VG Aachen: Keine Ausnahmegenehmigungen zum Befahren der Umweltzone in Aachen

Wegen starker Immissionsbelastung durch Stickstoffdioxid hatte die Kölner Bezirksregierung im Februar 2016 in Aachen eine "grüne Umweltzone" eingeführt, die in einem räumlich begrenzten Bereich ein Verkehrsverbot für schadstoffintensive Fahrzeuge vorsieht, die nicht mit einer grünen Plakette ausgestattet sind. Eine Befreiung von dem Verkehrsverbot ist auf Antrag in Fällen wirtschaftlicher und sozialer Härte möglich. Eine Gehbehinderung oder die erschwerte Ausübung eines Gewerbes rechtfertigen allerdings noch keine Ausnahmegenehmigung, wie das Verwaltungsgericht Aachen jetzt entschied (Urteile vom 04.09.2017, Az.: 6 K 736/16, 6 K 1104/16).

Kläger beruft sich auf seine Schwerbehinderung

Der Kläger des ersten Verfahrens wohnt außerhalb der Umweltzone Aachen. Er beantragte eine Ausnahmegenehmigung mit der Begründung, er sei zu 70% schwerbehindert, könne schlecht gehen und sei auf einen Rollator angewiesen. Sein Auto könne ausweislich einer Bescheinigung des TÜV Rheinland nicht mit einem Rußpartikelfilter nachgerüstet werden. Er benötige den Wagen, um mit einer Begleitperson einkaufen zu fahren, Ärzte aufzusuchen und seine Familie zu besuchen. Eine Ausnahmegenehmigung erteilte die Stadt Aachen nicht.

VG: Verweisung auf öffentlichen Nahverkehr oder Taxis nicht unzumutbar

Das Verwaltungsgericht gab der Stadt Recht: Die vom Kläger geltend gemachten Umstände würden keine unzumutbaren Nachteile begründen, die ihn im Verhältnis zu anderen Besuchern der Umweltzone besonders hart treffen würden. Es sei nicht erkennbar, dass es ihm - auch unter Berücksichtigung seiner Gehbehinderung, wegen der er auf einen Rollator angewiesen sei - unzumutbar sei, die Besuche bei seiner Familie, das Aufsuchen von Fachärzten sowie die Erledigung von Einkäufen im Bereich der Umweltzone mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch die gelegentliche Inanspruchnahme eines Taxis zu bewältigen, auch wenn dies mit einem Mehraufwand und auch zusätzlichen Kosten verbunden sein dürfte. Angesichts der hohen Bedeutung des Gesundheitsschutzes, der Anlass für die Einrichtung der Umweltzone war, müssten derartige Unannehmlichkeiten hingenommen werden.

Auch Gerüstbauer unterliegt mit Klage

Auch die Klage eines Gerüstbaubetriebs mit Sitz außerhalb der Umweltzone Aachen blieb ohne Erfolg. Für ihren Lkw beantragte sie eine Ausnahmegenehmigung, weil die Umrüstung des Wagens mit einem Rußpartikelfilter rund 6.000 Euro kosten würde, was wirtschaftlich nicht tragbar sei. Das Fahrzeug werde ohnehin nur vier- bis fünfmal im Jahr zum Befahren der Umweltzone gebraucht. Das VG erläuterte, in diesem Fall könne die Firma, anders als Privatpersonen, zwar nicht darauf verwiesen werden, die erforderlichen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch die Inanspruchnahme eines Taxis zu bewältigen. Doch sei die Ausübung ihres Gewerbes in der Umweltzone der Klägerin nicht unmöglich gemacht, sondern allenfalls erschwert worden. Denn sie sei seit Inkrafttreten des Verkehrsverbotes in der Lage gewesen, ihre Baustellen mit einem kleineren vorhandenen Fahrzeug, das in die Umweltzone einfahren darf, zu beliefern. Dies sei zwar mit einem Mehraufwand und zusätzlichen Kosten verbunden. Dass diese Praxis zu einer Existenzgefährdung führen und unter diesem Gesichtspunkt im Ergebnis ein überwiegendes und unaufschiebbares Einzelinteresse vorliegen könnte, sei aber nicht vorgetragen worden, so das Gericht weiter.

VG Aachen, Urteil vom 04.09.2017 - 6 K 736/16

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2017.