Psychisch kranker Straftäter: Gefängnis oder Krankenhaus?

Begeht jemand Straftaten unter dem Eindruck einer psychischen Krankheit, ist sowohl der Vorsatz als auch die Schuld genau unter die Lupe zu nehmen. Der BGH hob ein Urteil zu einer Gefängnisstrafe auf, weil u. a. nicht geprüft worden war, ob der Mann im Erlaubnistatbestandsirrtum gehandelt hatte. 

Ein 59-jähriger Mann, der unter einer paranoiden Schizophrenie mit Halluzinationen litt, setzte Anfang 2021 seine Medikamente ab, weil er fand, dass er sie nicht weiter benötigte. Er bekam akute Psychosen, die darin gipfelten, dass er in zehn Fällen unvermittelt und ohne erkennbaren Grund Menschen schlug, trat und/oder beleidigte. Er wurde deshalb rund zwei Jahre später vom LG Osnabrück wegen Körperverletzung, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Das Gericht hörte einen Sachverständigen an und billigte dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB zu. Es sah allerdings keinen Grund, ihn in einem Krankenhaus des Maßregelvollzugs unterzubringen. Der Angeklagte erhob die Revision zum BGH – mit zweifelhaftem Erfolg. 

Vorsatz und Schuldfähigkeit während einer akuten Psychose

Der BGH (Beschluss vom 10.10.2024 – 4 StR 304/24) rügte, dass das LG beim Angeklagten, der in ein "Wahnsystem mit bizarren Beziehungs-, Beeinträchtigungs- und Beeinflussungsideen abgeglitten" sei, nicht geprüft habe, ob er einem Erlaubnistatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB analog unterlegen war – falls er nämlich geglaubt hatte, die Taten jeweilig rechtmäßig begangen zu haben, weil er von den Geschädigten zuvor bedroht worden sei.

Außerdem bemängelten die Karlsruher Richterinnen und Richter die Ausführungen zur Schuldfähigkeit des psychisch kranken Mannes. Zwar sei das LG dem Sachverständigen gefolgt und habe angenommen, dass er alle Taten im Rahmen einer "akuten Psychose" begangen hatte. Dem 4. Strafsenat war aber aus den Ausführungen der Kammer nicht ersichtlich, warum die Schuldfähigkeit zwar "zumindest erheblich eingeschränkt", gleichwohl nicht ganz aufgehoben gewesen sei. 

Auch eine Anordnung der Unterbringung des Mannes in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB muss nach dem BGH neu geprüft werden: Da er seine Krankheit bagatellisiere und bereits wiederholt seine Medikamente nicht eingenommen hatte, sei anzunehmen, dass er das auch in Zukunft wieder tun werde. Auch sei zu erwarten, dass er dann wiederum ähnlich schwere Delikte begehen werde.

BGH, Beschluss vom 10.10.2024 - 4 StR 304/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 23. Dezember 2024.