Karlsruhe muss klären: Aussetzungszinsen zu hoch?
© Stockfotos-MG / Adobe Stock

Der BFH hält Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent pro Monat für verfassungswidrig. Diese fallen an, wenn Rechtsmittel gegen einen Steuerbescheid keinen Erfolg haben und das Finanzamt diesen deshalb nicht weiter aussetzt. Das letzte Wort hat nun das BVerfG.

Der Zinssatz von 0,5 Prozent galt auch zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 15. April 2021, auf den sich der hiesige Rechtstreit bezieht; eingeführt wurde er bereits im Jahr 1961. Das halten die obersten Finanzrichterinnen und -richter angesichts der Niedrigzinsphase in diesem Zeitraum für zu hoch. In dem Fall, den jetzt der BFH dem BVerfG vorlegt, hatte ein Steuerpflichtiger seinen Einkommensteuerbescheid für 2012 angefochten. Dessen Vollziehung hatte das Finanzamt ausgesetzt.

Grundsätzlich haben Einspruch und Klage im Steuerrecht keine aufschiebende Wirkung, diese kann aber auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheids vom Finanzamt oder Finanzgericht angeordnet werden. Steuerpflichtige müssen dann die Steuer zunächst nicht zahlen, gleichzeitig droht ihnen eine Belastung mit Zinsen, wenn das Rechtsmittel am Ende nicht zum Erfolg führt. Für die Dauer der Aussetzung werden dann nämlich Zinsen in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat, also 6 Prozent pro Jahr erhoben.

Da die Klage des Steuerpflichtigen in diesem Fall erfolglos war, setzte das Finanzamt danach Aussetzungszinsen von einem halben Prozent für jeden der 78 Monate fest. Der Mann war damit nicht einverstanden und klagte.

BVerfG hatte bereits Nachzahlungszinsen beanstandet

Während das FG Münster keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der Aussetzungszinsen gehabt hatte (Urteil vom 08.03.2023 – 6 K 2094/22 E), sah der BFH dies nun anders. Zumindest sei während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase der gesetzliche Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr evident nicht erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen (Beschluss vom 08.05.2024 - VIII R 9/23).

Zudem würden Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach einer Aussetzung nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, ungleich behandelt. Letztere fallen an, wenn ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen müssen. Denn Nachzahlungszinsen würden seit dem 1. Januar 2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 Prozent für jeden Monat, also 1,8 Prozent jährlich, berechnet. Diese Spreizung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, so der BFH.

Der Hintergrund: Das BVerfG hatte schon im Jahr 2021 die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen von 0,5 Prozent monatlich (§§ 233a i.V.m. § 238 AO) rückwirkend ab dem 1. Januar 2014 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt. Die Karlsruher Richter und Richterinnen hatten dies aber nicht auf die Aussetzungszinsen und andere Tatbestände für Teilverzinsungen erstreckt (Beschluss vom 08.07.2021 – 1 BvR 2237/14).

BFH, Beschluss vom 08.05.2024 - VIII R 9/23

Redaktion beck-aktuell, gk/jja, 22. August 2024.