auf den 1.12.2023 verschoben.
Im UKlaG, das ebenso wie das LPartG auf der Grüneberg-Homepage zu finden ist und dort in gewohnter Qualität kommentiert wird, sind insbesondere neue Entscheidungen des BGH und der Instanzgerichte eingearbeitet worden. Das Sachverzeichnis wurde vollständig durchgesehen, bereinigt und um wichtige neue Stichworte ergänzt. Die Verfasser danken den Lesern für die zahlreichen Anregungen und Hinweise, die uns auch in diesem Jahr wieder erreicht und zur Verbesserung des Werkes beigetragen haben. Wir freuen uns auf die Anregungen und Hinweise zur vorliegenden Auflage (Kontaktadresse s. S. X).
Berlin, Frankfurt a.M., Hamburg, Karlsruhe, München, Roth
im November 2022
Die Verfasser