LG Hamburg: Bankhaftung bei ungerechtfertigter Zurückweisung einer Vorsorgevollmacht für die Betreuungskosten

FamFG § 81; BGB § 1896

1. Verweigert ein Kreditinstitut eine Kontoverfügung trotz Vorlage einer wirksamen Vorsorgevollmacht, kann das Betreuungsgericht dem Kreditinstitut die Kosten des Betreuungsverfahrens nach § 81 IV FamFG unmittelbar auferlegen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. (Leitsätze der Redaktion)

LG Hamburg, Beschluss vom 30.08.2017 - 301 T 280/17, BeckRS 2017, 140369

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 02/2018 vom 27.02.2018

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Sachverhalt

Die Sparkasse wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem das Betreuungsgericht ihr im Zuge der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zugunsten der Betroffenen die Kosten des Betreuungsverfahrens auferlegt hat.

Die 82-jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung und befindet sich im Hospiz. Unter dem 20.03.2017 bzw. 28. 04.2017 erteilte sie ihrer Tochter eine umfassende Vorsorgevollmacht.

Die Tochter beantragte im März 2017 beim Amtsgericht, sie als Betreuerin zu bestellen, weil die von der Betroffenen aufgesetzten Vollmachten von der Sparkasse nicht akzeptiert würden. Sie sei von der Sparkasse aufgefordert worden, ihre Mutter aus dem Hospiz in einem Rollstuhl in eine Filiale der Sparkasse zu bringen, um dort eine entsprechende Bankvollmacht zu erteilen. Mit Beschluss vom 03.05.2017 stellte das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek das Betreuungsverfahren angesichts der erteilten und der Betreuung vorrangigen Vollmachten ein. Hiergegen wendete sich die Beteiligte mit Schreiben vom 24.052017 unter Beifügung eines ärztlichen Attests vom 09.05.2017, aus dem sich ergibt, dass die Betroffene aufgrund einer schweren Krebserkrankung im Endstadium nicht mehr in der Lage sei, das Bett zu verlassen und sich persönlich um ihre Bankgeschäfte zu kümmern. Die Beteiligte führte zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass die Sparkasse sich trotz vorgelegter Vollmachtsurkunden und des ärztlichen Attests weiterhin weigere, die Vollmacht zu akzeptieren.

Mit Verfügung vom 01.06.2017 gewährte das Amtsgericht der Sparkasse unter Hinweis auf die beabsichtigte Kostenauferlegung im Rahmen des Betreuungsverfahrens sowie die hierfür maßgeblichen Erwägungen rechtliches Gehör.

Das Gericht ordnete eine gesetzliche Betreuung mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge ein und setzte die Beteiligte als Betreuerin ein, wobei die Kosten des Verfahrens der Sparkasse auferlegt wurden. Gegen diese Kostenentscheidung wendet sich die Sparkasse mit ihrer Beschwerde.

Rechtliche Wertung

Die Kammer weist die Beschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts zurück.

Sinn und Zweck von Vorsorgevollmachten sei es, kostspielige Betreuungsverfahren zu vermeiden. Ein Betreuer dürfe dann nur bestellt werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gebe, dass diese nicht ordnungsgemäß ausgestellt worden sei bzw. nicht mehr dem Willen des Vollmachtgebers entspreche. Ein bloßer Verdacht genüge nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Könne die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, stehe diese der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen.

Im vorliegenden Fall seien keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht gegeben. Der Einwand, bei einer derart schweren körperlichen Erkrankung seien auch psychische Beeinträchtigungen „nicht fernliegend“, sei lediglich eine ins Blaue hinein erfolgte Behauptung. Sie werde weder durch die ärztlichen Atteste noch durch die Ergebnisse der persönlichen Anhörung durch das Gericht gestützt. Vielmehr ergebe sich hieraus allein eine physische Erkrankung, welche die Betroffene daran hindere, ihr Bett zu verlassen und ihre Bankgeschäfte selbst zu tätigen.

Die Kammer verkenne dabei nicht, dass es bei der Frage der Akzeptanz privatschriftlicher Vollmachten auch um den Schutz der Sparkasse vor etwaigen Schadenersatzansprüche bei fehlender schuldbefreiender Wirkung gehe. Die Sparkasse habe jedoch die Möglichkeit gehabt, sich bei der Betroffenen nach der Richtigkeit der Vollmacht zu erkundigen. Die stattdessen gewählte Zurückweisung der Vorsorgevollmacht durch die Sparkasse sei in keiner Weise zu rechtfertigen.

Mangels Anhaltspunkten für eine Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht, verstoße die Nichtbeachtung einer solchen Vollmacht gegen die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße. Hinzu komme, dass die Sparkasse auch auf den Hinweis des Gerichts vom 01.06.2017 und sogar in Kenntnis des bereits durch die Vollmachtnehmerin angestrengten Betreuungsverfahrens untätig geblieben sei.

Der Beschluss des Amtsgerichts, der Sparkasse die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, sei auch nicht ermessensfehlerhaft.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH darf mit Spannung erwartet werden, weil nicht nur die beschwerdeführende Sparkasse, sondern viele andere Kreditinstitute in ganz Deutschland nach wie vor Vorsorgevollmachten äußerst restriktiv behandeln.

Trotz überzeugender Stellungnahmen im Schrifttum (Tersteegen, NJW 2007, 1717, 1719 f.; Zimmermann, BKR 2007, 226, 230) bestehen auch heute noch einige Banken auf der Verwendung von Bankformularen für die Vollmachtserteilung.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Falls steht jedoch die Geschäftsfähigkeit der Kontoinhaberin zur Zeit der Erteilung der Vorsorgevollmacht. Diese wird von der Sparkasse angezweifelt, allerdings ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben und zu benennen. Die Kammer konnte so diese Zweifel als reine „Vermutungen ins Blaue“ abtun. Nach der Konzeption des BGB ist schließlich von der Geschäftsfähigkeit jedes volljährigen Menschen auszugehen.

Auch der Hinweis der Kammer auf die Möglichkeit, bei der Kontoinhaberin nachzufragen, überzeugt. Gegenüber der Zurückweisung der Vollmacht wäre dies das zum Schutz der Sparkasse vor Haftungsansprüche völlig ausreichende Mittel gewesen. Das stattdessen gewählte Vorgehen der Sparkasse ist dagegen in jeder Hinsicht unverhältnismäßig.

Der BGH hat nunmehr die Gelegenheit mit seiner Entscheidung allen Banken unmissverständlich klar zu machen, dass selbst privatschriftliche Vorsorgevollmachten zur Kontoverfügung berechtigen.

Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Bankkunden von den Bankangestellten nicht mehr animiert werden, parallel zu und unabhängig von einer Vorsorgevollmacht auch noch eine Kontoverfügungsvollmacht zu erteilen.

Dieses Nebeneinander von Bank- und Vorsorgevollmacht sorgt nämlich nicht nur aus der Sicht des Laien für ein heilloses Durcheinander:

  • Der Widerruf der einen Vollmacht beseitigt nämlich die Wirksamkeit der anderen nicht.
  • Der vom Erbrecht bekannte Grundsatz, dass das spätere Testament das frühere derogiert (§ 2258 I BGB), gilt im Schuldrecht nicht. Vielmehr gelten sämtliche nicht ausdrücklich widerrufenen Vollmachten fort und bestehen unabhängig voneinander als Rechtsgeschäfte. Sie können sich im besten Fall ergänzen, und im schlimmsten Fall inhaltlich widersprechen, was dazu führen kann, dass der Zweck, die Anordnung einer Betreuung zu vermeiden, verfehlt wird.
  • Wird die Bankvollmacht nach der notariell beurkundeten Generalvollmacht erteilt, kann darin eine nachträgliche Einschränkung der umfassenden Vertretungsbefugnis gesehen werden.

Deshalb gehört es zu den Pflichten des Notars, die Klienten bei der Vorbereitung einer Vorsorgevollmacht auf diese Problematik hinzuweisen, mindestens jedoch zu empfehlen, im Falle des Widerrufs der Vorsorgevollmacht auch die Kontoverfügungsvollmacht zu widerrufen.

Redaktion beck-aktuell, 2. März 2018.