Die italienische Justiz hat Haftbefehl gegen den österreichischen Unternehmer René Benko erlassen, den Gründer der insolventen Immobilien- und Handelsgruppe Signa. Die Staatsanwaltschaft der norditalienischen Stadt Trient begründet dies mit Ermittlungen im Zusammenhang mit Immobilienspekulationen in der Region Trentino und der Nachbarregion Südtirol, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.
Benkos österreichischer Anwalt Norbert Wess geht allerdings nicht davon aus, dass der Europäische Haftbefehl gegen Benko vollzogen wird. Zu den Gründen dieser Einschätzung äußerte sich der Jurist nicht. "Herr Benko wird weiterhin - wie bisher - mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen", schrieb Wess der dpa. Ein Sprecher der Inssbrucker Staatsanwaltschaft erläuterte aber, dass ein Haftbefehl gegen einen österreichischen Staatsbürger nicht zu vollstrecken sei, wenn dieser auch im Inland wegen derselben Straftaten verfolgt werden könne. Die österreichischen Behörden prüften die Haftgründe und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Benko sei in Innsbruck befragt worden. Er sei freiwillig erschienen und habe anschließend wieder gehen dürfen.
Weitere Haftbefehle ergingen gegen einen Unternehmer aus Bozen und die Bürgermeisterin der Gemeinde Riva del Garda am Gardasee, Cristina Santi. Beide stehen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Trient unter Hausarrest. Zudem gab es am Dienstag in mehreren Dutzend Büros und Wohnungen Durchsuchungen, auch in Rom und außerhalb Italiens.
Die Vorwürfe lauten nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug "in Zusammenhang mit der Ausstellung von Rechnungen für nicht tatsächlich durchgeführte Geschäfte". Nach italienischen Medienberichten waren auch im Rathaus von Südtirols Hauptstadt Bozen Ermittlerinnen und Ermittler zugange.
Milliarden-Forderungen gegen Benko
Benko hatte mit seiner Signa-Gruppe ein großes Portfolio aufgebaut, zu dem auch die Kaufhausgruppen KaDeWe und Galeria gehörten. Im Zuge steigender Zinsen, Energiepreise und Baukosten brach das verschachtelte Firmenkonstrukt zusammen. Nach Angaben des Insolvenzverwalters summiert sich die Summe der Forderungen an Benko auf etwa 2,4 Milliarden Euro.
Gegen Benko wird auch wegen mutmaßlichen Betrugs im Zusammenhang mit staatlichen Corona-Geldern ermittelt, wie erst am vergangenen Freitag bekannt wurde. Dabei geht es um Hilfsgelder für das luxuriöse "Chalet N" im Skiort Lech am Arlberg, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte. Das Anwesen gehört indirekt einer Privatstiftung im Umfeld Benkos. Es wird offiziell als Hotel geführt, diente aber auch der Familie Benko als Unterkunft. Es wird untersucht, ob die Corona-Gelder wie vorgesehen als wirtschaftliche Unterstützung während der Pandemie genutzt oder für andere Zwecke missbraucht wurden.
Laut Benkos Anwalt handelt es sich bei dem Chalet nicht um einen privaten Wohnsitz seines Mandanten. Die Familie Benko habe ihre Aufenthalte stets bezahlt, so wie andere Gäste, die das Hotel besucht hätten. "So gesehen sind die Vorwürfe haltlos und werden daher auch bestritten", hatte der Anwalt der Deutschen Presse-Agentur geschrieben.
Zuvor waren schon WKStA-Ermittlungen gegen Benko wegen mutmaßlichen Kreditbetrugs und eines mutmaßlichen Bestechungsversuches bekannt. Außerdem steht der Ex-Milliardär im Verdacht, Teile seines Vermögens unrechtmäßig beiseitegeschafft zu haben. Benkos Anwalt bestreitet auch diese Vorwürfe.