VG Hannover: Niedersächsisches Pflegekammergesetz verfassungsgemäß

Das niedersächsische Pflegekammergesetz ist verfassungsgemäß. Dies hat das Verwaltungsgericht Hannover in mehreren Urteilen vom 07.11.2018 klargestellt und die Klagen zweier Gesundheits- und Krankenpflegerinnen gegen ihre Pflichtmitgliedschaft abgewiesen (Az.: 7 A 5658/17 und 7 A 6876/18). Das Gericht hat allerdings jeweils die Berufung zugelassen. Dagegen hatte die Klägerin in dem dritten am 07.11.2018 verhandelten Fall zum Niedersächsischen Pflegekammergesetz Erfolg (Az.: 7 A 954/18). Außer in Niedersachsen bestehen derzeit nur in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein Pflegekammern mit Pflichtmitgliedschaft.

Grundrechte einer Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht verletzt

Die Klage einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, die zugleich Geschäftsführerin und stellvertretende Pflegeleiterin in einem Pflegeheim in der Region Hannover ist, gegen ihre Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlich im Jahr 2017 eingerichteten Pflegekammer Niedersachsen blieb ohne Erfolg (Az.: 7 A 5658/17). Das VG kam zu dem Schluss, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber mit dem Erlass des Gesetzes innerhalb der ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz gehandelt hat und die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der Pflegekammer sowie ihre Beitragspflicht nicht gegen ihre Grundrechte verstoßen.

Beitrag zu Sicherung standardgerechter Pflege

Die Errichtung der Pflegekammer verfolgt nach Auffassung des Gerichts einen legitimen Zweck und ist auch sonst verhältnismäßig. In einer Gesellschaft, die durch den demografischen Wandel, die Veränderung der Familienstrukturen, den Fortschritt von Wissenschaft und Technik und durch einen Strukturwandel der Gesundheits- und Pflegeversorgung geprägt ist und die daher nach allgemeiner Einschätzung Maßnahmen der Verbesserung der Aus- und Weiterbildung in den Pflegeberufen sowie zur Steigerung von Qualität und Attraktivität des Pflegesektors insgesamt dringend bedarf, sei es naheliegend und verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Staat durch Gründung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – wie der beklagten Pflegekammer – einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit standardgerechter Pflege leistet. Wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers stehe der Pflichtmitgliedschaft auch nicht entgegen, dass der überwiegende Teil der Pflichtmitglieder abhängig beschäftigt ist. Im Rahmen des ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraums habe sich der niedersächsische Gesetzgeber nicht an dem bayerischen Modell einer freiwilligen Mitgliedschaft in einer "Vereinigung der Pflegenden" orientieren müssen.

Auch in Krankenhaus tätige "Fallmanagerin" unterliegt Pflichtmitgliedschaft

Auch die Klage einer in einem niedersächsischen Krankenhaus als sogenannte Fallmanagerin beschäftigten ausgebildeten Gesundheits- und Krankenpflegerin auf Feststellung, dass sie nicht Mitglied der Pflegekammer ist, blieb erfolglos. Die Voraussetzungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 Pflegekammergesetz, wonach eine zur Pflichtmitgliedschaft führende einschlägige Berufsausübung bereits dann vorliegt, wenn bei der (ausgeübten) Tätigkeit Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung waren, eingesetzt werden oder auch nur eingesetzt oder mit verwendet werden können, seien in ihrem Fall erfüllt. Das Gesetz sei insoweit weit auszulegen. Die Klägerin könne in ihrer konkreten Berufstätigkeit ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten als ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin sinnvoll einsetzen, um für die Patienten möglichst effektive Anschlussmaßnahmen an den stationären Krankenhausaufenthalt zu organisieren (Az.: 7 A 6876/18).

Bescheid in drittem Verfahren aus formellen Gründen aufgehoben

Das Gericht hat im dritten Verfahren (Az.: 7 A 954/18) den angefochtenen Aufforderungsbescheid eines vorläufigen Organs der Pflegekammer, unter anderem die Mitarbeiter der Klägerin mitzuteilen, die eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG besitzen und diesen Beruf nach Ansicht der Beklagten in Niedersachsen ausüben, aus formellen Gründen aufgehoben. Der Bescheid sei nicht von dem nach den einschlägigen Vorschriften dafür zuständigen Organ der Kammer erlassen worden, heißt es in der Begründung.

VG Hannover, Urteil vom 07.11.2018 - 7 A 5658/17

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2018.