EuGH-Vorlage: Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen?
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Der Europäische Gerichtshof soll über die Frage entscheiden, ob Teilzeitbeschäftigte durch tarifvertragliche Regelungen diskriminiert werden, die Überstundenzuschläge bei ihnen nur für die Arbeitsstunden vorsehen, die die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten. Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH dazu im Vorabentscheidungsverfahren angerufen.

Überstunden nur bei Überschreitung der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten bezahlt

Der Beklagte ist ein bundesweit tätiger ambulanter Dialyseanbieter. Die Klägerin ist für den Beklagten als Pflegekraft in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 40% der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt. Nach § 10 Ziffer 7 Satz 2 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen, zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Beklagten geschlossenen Manteltarifvertrags (MTV) sind zuschlagspflichtig mit einem Zuschlag von 30% Überstunden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat der Arbeitsleistung nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine Honorierung durch entsprechende Zeitgutschriften im Arbeitszeitkonto vorgesehen.

Teilzeit-Pflegekraft moniert Diskriminierung

Das für die Klägerin geführte Arbeitszeitkonto wies zum Ende des Monats März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Hierbei handelte es sich um die von der Klägerin über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden. Der Beklagte zahlte der Klägerin für diese Stunden weder Überstundenzuschläge, noch nahm er im Arbeitszeitkonto der Klägerin eine den Zuschlägen entsprechende Zeitgutschrift vor. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin unter anderem eine den Zuschlägen entsprechende Zeitgutschrift in ihrem Arbeitszeitkonto von 38 Stunden und 49 Minuten sowie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Sie vertrat die Auffassung, sie werde durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung in § 10 Ziffer 7 Satz 2 MTV unzulässig als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. Zugleich werde sie als Teilzeitbeschäftigte mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.

LAG sprach Gutschrift auf Arbeitszeitkonto zu, versagte aber Entschädigung

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht änderte das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Klägerin hin teilweise ab und verurteilte den Beklagten, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die geforderten Stunden gutzuschreiben. Die weitergehende Berufung der Klägerin wies es zurück. Die Klägerin legte Revision ein. Sie begehrte weiter die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Beklagte begehrte die Zurückweisung der Revision und im Wege der Anschlussrevision, die Klage insgesamt abzuweisen.

BAG ruft EuGH an: Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten?

Der Achte Senat des BAG hat das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof angerufen. Er möchte wissen, ob eine tarifvertragliche Regelung, die Überstundenzuschläge nur für die die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreitenden Arbeitsstunden vorsieht, Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten ungleich behandelt und damit gegen EU-Recht verstößt. Dabei geht es um die Auslegung von Art. 157 AEUV, Art. 2 Abs. 1 lit. b und Art. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/54/EG sowie § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG.

BAG, Beschluss vom 28.10.2021 - 8 AZR 370/20 (A)

Redaktion beck-aktuell, 29. Oktober 2021.