Behördliche Kooperation bei Software-Entwicklung kann Ausschreibung erforderlich machen

Die Städte Köln und Berlin nutzen eine gemeinsame Software für Feuerwehreinsätze und entwickeln diese auch gemeinsam weiter. Am 28.05.2020 hat nun der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine solche Kooperation zweier Behörden ein "öffentlicher Auftrag" ist, der unter das Vergaberecht fallen kann und dann ausgeschrieben werden müsste. Der Fall geht nun zurück an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das die genauen Umstände prüfen muss.

Köln und Berlin kooperierten

Im September 2017 schlossen die Stadt Köln und das Land Berlin einen Software-Überlassungsvertrag, nach dem das Land der Stadt die entgeltfreie dauerhafte Nutzung einer Einsatzleitstellensoftware für ihre Feuerwehr überließ. Die Partner vereinbarten eine gleichberechtigte Partnerschaft, durch die das Softwaresystem auch erweitert werden konnte. Diese Erweiterungen waren dann dem Partner zur "kostenneutralen Nutzung" zu überlassen.

Software-Entwickler klagt gegen Überlassungsvertrag

Die ISE, die Software entwickelt und vertreibt, focht die Verträge bei der Vergabekammer Rheinland an und beantragte, sie für unwirksam zu erklären. Die Stadt Köln habe einen öffentlichen Lieferauftrag vergeben. Die Beteiligung der Stadt Köln an der Weiterentwicklung der überlassenen Software stelle einen ausreichenden geldwerten Vorteil dar. Die Beschaffung der Basissoftware ziehe außerdem die Beauftragung des Herstellers mit Folgeaufträgen nach sich: Für einen Dritten würden Pflege und Weiterentwicklung der Software einen wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand bedeuten. 

EuGH bejaht "öffentlichen Auftrag"

Der Vergabekammer wies den Nachprüfungsauftrag zurück, das dann angerufene Oberlandesgericht Köln rief den EuGH an. Die Stadt Köln argumentierte, die Zusammenarbeit der beiden Behörden falle nicht unter das Vergaberecht und die Pflicht zur Ausschreibung. Damit kam sie aber vor dem EuGH nicht durch. Die Richter entschieden, dass die Vereinbarung einen "öffentlichen Auftrag" im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie 2004/18/EG darstellt, wenn sich aus dem Wortlaut dieser Vereinbarungen ergibt, dass es grundsätzlich zu Anpassungen der Software kommen wird. 

Ausschreibung kann dennoch entbehrlich sein

Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 sei dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern vom Anwendungsbereich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sein kann, wenn sich diese Zusammenarbeit auf Tätigkeiten bezieht, die zu den von jedem an der Zusammenarbeit Beteiligten – und sei es allein – zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen akzessorisch sind, sofern diese Tätigkeiten der wirksamen Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen dienen.

Keine Besserstellung eines privaten Unternehmens durch Zusammenarbeit

 Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit dem zweiten Absatz ihres 33. Erwägungsgrundes und ihrem Art. 18 Abs. 1 ist laut EuGH dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dazu führen darf, dass ein privates Unternehmen bessergestellt wird als seine Wettbewerber. Unter Maßgabe dieser Entscheidung hat das OLG Köln nun den konkreten Fall nochmals zu prüfen. 

EuGH, Urteil vom 28.05.2020 - C-796/18

Redaktion beck-aktuell, 29. Mai 2020.