JuMiKo fordert 2.000 neue Stellen, Justiz-KI soll kommen, DNA-Analyse fällt durch
© Bayerisches Staatsministerium der Justiz | Die JuMiKo

Am Ende der zweitägigen Konferenz im sächsischen Bad Schandau haben die Justizministerinnen und -minister ihre Beschlüsse verkündet. Dabei drängen sie auf den Pakt für den Rechtsstaat und zeigen sich bei KI offen. Auch der VG-Beschluss zur Grenzzurückweisung war Thema.

Insgesamt haben die Justizministerinnen und -minister der Länder 52 Beschlüsse gefasst. Diese werden nun an Bundesjustizministerin Stefanie Hubig übergeben. Bevor es ans Inhaltliche geht, hatten die Justiz-Chefs aber noch etwas anderes zu sagen: Den Beschlüssen voran stellten sie eine gemeinsame Erklärung über zunehmende Angriffe auf Justiz und Rechtsstaat.

Aktuell ist das Thema allemal: Seit das VG Berlin die Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze für rechtswidrig erklärt hat, erreichen die beteiligten Richterinnen und Richter Morddrohungen. Das adressierten auch die Ressortchefs von Bund und Ländern: "Die richterliche Unabhängigkeit ist ein unverzichtbares Fundament unseres demokratischen Rechtsstaats. Wer sie angreift, greift die Grundwerte unserer Verfassung an", heißt es in der Erklärung.

Bundesjustizministerin Hubig (SPD) sagte bei einer Pressekonferenz: "Für mich, als Vertreterin der unabhängigen Justiz, sind sie alarmierend", denn sie richteten sich nicht nur gegen einzelne Personen, sondern gegen das Recht selbst - und gegen die Idee einer unabhängigen Justiz, so Hubig. "Wir dulden das nicht. Es kann nicht sein, dass Richter und Staatsanwälte und ihre Familien bedroht und an ihrer Arbeit gehindert werden."

Pakt für den Rechtsstaat: Justizminister drängen auf Unterstützung

Anknüpfend an diese Erklärung haben die Ressort-Chefs beschlossen, sich für eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat auszusprechen – und richten klare Forderungen an den Bund. Der Beschluss der JuMiKo sieht vor, die Justiz gemeinsam mit dem Bund zukunftsfest aufzustellen – durch verbesserte Digitalisierung, beschleunigte Verfahren und eine nachhaltige personelle Stärkung.

Dafür fordern die Länder vom Bund die Mitfinanzierung von 2.000 zusätzlichen Stellen für Richterinnen und Richter sowie in der Staatsanwaltschaft. Auch sonstiges Justiz-Personal solle deutlich aufgestockt werden. Außerdem fordern die Minister vom Bund mindestens 200 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte. Sachsens Justizministerin Constanze Geiert kommentierte: "Die Länder haben auf der Justizministerkonferenz sehr deutlich gemacht: Der neue Pakt für den Rechtsstaat muss jetzt kommen – und zwar zügig und durch eine substanzielle Beteiligung des Bundes."

Minister offen für KI-Einsatz in der Justiz

Die Forderung nach Geld – gerade für Digitalisierungsprojekte – passt zu den Modernisierungs-Plänen der Justizministerien. "Die Menschen erwarten zu Recht eine moderne, schnelle und bürgernahe Justiz. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen und Tempo machen. Neben weiteren Investitionen in die Infrastruktur brauchen wir die Reform der Prozessordnungen und unterstützende KI-Lösungen, um die Verschlankung und Beschleunigung von Verfahrensabläufen zu erreichen", sagte etwa Bayerns Justizminister Georg Eisenreich in einer Erklärung.

So solle nach einem Beschluss auf Vorschlag der Hälfte aller Länder der rechtliche Rahmen für eine digitale Beweismittelcloud geschaffen werden. Auch die Durchführung von Videovernehmungen sowie die Einführung von Vernehmungsprotokollen stehe auf der Agenda. Zudem wollen die Länder prüfen, wie Software-Lösungen, etwa für die E-Akte, vereinheitlicht werden können.

Auch außerhalb des Strafprozesses zeigen sich die Justizministerinnen und -minister offen für die digitale Revolution. In einer Erklärung aller Länder zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Justiz heißt es: "Wir, die Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder, setzen uns für verantwortungsvolle, gerechte, nachvollziehbare und verlässliche KI-Systeme in der Justiz ein". Dazu gehöre laut Erklärung die Transformation der Geschäftsprozesse durch menschenzentrierte, vertrauenswürdige KI, der Aufbau einer KI-Plattform in der Justiz und die Einrichtung von Reallaboren. Dabei solle aber die richterliche Entscheidungsgewalt stets beim Menschen verbleiben.

Neues Mordmerkmal für Femizide

Die meisten Beschlüsse der JuMiKo betreffen nicht den Kern der täglichen Justiz-Arbeit selbst. Die Ressort-Chefs befassen sich mit einer großen Bandbreite rechtspolitischer Themen, machen Vorschläge für Gesetzänderungen und machen auf aus ihrer Sicht dringenden Reformbedarf aufmerksam. So haben sie sich etwa auch mit dem Bundeslagebild des BKA zu "Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023" befasst.

Man sei sich "darüber einig, dass akuter Handlungsbedarf besteht, um Gewaltkriminalität und trennungs- und geschlechtsspezifisch motivierte Tötungen effektiver zu bekämpfen", heißt es in einem Beschluss. Darin fordern die Ministerinnen und Minister Stefanie Hubig auf, zu prüfen, ob eine Ergänzung des Mord-Tatbestandes es § 211 StGB um ein weiteres Mordmerkmal zur Erfassung von trennungs- und geschlechtsspezifisch motivierten Tötungen geboten sei. Der entsprechende Vorschlag hierfür kam aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg.

Asylverfahren beschleunigen und Beschlüsse als Regel für die Revision

Ebenfalls erfolgreich waren zwei Vorschläge aus Sachsen und Hessen, die beide unter dem Zeichen einer schnelleren und effektiveren Justiz stehen. Bei strafrechtlichen Revisionen sollen Hauptverhandlungen die Ausnahme werden, Beschlüsse der Regelfall. "Ob eine Hauptverhandlung durchgeführt wird, sollte allein von deren Zweckmäßigkeit nach Einschätzung der Gerichte abhängen", heißt es in dem Beschluss. Verfahrensbeteiligte sollen demnach kein Mitspracherecht haben.

Auch nicht mehr mitreden können sollen die Beteiligten in einem Asylverfahren. Hier hat der Berichterstatter aus Hessen einen Vorschlag durchgesetzt, der Beteiligtenrechte einschränkt. Asylrechtliche Streitigkeiten sollen nach dem Willen der Ressort-Chefs in geeigneten Fällen häufiger im schriftlichen Verfahren entschieden werden können, heißt es im Beschluss. Einen Antrag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sollen Beteiligte nicht mehr stellen können. Dafür solle Ministerin Hubig sich einsetzen – "ohne das rechtliche Gehör unangemessen einzuschränken".

Beschuldigtenrechte leiden auch an anderer Stelle. So ging Bremens Vorschlag, Haftgründe in Fällen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB zu verschärften ebenso durch, wie Hessens Idee, statistische Berichtspflichten bei Telekommunikationsüberwachung zu reduzieren.

Durchgefallen: Erweiterte DNA-Analyse in Strafverfahren

Ein Thema, das die Rechte von Beschuldigten adressierte und im Vorfeld der JuMiKo für erhebliche Diskussionen gesorgt hatte, ist dagegen durchgefallen: Bayern und Baden-Württemberg hatten gefordert, bei der Untersuchung von DNA-Spuren auch auf die geobiologische Herkunft der Täter schließen zu können. Bisher ist das bei der DNA-Analyse verboten. Die Erweiterung sollte nur im Rahmen von Ermittlungen bei schweren Straftaten erfolgen. Doch auch das war den SPD- und Grünen-geführten Ländern zu viel.

Der Vorschlag erhielt keine Mehrheit. Für Baden-Württembergs Ministerin Marion Gentges frustrierend: "Die Diskussion heute hat unterschiedliche politische Positionen aufgezeigt. Die Ablehnung der A-Länder überzeugt angesichts der großen fachlichen Unterstützung nicht", heißt es von ihr in einer Pressemitteilung. Auch Thüringens Justizministerin Beate Meißner kritisierte die Blockade: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass diese verfügbaren Informationen nicht genutzt werden sollen", sagte sie in einer Mitteilung.

Commercial Chambers und neue Gesellschaftsform

Weit positiver war derweil ein anderer Vorschlag aus Baden-Württemberg aufgenommen worden. Auch nachdem das Justizstandortstärkungsgesetz in Kraft getreten ist, sorgen sich die Länder um die Kammern für Handelssachen. Die Verfahrenszahlen bei diesen Kammern seien rückläufig. Deshalb haben die Ministerinnen und Minister beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die der Sache auf den Grund gehen, Reformbedarf aufdecken und Vorschläge für die Stärkung der Kammern machen soll. Federführend werden NRW und Baden-Württemberg sein.

Und NRW war noch mit einem anderen Vorschlag erfolgreich: Der Schaffung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. "Die Länder fordern jetzt die Einführung einer Gesellschaftsform, bei der das Unternehmensvermögen dauerhaft an einen gesellschaftlichen oder nachhaltigen Zweck gebunden werden kann. Die neue Gesellschaftsform soll eine neue Alternative aus unternehmerischer Flexibilität mit langfristiger Gemeinwohlbindung bieten und dabei deutlich einfacher und praxistauglicher als eine Stiftung sein", heißt es. Für eine solche Gesellschaft existiert bereits ein Gesetzentwurf, die Länder fordern, diesen wieder aufzugreifen.

Kein Wehrdienst für Justizvollzugsmitarbeitende, Überstunden für Schöffen

Wer es bis ganz ans Ende der langen Reihe von Beschlüssen schafft, der findet noch einen interessanten Vorschlag aus Bremen, der bei den Justizministerinnen und -ministern eine Mehrheit bekommen hat: Durch eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes sollen Justizvollzugsbedienstete dem Wehrdienst entgehen – sollte dieser kommen. Bundesjustizministerin Hubig solle hier eine Gleichstellung des Polizei- und Justizvollzugsdienstes sicherstellen.

Schöffen sollen derweil Überstunden machen. Ein Vorschlag aus Sachsen hat eine Mehrheit bekommen, wonach amtierende Schöffinnen und Schöffen auch nach dem regulären Ende der Amtsperiode noch so lange im Amt bleiben müssen, bis die Neuwahl der Schöffinnen und Schöffen für die neue Amtsperiode abgeschlossen ist. "Der Beschluss soll verhindern, dass Blockaden bei den Schöffenwahlen einen Stillstand der Rechtspflege verursachen können", sagte die sächsische Justizministerin Geiert. Das BMJV solle dazu einen Gesetzentwurf erarbeiten.

Bei der Justizministerkonferenz kommen die 16 Landesjustizministerinnen und -minister zusammen; die Bundesjustizministerin nahm ebenfalls teil. Die Beschlüsse der JuMiKo geben relevante Impulse für rechtspolitische Debatten. 

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 6. Juni 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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