BGH: Keine einseitige Zuweisung von Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers an ein Schiedsgericht durch den Erblasser

ZPO § 1066; BGB §§ 259, 2218, 2215, 2216, 2227

Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers können in einer letztwilligen Verfügung nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit ein Schiedsgericht zugewiesen werden. (Leitsatz der Redaktion)

BGH, Beschluss vom 17.05.2017 - IV ZB 25/16, IV ZB 25/16, BeckRS, 2017, 111170

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 06/2017 vom 12.6.2017

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Sachverhalt

Die 2014 verstorbene Erblasserin sowie ihr 2010 vorverstorbener Ehann errichteten 2006 ein geinschaftliches Testament, in d sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zu Schlusserben wurden die Beteiligten zu 1 bis 3 bestimmt. Unter Ziffer V des Testaments wurde für den „zweiten Todesfall“ (Schlusserbfall) Testamentsvollstreckung angeordnet und der Beteiligte zu 4 zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Ihm wurde für den Fall des Wegfalls seiner Person als Testamentsvollstrecker ferner das Recht eingeräumt, einen Nachfolger zu bestimmen.

Ziffer X des Testaments enthält ferner folgende Regelung:

"Im Wege der Auflage verpflichten wir alle Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und die ihren Grund in d Erbfall haben und/oder im Zusammenhang mit der letztwilligen Verfügung oder ihrer Ausführung stehen, sich unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte d Schiedsgericht für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) und der von dieser zugrunde gelegten jeweils aktuellen Schiedsordnung zu unterwerfen."

D Beteiligten zu 4 wurde nach Annahme des Amtes ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. 2015 beantragten die Beteiligten zu 1 bis 3 seine Entlassung als Testamentsvollstrecker. Sie stützen den Entlassungsantrag im Wesentlichen auf die Nichtvorlage eines Nachlassverzeichnisses trotz Zeitablaufs von fast ein Jahr seit Amtsantritt, unzulänglich erteilte Auskünfte, unterlassene Rechnungslegung trotz mehrfacher Aufforderung, bewusste Schädigung des Nachlasses und der Erbengeinschaft. Der Beteiligte zu 4 trat d Entlassungsantrag entgegen und rügte u.a. die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für den Entlassungsantrag.

Das Nachlassgericht hat den Entlassungsantrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat mit d angefochtenen Beschluss das Nachlassgericht angewiesen, den Beteiligten zu 4 als Testamentsvollstrecker zu entlassen. Hiergegen richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4.

Rechtliche Wertung

Der Senat bejaht – trotz der Schiedsklausel in Ziffer X des geinschaftlichen Testaments - die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die Entscheidung über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers.

Die Frage, ob eine derartige Schiedsklausel auch das Verfahren über den Antrag auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers gäß § 2227 BGB erfasst, ist umstritten.

  • Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, dass für Verfahren auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers in einer letztwilligen Verfügung durch den Erblasser einseitig wirksam eine schiedsgerichtliche Zuständigkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit angeordnet werden kann (Muscheler, ZEV 2009, 317, 318 ff.; Bonefeld in Damrau/ Tanck, PK Erbrecht, 3. Aufl., § 2227, Rn. 15; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 1066, Rn. 21; Schütze in Wieczorek, ZPO, 4. Aufl., § 1066, Rn. 8 f.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Vor § 1025, Rn. 19; § 1066, Rn. 3; Heinze, RNotZ 2009, 663, 664).
  • Dgegenüber halten die Rechtsprechung sowie die überwiegende Auffassung im Schrifttum die Übertragung der Aufgabe des Nachlassgerichts über die Entscheidung zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers durch eine einseitige letztwillige Verfügung des Erblassers auf ein Schiedsgericht für unzulässig (OLG Karlsruhe, ZEV 2009, 466 f.; MüKoBGB/Leipold, 7. Aufl., § 1937. Rn. 36; Bamberger/Roth/Mayer, BGB, 3. Aufl., § 2227, Rn. 3; BeckOKBGB/Langer, § 2227, Rn. 3 (Stand: 1.2.2017); Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Rn. 108; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 1066 Rn. 2; MüKoZPO/Münch, 4. Aufl., § 1066, Rn. 7; Werner, ZEV 2011, 506, 510; Reimann, MittBayNot 2010, 216; Selzener, ZEV 2010, 285, 288).

Der Senat schließt sich mit dieser Entscheidung der zuletzt genannten Auffassung an. Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB könnten in einer letztwilligen Verfügung gäß § 1066 ZPO nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit ein Schiedsgericht zugewiesen werden.

Ein Schiedsgericht sei – so der Senat - nur dann in gesetzlich statthafter Weise errichtet, wenn die eigene materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers hierfür reiche (vgl. Selzener, a.a.O., 287 f.; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 202; Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsgerichtsverfahren - Gestaltungsmöglichkeiten, 2014, 68). Das sei für die Frage der Entlassung des Testamentsvollstreckers nicht der Fall. Die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis des Erblassers finde ihre Grenze u.a. in § 2220 BGB, wonach der Erblasser nicht das Recht habe, den Testamentsvollstrecker von den ihm nach den §§ 2215, 2216, 2218 und 2219 BGB obliegenden Verpflichtungen zu befreien.  Zwar werde die Regelung über die Entlassung des Testamentsvollstreckers gäß § 2227 BGB in § 2220 BGB nicht genannt, doch finde der Rechtsgedanke der Vorschrift hier aber entsprechende Anwendung. Ihr sei der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, „nicht zuzulassen, dass ein Erblasser den Erben mit gebundenen Händen d ausgedehnten Machtbereich des Testamentsvollstreckers überliefert“ (grundlegend RGZ 133, 128, 135; vgl. auch MüKoBGB/Zimmermann, 7. Aufl., § 2227 Rn. 1). Ohne die Entlassungsmöglichkeit des § 2227 BGB wären die nicht abdingbaren Rechte des Erben gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2215, 2216, 2218, 2219 BGB gar nicht oder nur noch in sehr eingeschränkt Umfang durchsetzbar (vgl. RGZ 133, 128, 135: „stumpfe Waffe“). § 2227 BGB stelle insoweit mit der Möglichkeit der Entlassung des Testamentsvollstreckers die zwingende verfahrensrechtliche Ergänzung zu den ihn treffenden materiell-rechtlichen Verpflichtungen dar. Die Regelungen der §§ 2220, 2227 BGB seien vom Gesetz als Ausgleich für die ansonsten starke Stellung des Testamentsvollstreckers unter Berücksichtigung der Rechte der Erben gäß Art.  14 Abs. 1 GG ausgestaltet. Im Streit um die Entlassung eines Testamentsvollstreckers erfordere  der nur gering ausgeprägte Schutz der Nachlassbeteiligten ein Minimum an Schutz durch die staatlichen Gerichte. Das Recht, den Testamentsvollstrecker zu entlassen, biete die einzig effektive Möglichkeit, das Testamentsvollstreckerverfahren zu beeinflussen (vgl. Staudinger/Reimann, BGB (2016), § 2227, Rn. 1, 4).

Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob mit der Gegenauffassung zumindest für „echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ eine Übertragung der Zuständigkeit des Nachlassgerichts auf ein Schiedsgericht möglich sein müsse (vgl. etwa Muscheler, a.a.O.).  Jedenfalls handele es sich beim Verfahren um die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht um eine derartige Streitigkeit. Das Entlassungsverfahren betreffe neben d die Entlassung begehrenden Erben und d Testamentsvollstrecker eine Vielzahl weiterer Personen, deren Interessen in ein Schiedsgerichtsverfahren nicht adäquat berücksichtigt werden könnten. § 2227 BGB stelle im Falle einer Entscheidung des Nachlassgerichts eine solche für und gegen alle Nachlassbeteiligten dar. Für eine Entscheidung, die für und gegen alle Nachlassbeteiligten wirken solle, passe ein Parteiverfahren nicht (vgl. Selzener, a.a.O.; Staudinger/Otte, BGB (2017), Vorb. zu § 1937 ff., Rn. 11; Dawirs, a.a.O., S. 67). Das Schiedsgerichtsverfahren garantiere bspw. nicht die Auswahl und Unabhängigkeit der Richter, die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln, die Beteiligung Dritter am Verfahren, die Amtsermittlung gäß § 26 FamFG, die Möglichkeit, die Anordnung von Zwangsmaßnahmen und - für bedürftige Parteien – die Gewährung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe (vgl. Lange, ZEV 2017, 1, 6).

D Argument, dass der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen die Einsetzung des Testamentsvollstreckers auch auflösend bedingt durch das objektive Eintreten eines wichtigen Grundes i.S.d. § 2227 BGB anordnen könne (Muscheler, a.a.O.), hält der Senat entgegen, dass das Schiedsgericht in dies Fall keine schiedsgerichtliche Entscheidung, sondern lediglich eine schiedsgutachterliche Feststellung zu treffen hätte, die einer gerichtlichen Überprüfung entsprechend den §§ 317 ff. BGB nicht entzogen wäre.

Auch den Verweis auf die „negative Erbfreiheit“ der Erben oder Bedachten lässt der Senat nicht gelten. Die Stellung eines Erben oder Vermächtnisnehmers bedeute nämlich nicht, dass sämtliche materiell- oder verfahrensrechtlichen Bestimmungen in einer letztwilligen Verfügung des Erblassers hinzunehmen wären. Vielmehr sehe § 2220 BGB gerade vor, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker von bestimmten kardinalen Pflichten nicht befreien könne. Für den Fall ihrer Verletzung enthalte § 2227 BGB als Korrelat die Möglichkeit, ein Entlassungsverfahren durchzuführen.

Praxishinweis

Diese höchstrichterliche Entscheidung sowie die in dieser Ausgabe ebenfalls angezeigte Entscheidung des BGH (BeckRS 2017, 111006 Rn. 19 ff.) beschäftigen sich mit der vor all von interessierten Kreisen aus der Anwaltschaft favorisierten Schiedsgerichtsbarkeit in Erbangelegenheiten, insbesondere mit deren Grenzen. Die Rechtsprechung geht dabei sehr restriktiv vor und zieht der Schiedsfähigkeit von erbrechtlichen Auseinandersetzungen dieselben Grenzen, die das Gesetz auch der Testierfreiheit des Erblassers zieht. Mit anderen Worten: Immer dann, wenn das Gesetz der Dispositionsbefugnis des Erblassers Grenzen aufzeigt, in d es abweichende Anordnungen verbietet, fehlt es auch an der Schiedsfähigkeit. Dabei steuert der Senat ein wichtiges Argument bei, nämlich die Sicherung des Rechtsschutzes vor Grenzüberschreitungen des Erblassers durch ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten.  Bereits das Reichsgericht hatte Normen, die der Testierfreiheit Grenzen ziehen, als „stumpfe Waffe“ bezeichnet, wenn sie nicht durch Verfahrensrechte abgesichert werden.

Die Argumentation in beiden Entscheidungen des BGH zur Reichweite der Schiedsfähigkeit erbrechtlicher Streitigkeiten verdient Zustimmung. Pflichtteilsrechte, erbrechtliche Zuständigkeiten der Gerichte bzw. der Notariate sowie Entscheidungen darüber, ob Anordnungen des Erblassers sich in den vom Gesetzgeber zulässigerweise gesetzten Grenzen der Testierfreiheit halten, sind der ausschließlichen Zuständigkeit eines vom Erblasser eingesetzten Schiedsgerichts entzogen. Ein entsprechende Verfügung kann jedoch in eine Schiedsgutachterklausel umgedeutet und mit d Inhalt aufrechterhalten bleiben, dass die gutachterliche Stellungnahme des „Schiedsgerichts“ im Rahmen der §§ 317 ff. BGB durch die Gerichte überprüft werden.

Bei der Entscheidung, ein Erblasser eine Schiedsgerichtsklausel für seine letztwillige Verfügung vorzuschlagen, sollte auch das vom Senat erwähnte Kostenargument nicht außer Acht gelassen werden. Ohnehin sollte der erbrechtliche Berater in dieser Hinsicht eher restriktiv vorgehen, denn warum soll im Streitfalle ein privates Schiedsgericht den wahren Erblasserwillen per se besser ergründen und zum Erfolg verhelfen als ein staatliches Gericht?

Redaktion beck-aktuell, 19. Juni 2017.