Eine ausländische Staatsangehörige wollte über ihren Anwalt feststellen lassen, dass sie dem Jobcenter keine ALG-II-Leistungen zurückzahlen muss. Das Hauptzollamt hatte die seit elf Jahren in Deutschland lebende Frau – basierend auf einem Bescheid von 2018 – aufgefordert, Sozialleistungen in Höhe von rund 2.400 Euro zu erstatten. Ihr Bevollmächtigter reichte im Juni 2022 Klage ein, um diese Forderung abzuwehren.
Vor dem Sozialgericht zweifelte das Jobcenter jedoch die ordnungsgemäße Vollmacht des Juristen an. Er reichte daraufhin eine auf den Namen der Mandantin lautende, ausdrücklich für dieses Verfahren ausgestellte und unterschriebene Vollmacht ein. Dies konterte die Behörde mit Unterschriftenproben der Frau und ihres Ehemanns aus der Verwaltungsakte: Nicht die Ehefrau, sondern ihr Mann habe die Vollmacht abgezeichnet. Der anschließenden Aufforderung des SG Bremen gegenüber dem Anwalt, einen Identitätsnachweis vorzulegen, kam dieser nicht nach. Das SG wies die Klage als unzulässig ab: Die eingereichte Unterschrift weise Diskrepanzen zu früheren Unterschriften auf.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hob das Urteil des SG auf die Berufung der Frau auf und verwies die Sache ans SG zurück (Urteil vom 27.02.2024 – L 15 AS 259/23). Das Gericht war der Ansicht, dass im Regelfall weder eine unleserliche Unterschrift noch Abweichungen zu bereits vorliegenden Unterschriften Anlass zu Zweifeln bieten. Insbesondere könnten bestehende Bedenken aber nicht nach Aktenlage geklärt werden: "Regelmäßig verfügen weder Gerichte noch Behördenvertreter über die notwendige Fachkompetenz, um anhand eines Unterschriftenvergleichs die Urheberschaft einer Unterschrift durch eine bestimmte Person abschließend festzustellen oder auszuschließen", stellte der Senat fest.
Dies gilt den Richterinnen und Richtern zufolge erst recht, "wenn es sich bei der betreffenden Person, die die Unterschrift geleistet haben soll, um eine Person handelt aus einer Personengruppe, in der erfahrungsgemäß überproportional viele Personen einen niedrigen Schulbildungsgrad besitzen bzw. kaum oder gar nicht des Lesens und Schreibens mächtig sind". Dies könne der Senat nach seinen Erfahrungen in zahlreichen ähnlich gelagerten Verfahren keineswegs ausschließen. Gerade deshalb mache es keinen Sinn, beispielsweise die Vorlage eines Passes anzuordnen. Stattdessen wäre ein Termin in Anwesenheit der Partei erforderlich gewesen, um die Sache erörtern zu können.
Ebenfalls kein Glück hatte das Jobcenter beim BSG: Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen.