Nach Kündigung: Firma muss Provision in Kryptowährung auszahlen

Eine Arbeitnehmerin bestand darauf, ihre Provisionen – wie vereinbart – in der Kryptowährung Ether ausgezahlt zu bekommen. Ob das überhaupt zulässig ist, wie man Euro in Ether umrechnet und wie ein entsprechender Antrag formuliert sein muss, das klärte nun das LAG.

Trotz ihrer Popularität in den vergangenen Jahren fristen Kryptowährungen in der Breite der deutschen Wirtschaft noch eher ein Schattendasein. Sie gelten vielen als unseriös, hoch volatil, manchen gar als Spielgeld für Kriminelle. Dieses Verständnis hat sich schon beträchtlich gewandelt, doch dass Arbeitsentgelt in Kryptowährungen ausbezahlt wird, dürfte auf dem hiesigen Markt noch eher eine Seltenheit sein.

Umso bemerkenswerter, dass eine Frau nun mit einer Klage vor dem LAG Baden-Württemberg Erfolg hatte, mit der sie von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Auszahlung von Provisionen in der Kryptowährung Ether forderte. 19,194 Ether-Einheiten muss die Firma nach dem Urteil des LAG nun an ein von der Klägerin zu bezeichnendes Wallet übertragen (Urteil vom 10.04.2024 – 19 Sa 29/23).

Wie formuliert man einen Antrag auf Zahlung in Kryptowährung?

Der Tenor deutet schon eine Schwierigkeit solcher Zahlungsklagen an: Wann sind sie überhaupt bestimmt genug? Wie genau formuliert man einen passenden Antrag? Doch zunächst zum Fall:

Beklagte war ein Unternehmen aus der Online-Marketingbranche, das sich auch mit Kryptowährungen und Blockchain befasste. Die Klägerin, eine junge Frau von heute Mitte 20, war zunächst als Werkstudentin und später als "Jr. Key-Accountmanager/Partnermanager" bei der Firma beschäftigt, wo sie laut Arbeitsvertrag neben einem monatlichen Fixum 10, 15, beziehungsweise 20% des angeworbenen Neugeschäfts – für das Geschäft mit Bestandskunden etwas weniger – als Bonus in Ether erhalten sollte.

Nach ihrer Kündigung zahlte das Unternehmen seiner ehemaligen Mitarbeiterin die seiner Ansicht nach fälligen Provisionen in Höhe von einigen Tausend Euro aus. Die Frau war jedoch der Ansicht, Anspruch auf mehr zu haben und forderte Nachzahlungen in Ether, wobei sie den bereits gezahlten Euro-Betrag von der Gesamtsumme im Zeitwert der Kryptowährung in Abzug brachte, ebenso wie zwei Ether-Wallets, die sie von einem Kunden als Bezahlung erhalten hatte.

Ihr ehemaliger Arbeitgeber entgegnete vor Gericht, der Antrag sei schon unzulässig, weil sich der Provisionsanspruch an Euro-Umsätzen orientiert habe. Durch den zwischenzeitlich extremen Kursanstieg der Kryptowährung fordere die ehemalige Mitarbeiterin nun etwa das sechs- bis 15-fache ihres eigentlichen Euro-Provisionsanspruchs. Von dem Kursanstieg könne sie aber nicht profitieren, schließlich sei man ja keine Krypto-Bank, so die Klageerwiderung. Der Antrag ergebe daher nur Sinn, wenn damals allein die Währung Ether Grundlage gewesen wäre, also auch die Umsatzschwelle so vereinbart worden wäre. Außerdem sei der Antrag, wie ihn das Gericht später tenorieren müsste, auch gar nicht vollstreckbar. Müsste ein Gerichtsvollzieher Ether vollstrecken, hinge es allein vom zufälligen Wechselkurs ab, wieviel die Klägerin erhielte. Die insofern berechtigten Provisionsforderungen seien mit der bereits erfolgten Zahlung abgegolten.

LAG sieht Bestimmtheitserfordernis gewahrt

Nach dem ArbG folgte auch das LAG schließlich in wesentlichen Punkten der Klägerin und ging dabei auf einige spannende Rechtsfragen ein. Zunächst einmal sei der Antrag zutreffend auf die Übertragung von Ether-Einheiten gerichtet. Kryptowährungen seien nach § 1 Abs. 11 S. 4 KWG digitale Darstellungen eines Wertes, die nicht von einem Emittenten ausgegeben werden. Sie seien kein Geld im zivilrechtlichen Sinn, auch kein elektronisches Geld.

Zudem sahen die Richterinnen und Richter den Antrag auch als bestimmt genug im Sinne des § 253 ZPO an. Die starken Kursschwankungen bei Kryptowährungen stünden dem nicht entgegen, denn auch klassische Währungen unterlägen diesen in gewissem Maße. Die Klägerin hätte auch nicht, wie ihr früherer Arbeitgeber argumentiert hatte, ein bestimmtes Wallet in den Klageantrag aufnehmen müssen. Kryptowährungen könnten nur einem Wallet zugewiesen werden, wobei jedes Wallet eine individuelle Adresse besitze, ähnlich einem Bankkonto: "Genauso wenig wie der Gläubiger einer Geldschuld in seinem Klageantrag ein Bankkonto anzugeben hat, hat daher der Gläubiger eines Anspruchs auf Übertragung von Einheiten einer Kryptowährung die Adresse seines Wallets zu benennen."

Ein weiteres Problem war, ob es sich beim Antrag der Klägerin auf Zahlung der restlichen Provisionen um eine unzulässige Saldoklage handelte, die ihrerseits nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO entsprach. Die Frau hatte nämlich nicht explizit erklärt, welche Einzelforderungen an Provisionen durch die von ihr vorgenommenen Abzüge nicht mehr Gegenstand der Klage sein sollten. Das Gericht sah dies aber als unschädlich an und ermittelte die Tilgungsreihenfolge – mangels anderweitiger Angaben – nach den Bestimmungen des § 366 Abs. 2 BGB, wonach davon auszugehen sei, dass die Klägerin die jeweils älteste Schuld von ihrer Gesamtforderung abziehen wollte.

Kryptowährung als Sachbezug

Im Übrigen hielt man die Klage auch für überwiegend begründet, vor allem sah man die arbeitsvertragliche Regelung, wonach die Provisionen in Ether auszuzahlen waren, als wirksam an. Problem an der Sache war, dass nach § 107 Abs. 1 GewO das Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu zahlen ist. Dem entspreche die Vergütung in Kryptowährungen zwar nicht, so das LAG. Es handele sich daher jedoch um einen Sachbezug, der als Teil des Arbeitsentgelts vereinbart werden könne, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers, beziehungsweise der Arbeitnehmerin oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspreche. Dies betraf aber nur einen Teil der Provisionen, denn der Wert der Sachbezüge darf nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen, damit Beschäftigte innerhalb des Abrechnungszeitraums über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der unpfändbare Teil des Entgelts sei daher in Geld auszuzahlen, so das LAG. Bis dahin sei die Vereinbarung über die Sachbezüge folglich nichtig, bereits geleistete Ether-Bezüge hätten keine Erfüllungswirkung und die in der Vergangenheit gewährten Sachleistungen seien nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) an den Arbeitgeber herauszugeben.

Schließlich stellte das Gericht auch klar, wie und vor allem zu welchem Zeitpunkt die Provisionen von Euro in Ether umzurechnen waren. Der Anspruch sei auf die Übertragung von Ether-Einheiten gerichtet, die den in Eurobeträgen errechneten Bruttoprovisionsansprüchen zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt entsprächen. Der arbeitsvertraglichen Regelung war hinsichtlich des Umrechnungszeitpunkts nichts anderes zu entnehmen. Man müsse sich in diesem Fall an der gesetzlichen Regelung des § 87c HGB orientieren, wonach Provisionsansprüche jeweils zum Ende des nachfolgenden Monats fällig seien, folgerte das LAG. Diese Fälligkeitsregel hätten die Parteien in der Berufungsverhandlung auch übereinstimmend zugrunde gelegt. Daraus folge auch der für die jeweilige Umrechnung maßgebliche Zeitpunkt. Der Einwand des Unternehmens, ihm werde dadurch das Risiko von Kursschwankungen aufgebürdet, überzeugte die Richterinnen und Richter nicht. Schließlich kenne man das Geschäft und die damit verbundenen Risiken. Und: " Wer sonst als eine der beiden beteiligten Parteien sollte das Risiko von Kursschwankungen tragen?"

Um ganz banale Euros ging es am Rande übrigens auch noch: Die Urlaubsabgeltung wird in Euro ausbezahlt.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.04.2024 - 19 Sa 29/23

Redaktion beck-aktuell, mam, 28. Juni 2024.