Das BAG hält in einem Grundsatzurteil fest, dass die Vergütung von Überstunden nicht pauschal davon abhängig gemacht werden darf, dass die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. Eine solche tarifliche Regelung diskriminiere Teilzeitbeschäftigte – und mittelbar damit oftmals Frauen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Ungleichbehandlung sachliche Gründe zugrunde liegen.
Geklagt hatte eine Frau, die in Teilzeit als Pflegekraft bei einem ambulanten Dialyseanbieter beschäftigt ist. Nach dem für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag gibt es zwar einen Zuschlag für Überstunden, aber nur für solche, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können.
Die Pflegekraft hatte einen Haufen Überstunden angesammelt, entsprechend der tarifvertraglichen Regelung aber weder Zuschläge dafür ausgezahlt bekommen noch Zeitgutschriften für ihr Arbeitszeitkonto erhalten. Mit ihrer Klage begehrte sie die Gutschrift von Überstundenzuschlägen in ihrem Arbeitszeitkonto. Außerdem sei sie nach § 15 Abs. 2 AGG zu entschädigen – und zwar in Höhe eines Vierteljahresverdienstes.
Das ArbG erkannte weder den einen noch den anderen Anspruch an. Vor dem LAG erstritt die Teilzeitbeschäftigte die Zeitgutschrift, die Entschädigung wurde ihr aber versagt. Erst vor dem BAG drang sie auch hiermit durch – allerdings nur in Höhe eines Betrages von 250 Euro (Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20).
Mittelbar wegen des (weiblichen) Geschlechts diskriminiert
Der Tarifvertrag verstoße gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten (§ 4 Abs. 1 TzBfG), entschied das BAG, nachdem es den EuGH um Vorabentscheidung gebeten hatte. Der Tarifvertrag sei insoweit unwirksam, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung sah das BAG nicht. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führe zu einem Anspruch auf die eingeklagte Zeitgutschrift.
Durch die Anwendung der tariflichen Regelung sei die Pflegekraft auch mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Denn: Die bei ihrem Arbeitgeber in Teilzeit Beschäftigten seien zu 90% Frauen. Allerdings hielt das BAG 250 Euro für ausreichend als Schadensausgleich und zur Abschreckung des Arbeitgebers.
In Deutschland arbeiten nach Zahlen des Statistischen Bundesamts mehr als zwölf Millionen Menschen in Teilzeit - besonders hoch ist der Anteil bei Frauen. Die sogenannte Vollzeitquote bei Überstundenzuschlägen ist nach Angaben von Arbeitsrechtlern in vielen Tarifverträgen enthalten. Der Präzedenzfall für das Grundsatzurteil kam aus Hessen.