BSG: Keine KV-Beiträge aus Leistungen des Versorgungswerks der Presse

SGB V §§ 229, 237

Leistungen aufgrund einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus dem Versorgungswerk der Presse sind keine beitragspflichtigen Renten i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, weil das Versorgungswerk der Presse keine für Angehörige bestimmter Berufe errichtete Versicherungs- und Versorgungseinrichtung ist.  (Leitsatz des Verfassers)

BSG, Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 2/16 R, BeckRS 2017, 139338

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 03/2018 vom 16.02.2018

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Sachverhalt

Der 1959 geborene Kläger war seit 1983 als Lokalredakteur beschäftigt und bezieht seit 01.12.2006 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung. Er war in der GKV bei der beklagten Krankenkasse als Rentner pflichtversichert. Der Kläger schloss im Jahr 1993, aufgrund eines zwischen dem Versorgungswerk der Presse GmbH mit einem Konsortium von Versicherungsunternehmen bestehenden Vertrags, freiwillig einen Lebensversicherungsvertrag „mit dynamischem Zuwachs von Leistung und Beitrag, mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall, mit Rentenwahlrecht, Beitragsbefreiung und Rente bei Berufsunfähigkeit“ ab. Der Kläger war Versicherungsnehmer sowie versicherte Person und finanzierte die monatlichen Prämien durchgehend privat. Auf die vierteljährlichen Rentenzahlungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung führte das Versorgungswerk der Presse im Zahlstellenverfahren Beiträge zur GKV an die Beklagte zunächst nicht ab; ab 01.07.2011 behielt das Versorgungswerk Krankenversicherungsbeiträge ein und leitete diese an die Beklagte weiter. Mit angefochtenem Bescheid stellte die Beklagte erstmals die Beitragspflicht der Rentenzahlungen u.a. in der GKV fest.

Der Widerspruch blieb erfolglos, ebenso die Klage zum SG. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 22.10.2015 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Bescheide aufgehoben. Die Zahlungen seien als beitragsfreie Bezüge aus einer privaten Lebensversicherung einzustufen. Das Versorgungswerk der Presse sei keine Versicherungs- und Versorgungseinrichtung i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, weil es an einer berufsspezifischen Eingrenzung des versicherbaren Personenkreises fehle. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die eine Verletzung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 SGB V rügt. Die Renten des Versorgungswerks seien beitragspflichtige Versorgungsbezüge. Die Mitgliedschaft in dieser Einrichtung sei auf Angehörige bestimmter Berufe beschränkt.

Entscheidung

Das BSG weist die Revision der Beklagten zurück. Die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung stellen keine beitragspflichtigen Renten i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V dar, weil das Versorgungswerk der Presse keine für Angehörige bestimmter Berufe errichtete Versicherungs- und Versorgungseinrichtung ist. Eine privatrechtliche Einrichtung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Versorgung ihrer Mitglieder zu dienen, gehört nur dann zu den in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V genannten Versorgungseinrichtungen, wenn der Kreis der Mitglieder auf die Angehörigen bestimmter Berufe begrenzt ist. Unter Berücksichtigung seiner Satzung erfüllt das Versorgungswerk nicht diese Voraussetzungen. Nach § 2 seiner Satzung ist Unternehmensgegenstand dieses Versorgungswerks die Beschaffung von Versicherungen, ohne selbst Versicherer zu sein. Dies gilt nicht nur für Redakteure und Journalisten, sondern auch für andere für Zeitungen und weitere Unternehmen tätige Personen, für Verleger, leitende Angestellte sowie Ehepartner und Kinder von versicherten Mitarbeitern. Zur Verwirklichung seines Satzungszwecks hat das Versorgungswerk mit einer Lebensversicherung einen Rahmenvertrag geschlossen.

Die dem Kläger gewährte Berufsunfähigkeitsrente ist auch nicht als Rente der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig. Dazu gehören alle Renten, die von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung gezahlt werden, bei denen bei typisierender Betrachtung ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem und einer Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit besteht. Diese „institutionelle Abgrenzung“ orientiert sich allein daran, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird. Das Versorgungswerk ist keine Pensionskasse im Sinne des Betriebsrentenrechts. Die vom Kläger bezogenen Leistungen sind auch nicht institutionell nach dem zugrundeliegenden Versicherungstyp vom Betriebsrentenrecht erfasst. Bei objektiver Betrachtung liegt ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb der dem Kläger gewährten Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und seiner Beschäftigung beim Zeitungshaus nicht vor. Das Versorgungswerk organisiert keine betriebliche Altersversorgung „eigener Art“.

Praxishinweis

1. Das Urteil klärt eine Streitfrage, die zwischen den Landessozialgerichten unterschiedlich beantwortet wurde (vgl. abweichend LSG Rheinland-Pfalz vom 02.07.2015 – L 5 KR 130/14, n.v., dazu auch der Überblick von Richter, DStR 2016, 1377).

2. Zu fragen ist nun, ob die Erwägungen des BSG auch übertragen werden können auf die Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen, deren Leistungen nach Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (FD-SozVR 2012, 329018) als Versorgungsbezüge gemäß § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Beitragspflicht auslöst.

Redaktion beck-aktuell, 26. Februar 2018.