Haftung für Verletzungen bei gemeinsamem Nordic Walking
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Gerät beim gemeinsamen Nordic Walking der Stock des einen zwischen die Beine des anderen und wird dieser dadurch verletzt, so haftet der Stockführende, ohne sich auf einen Haftungsausschluss berufen zu können. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 30.07.2020 hervor. Denn anders als beim Fußball oder Tennis-Doppel müsse beim Nordic Walking nicht mit Verletzungen gerechnet werden.

Stock brachte Nordic Walkerin zu Fall

Die Bundesagentur für Arbeit machte als Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung einen auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch einer Versicherten geltend. Diese hatte sich im Dezember 2013 beim gemeinsamen Nordic Walking mit dem Beklagten verletzt. Dieser war gegen einen seiner Walkingstöcke getreten, der dadurch zwischen die Beine der Versicherten geraten war, neben der er gegangen war. Die Versicherte war gestürzt und hatte sich an der Hand verletzt. Sie war zunächst arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Jahr 2015 kündigte ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch immer arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangte von dem Beklagten Ersatz für das Arbeitslosengeld, das sie an die Versicherte gezahlt hat. Das Landgericht gab der Klage statt. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.

Beklagter hat Sorgfaltspflichten verletzt

Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Das OLG hat zwar ebenfalls entschieden, dass sich der Beklagte grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht hat. Er habe die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und die Versicherte dadurch verletzt. Denn bei regelkonformem Nordic Walking könne der Gehende nicht versehentlich gegen den eigenen Stock treten.

Auch kein Haftungsausschluss beim Nordic Walking

Der Beklagte könne sich auch nicht auf einen Haftungsausschluss berufen. Zwar wüssten Personen, die gemeinsam Sport treiben wollen, dass sie den anderen dabei verletzen und auch selbst verletzt werden können. Deshalb gelte oft der Grundsatz, dass die bewusste Inkaufnahme eines Verletzungsrisikos zu einer Haftungsbegrenzung führt. Bei der Verabredung zum Nordic Walking habe aber weder der Beklagte noch die Versicherte damit gerechnet, verletzt zu werden. Eine solche Gefahr ergebe sich auch nicht aus der zum Nordic Walking gehörenden Benutzung der Stöcke. Diese würden nur unterstützend zum Gehen und eng am Körper eingesetzt.

Keine Vergleichbarkeit mit Fußball oder Tennis-Doppel

Auch die örtlichen Gegebenheiten des Spazierwegs führten nicht zu einer erhöhten Gefahr. Eine Ablenkung durch Gespräche zwischen den Sporttreibenden, durch die Beobachtung der Natur oder eine etwaige Schwächung der Konzentration, sei zwar lebensnah. Dadurch würden die Anforderungen an die eigenen Sorgfaltspflichten aber nicht gesenkt, sondern vielmehr gesteigert, weil dann eine erhöhte Gefahr für die eigene Sicherheit und die anderer besteht. Die Situation sei anders als bei einem Fußballspiel oder einem Tennisspiel im Doppel, weil sich dort die Gefahr des Körperkontakts nicht vermeiden lässt. Beim gemeinsamen Nordic Walking könnten die Walkenden jedoch ohne Weiteres den Abstand zwischen sich vergrößern.

Überwiegendes Mitverschulden der Versicherten schließt Anspruch aus

Ein Anspruch auf Erstattung des bereits gezahlten Arbeitslosengeldes stehe der Klägerin aber dennoch nicht zu, weil die Versicherte ein überwiegendes Mitverschulden an der Arbeitslosigkeit treffe. Denn sie sei nicht gegen die Kündigung ihres Arbeitgebers vorgegangen. Nach dem aktenkundigen Sachverhalt spreche alles dafür, dass ihr Arbeitgeber ihr einen "leidensgerechten" Arbeitsplatz hätte zuweisen können.

OLG Schleswig, Urteil vom 30.07.2020 - 6 U 46/18

Redaktion beck-aktuell, 10. August 2020.