VerfGH Bayern: Gesetzesänderungen zu Abgeordnetenversorgung mit Bayerischer Verfassung vereinbar

Die Änderungen im Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen und im Bayerischen Abgeordnetengesetz, die die finanzielle Absicherung ausgeschiedener Abgeordneter des Bayerischen Landtags betreffen, sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Dies hat am 30.07.2018 der Bayerische Verfassunsgerichtshof entschieden. Die Gesetzesänderungen haben zur Folge, dass die Zeiten als Abgeordneter und als berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter zusammengerechnet werden können; ein Versorgungsanspruch ergibt sich, wenn insgesamt zehn Jahre erreicht sind (Az.: Vf. 11-VIII-17).

Landtagsfraktion der Grünen moniert Verfassungswidrigkeit

Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen machte als Antragstellerin gegenüber der CSU-Landtagsfraktion als Antragsgegnerin geltend, die angegriffenen Regelungen verstießen aus den bereits im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens angesprochenen Gründen gegen die Bayerische Verfassung. Die neu geschaffene Anrechnungsmöglichkeit verletze in mehrfacher Hinsicht den formalisierten Gleichheitsgrundsatz, der bei allen Entschädigungsleistungen an Abgeordnete, so auch bei der Altersversorgung, zu beachten sei. Diejenigen Abgeordneten, die in ihrer beruflichen Karriere zwischen Abgeordnetentätigkeit und kommunalem Wahlamt wechselten, würden gegenüber den Abgeordneten bessergestellt, die vor Ablauf der Zehnjahresfrist in eine andere berufliche Tätigkeit wechselten oder keine solche mehr aufnähmen. Je nachdem, welches Wahlamt zuletzt ausgeübt werde, ergäben sich auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem ein Anspruch auf Altersversorgung entstehe.

Recht der zuletzt ausgeübten Tätigkeit maßgeblich

Der VerfGH hat den Antrag der Landtagsfraktion der Bündnisgrünen abgewiesen. Der wesentliche Regelungsgehalt der von der Antragstellerin beanstandeten Vorschriften bestehe darin, dass die Zeiten als Abgeordneter und als berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter – sofern nicht bereits aufgrund einer der Tätigkeiten eine Versorgung in Betracht kommt – zusammengerechnet werden können und sich ein Versorgungsanspruch beziehungsweise eine Anwartschaft ergibt, wenn insgesamt zehn Jahre erreicht sind. Für die Beurteilung des Anspruchs im Einzelnen sei das Recht der Tätigkeit maßgeblich, die zuletzt ausgeübt wurde.

Anspruch auf Altersentschädigung grundsätzlich mit Vollendung des 67. Lebensjahrs

Sei jemand zunächst in einem kommunalen Wahlbeamtenverhältnis und später als Landtagsabgeordneter tätig, könne die Zeit als kommunaler Wahlbeamter auf Antrag als Zeit der Mitgliedschaft im Landtag angerechnet werden (Art. 14a Satz 1 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes – BayAbgG). Die Höhe des Anspruchs auf Altersentschädigung nach dem Abgeordnetenrecht sei in einem solchen Fall gemäß Art. 14a Satz 2 BayAbgG gedeckelt. Es werde Altersentschädigung in Höhe der nach zehn Jahren vorgesehenen Mindestentschädigung von 33,5% gezahlt (Art. 13 Satz 1 BayAbgG), und zwar auch dann, wenn die Addition der Zeiten beider Tätigkeiten mehr als zehn Jahre ergebe. Es gölten die Altersgrenzen des Abgeordnetenrechts mit der Folge, dass ein Anspruch auf Altersentschädigung grundsätzlich mit Vollendung des 67. Lebensjahrs entstehe.

Versorgungsansprüche unmittelbar im Anschluss an Ablauf der Amtszeit möglich

Im umgekehrten Fall, wenn also jemand zuerst Parlamentsmitglied und später kommunaler Wahlbeamter war, würden auf die Wartezeit von zehn Jahren, die nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) Voraussetzung für den Eintritt in den Ruhestand sei, Zeiten als Mitglied des Landtags angerechnet (Art. 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 KWBG). Da im KWBG keine Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand vorgesehen ist, könnten Versorgungsansprüche unmittelbar im Anschluss an den Ablauf der Amtszeit gegeben sein. Eine Versorgung könne daher in einem jüngeren Lebensalter erreicht werden, als dies der Fall ist, wenn zuletzt die Tätigkeit als Mitglied des Landtags ausgeübt wird. Regelmäßig ergebe sich ein Versorgungsanspruch in Höhe des Mindestsatzes von 35%.

Gesetzgeber hat seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten

Nach Auffassung des VerfGH halten die angegriffenen Regelungen sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums; der formalisierte Gleichheitsgrundsatz (Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) sei nicht verletzt. Eine unzulässige Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte sei nicht gegeben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Ausübung der politischen Ämter eines Mitglieds des Landtags und eines Beamten auf Zeit im kommunalen Wahlbeamtenverhältnis für den Erwerb eines (Mindest-)Versorgungsanspruchs als Einheit zu behandeln, könne sich auf sachbezogene Überlegungen stützen. Trotz der statusrechtlichen Unterschiede sowie der Zuordnung der Parlamentsabgeordneten zur Legislative einerseits und der kommunalen Wahlbeamten zur Exekutive andererseits gebe es Ähnlichkeiten; insbesondere würden beide Tätigkeiten eine Wahl voraussetzen.

Keine unzulässigen Differenzierungen im Hinblick auf verschiedene Abgeordnetengruppen

Ebenso wenig ergäben sich aus den angegriffenen Vorschriften unzulässige Differenzierungen im Hinblick auf verschiedene Gruppen von Abgeordneten. Dass aufgrund der bisherigen Rechtslage auch ohne die angegriffenen Regelungen Mechanismen bereitstehen, die – wie eine Versorgungsabfindung oder eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung – zumindest eine Grundversorgung ermöglichen, hindere den Gesetzgeber nicht, Gesetzesänderungen vorzunehmen. Zwar würden die angegriffenen Änderungen dazu führen, dass Abgeordnete, die zwischen den Tätigkeiten als Landtagsabgeordneter und als kommunaler Wahlbeamter wechseln, ein Anrecht auf eine bessere Altersversorgung erwerben, als dies beispielsweise bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft der Fall ist. Die beanstandeten Vorschriften stellten jedoch lediglich eine Fortentwicklung und punktuelle Ergänzung des bestehenden Systems der Abgeordnetenversorgung dar, das bereits derzeit keine absolute Gleichbehandlung aller ehemaligen Mitglieder des Landtags in versorgungsrechtlicher Hinsicht vorsehe. Die Änderungen beträfen zudem nur eine geringe Anzahl von Begünstigten, wobei sich die zu erlangende Versorgung jeweils auf einen Anspruch in Höhe des Mindestbetrags beschränke. Ein Systembruch oder -wechsel bei der Abgeordnetenversorgung sei daher nicht ansatzweise erkennbar. Dass der Gesetzgeber die Randunschärfe einer gesetzlichen Regelung modifiziert, gehöre auch im Geltungsbereich des formalisierten Gleichheitssatzes typischerweise zu seinem Gestaltungsermessen.

Keine Ungleichbehandlung im Hinblick auf Reihenfolge der ausgeübten Wahlämter

Die von der Antragstellerin monierte Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Reihenfolge der ausgeübten Wahlämter führe ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrags. Dies sei Folge der unterschiedlich ausgestalteten Versorgungssysteme der Abgeordneten einerseits sowie der kommunalen Wahlbeamten andererseits, deren Strukturen als solche nicht Gegenstand der Meinungsverschiedenheit seien.

Redaktion beck-aktuell, 1. August 2018.