Unsachliche Kritik auf Ablehnungsantrag führt zu Befangenheit

Das OLG Stuttgart erklärte einen Richter für befangen, der in seiner dienstlichen Erklärung auf ein „nicht ganz abwegiges“ Ablehnungsgesuch polemisch antwortete: Er hatte sich verwundert gezeigt, dass der Anwalt den Antragsteller in seiner versuchten Verfahrensverzögerung unterstütze.

Ein Richter kann abgelehnt werden, wenn er den Anschein erweckt, nicht unparteilich zu sein. So geschehen in einer Räumungssache, in der sich der Einzelrichter gegenüber dem Wohnungsnutzer und seinem Anwalt in einer dienstlichen Erklärung abfällig äußerte.

Dazu war es gekommen, nachdem der Anwalt des Eigentümers kurzfristig eine Terminverlegung beantragen musste, weil er erkrankt war. Da er allerdings – so der Gegner – nun schon mehr als 30-mal irgendwelche Verhinderungsgründe vorgetragen habe, sei er skeptisch geworden und habe am Tag des abgesagten Termins in der Kanzlei des Juristen angerufen. Er behauptete weiter gegenüber dem Gericht, dass die Sekretärin ihm am Telefon gesagt habe, dass ihr Chef auf der anderen Leitung spreche. Sein Misstrauen gegenüber dem Anwalt habe sich bestätigt.

Auf Rückfrage des Gerichts konnte der Anwalt den Vorgang zur Zufriedenheit des Gerichts aufklären. Der Richter schrieb dem Gegner daraufhin, dass er mit solchen Unterstellungen künftig ein wenig zurückhaltender sein solle. Diese Belehrung resultierte in einem Befangenheitsantrag. In seiner dienstlichen Stellungnahme zeigte der Einzelrichter sich verwundert, dass der "faire und vernünftige" Anwalt sich für die versuchte Verfahrensverzögerung seines Mandanten hergebe. Dieser habe bereits mehrere Befangenheitsanträge eingereicht. Der Letzte sei schon offensichtlich unbegründet gewesen. Das LG Tübingen stufte dieses Vorgehen als unproblematisch ein, anders sah es das OLG.

Dem OLG Stuttgart reichte der Inhalt der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters für eine Befangenheit (Beschluss vom 02.10.2024 – 13 W 20/24). Die dienstliche Äußerung könne Zweifel an der Unparteilichkeit wecken.

Vorwurf der Stimmungsmache

Der Vorwurf des Richters, dass das Ablehnungsgesuch nur der Verfahrensverzögerung diene, war den Stuttgarter Richterinnen und Richtern zufolge angesichts des "nicht ganz abwegigen" Ablehnungsantrags unsachlich. Das OLG fand es nachvollziehbar, dass der Gegner sich durch die Formulierung, er solle sich mit Unterstellungen zurückhalten, gemaßregelt gefühlt haben könnte. Auch wenn derartige Ermahnungen an die Adresse der Parteien zur Beruhigung der Gemüter grundsätzlich zulässig seien, sei der Vorwurf in der konkreten Situation "schon ein wenig hart" gewesen. Der Gegner habe dem Anwalt nicht ausdrücklich vorgeworfen, die Krankheit vorgetäuscht zu haben. Vielmehr habe er mit Blick auf den angegebenen Grund der Verlegung um Aufklärung gebeten.

Zudem habe der Einzelrichter versucht, Stimmung gegen Gegner zu machen, indem er auf vorangegangene Befangenheitsanträge ("offensichtlich unbegründet") hinweise. Der Senat sah hier keinen Zusammenhang zum aktuellen Antrag.

Diese "Stimmungsmache" werde dadurch verstärkt, dass der Richter mit dem Hinweis, er habe den Gegneranwalt eigentlich als fairen und vernünftigen Anwalt kennengelernt, zum Ausdruck bringe, dass er das Ablehnungsgesuch weder als fair noch als vernünftig ansehe. 

OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.10.2024 - 13 W 20/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 11. Oktober 2024.