VGH Mannheim: Keine Presseauskünfte zu Strafverfahren gegen Mannheimer Rechtsanwalt

Staatsanwaltschaften dürfen die Medien über strafrechtliche Verfahren unter Nennung des Namens des Beschuldigten grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten informieren, die die Öffentlichkeit besonders berühren. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit Beschluss vom 04.08.2017 klargestellt und entschieden, dass Presseauskünfte zu einem Strafverfahren gegen einen Mannheimer Rechtsanwalt wegen Betäubungsmitteldelikten nicht erteilt werden können. Der Ausgabe der Informationen unter Nennung des Namens des Mannes, wie sie von einem Presseorgan begehrt würden, stehe im konkreten Fall dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht entgegen (Az.: 1 S 1307/17).

Staatsanwaltschaft: Informationsinteresse der Öffentlichkeit nachrangig

Die Antragstellerin ist die Verlegerin einer örtlichen Zeitung. Sie begehrt im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes Auskunft zu einem strafrechtlichen Verfahren. Mit Schreiben vom 24.01.2017 verlangte sie von der Staatsanwaltschaft Mannheim Auskunft zu Fragen bezüglich eines potentiellen Ermittlungsverfahrens gegen einen Mannheimer Rechtsanwalt. Sie verwies darauf, sie habe gesicherte Informationen, dass derzeit Ermittlungen gegen einen Mannheimer Rechtsanwalt liefen, der im Verdacht stehen solle, mit Kokain in nicht geringer Menge gehandelt zu haben. Sie bat die Staatsanwaltschaft um Bestätigung der Ermittlungen und Auskunft dazu, ob es auch Ermittlungen gegen andere Personen und im Bereich der organisierten Kriminalität gebe, ob der Rechtsanwalt sich zu den Vorwürfen geäußert habe sowie warum er in Untersuchungshaft genommen wurde und diese nach zwei Wochen wieder habe verlassen dürfen. Mit Schreiben vom 24.01.2017 lehnte die Staatsanwaltschaft Mannheim die Anfrage der Antragstellerin ab, da hier die Persönlichkeitsrechte gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit als vorrangig zu bewerten seien.

Mannheimer Rechtsanwalt namentlich bezeichnet

Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim VG Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe (Antragsgegner) verpflichtet werden sollte, die Staatsanwaltschaft Mannheim anzuweisen, der Antragstellerin Auskunft zu den gestellten Fragen zu erteilen. Dabei wurde in den Fragen, zu denen sie Auskunft begehrte, ein Mannheimer Rechtsanwalt namentlich bezeichnet. Dieser wurde vom VG zum Verfahren beigeladen.

Keine über Pressemitteilung hinausgehenden Auskünfte erteilt

Am 27.03.2017 veröffentlichte die Staatsanwaltschaft Mannheim unter dem Titel "Staatsanwaltschaft Mannheim erhebt gegen Mannheimer Rechtsanwalt Anklage wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.“ eine Pressemitteilung. Daraufhin erklärte die Antragstellerin im Verfahren vor dem VG hinsichtlich der Fragen, ob es ein Ermittlungsverfahren gebe und sich der von ihr benannte Rechtsanwalt zu den Tatvorwürfen eingelassen habe, den Rechtsstreit für erledigt. Der Antragsgegner schloss sich der Erledigungserklärung nicht an und erteilte keine weiteren Auskünfte als in der Pressemitteilung vom 27.03.2017.

VG gibt Anträgen teilweise statt

Mit Beschluss vom 15.05.2017 stellte das VG hinsichtlich der Fragen, ob es ein Ermittlungsverfahren gebe und sich der von der Antragstellerin bezeichnete Rechtsanwalt zu den Tatvorwürfen eingelassen habe, die Erledigung des Rechtsstreits fest, verurteilte den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Auskunftserteilung zu den Fragen zur Untersuchungshaft und wies den Antrag zu den Fragen zu Ermittlungen gegen andere Personen und im Bereich der organisierten Kriminalität ab. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner legten gegen den Beschluss des VG Beschwerde ein.

VGH: Persönlichkeitsrecht des Betroffenen geht hier vor - Keine Namensnennung

Der VGH wies jetzt die Beschwerde der Antragstellerin zurück. Die Beschwerde des Antragsgegners führte dagegen zur Abänderung des Beschlusses des VG mit der Folge, dass die Anträge der Antragstellerin vollständig abgelehnt wurden. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 Landespressegesetz könnten Auskünfte verweigert werden, soweit ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Gehe es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so sei zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehörten, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Wäge man dieses Interesse mit der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ab, verdiene für die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang.

Veröffentlichung mit namentlicher Identifizierung im Ermittlungsstadium ist Ausnahmefall

Die in der Berichterstattung liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts müsse jedoch im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Daher sei eine Berichterstattung unter Namensnennung in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berührten, zulässig. Handele es sich um die Berichterstattung über ein laufendes Ermittlungsverfahren oder ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so sei im Rahmen der Abwägung zudem die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen. Eine Veröffentlichung mit namentlicher Identifizierung des Beschuldigten sei im Ermittlungsstadium daher nur ausnahmsweise zulässig.

Schutzwürdiges privates Interesse des Angeschuldigten überwiegt

Diese Grundsätze über die Zulässigkeit einer Berichterstattung unter Namensnennung würden auch für die Auskunftserteilung der Staatsanwaltschaften gelten. Das Informationsinteresse der Antragstellerin habe zwar erhebliches Gewicht, da es bei dem Tatvorwurf nicht um Bagatellkriminalität gehe und die berufliche Stellung des Angeschuldigten als Rechtsanwalt ein Interesse der Öffentlichkeit an dem Fall erwarten lasse. Die Antragstellerin habe sich daher im Verfahren zu Recht auf das Wächteramt der Presse berufen. Jedoch überwiege im Hinblick auf die beantragte Auskunft unter Namensnennung das schutzwürdige private Interesse des Angeschuldigten.

Ansehensverlust für Angeschuldigten droht

Es handele sich beim Tatvorwurf nicht um schwere Kriminalität, sondern "nur" um 14 Fälle des Erwerbs von Kokain und das Herstellen eines Kontakts zwischen seinen beiden Betäubungsmittellieferanten, in dessen Folge es zu zwei Verkäufen von Betäubungsmitteln gekommen sei. Es sei nicht erkennbar, dass die Strafvorwürfe inhaltlichen Bezug zu der Ausübung beruflicher Pflichten durch einen Rechtsanwalt hätten. Eine individualisierende Berichterstattung könne zu einem Ansehensverlust für den Angeschuldigten führen, der möglicherweise nicht wiedergutzumachen wäre und ihn daher in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht empfindlich träfe, zumal das Landgericht über die Zulassung der Anklage gegenwärtig noch nicht entschieden habe.

Kein Anspruch auf begehrte Auskunft unter Namensnennung

Daher bestehe wegen des schutzwürdigen Persönlichkeitsrechts des Angeschuldigten kein Anspruch auf die begehrte Auskunft unter Namensnennung. Auch sei hinsichtlich der Fragen der Antragstellerin, ob es ein Ermittlungsverfahren gebe und der Angeschuldigte sich eingelassen habe, durch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 27.03.2017 keine Erledigung eingetreten. Aus dieser ergebe sich nicht, gegen wen sich das Verfahren richte. Der Antragsgegner habe im Gerichtsverfahren auch keinen Namen bestätigt. Ob sich das in der Pressemitteilung genannte Verfahren gegen den von der Antragstellerin namentlich benannten Rechtsanwalt richte, ergebe sich auch nicht aus dem Umstand der Beiladung des von der Antragstellerin Benannten durch das Verwaltungsgericht. Denn dieser Beiladungsbeschluss beruhe nicht auf einer Bestätigung des Namens durch den Antragsgegner, sondern gerade darauf, dass die Antragstellerin zum Gegenstand ihres Antrags auf einstweilige Anordnung sechs Fragen zu dieser Person gemacht habe.

VGH Mannheim, Beschluss vom 04.08.2017 - 1 S 1307/17

Redaktion beck-aktuell, 7. August 2017.