BAG: Verjährungsfrist beim Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot

HGB §§ 60 I, 61 I; BGB § 398; StGB § 266; UWG § 17; ZPO § 287 I

Die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 II HGB erfasst nicht nur alle Ansprüche aus § 61 I HGB, sondern auch konkurrierende vertragliche oder deliktische Ansprüche.

BAG, Urteil vom 30.05.2018 - 10 AZR 780/16 (LAG Berlin-Brandenburg), BeckRS 2018, 18870

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 37/2018 vom 20.09.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des wöchentlich erscheinenden Fachdienstes Arbeitsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Arbeitsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Arbeitsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitnehmer war bei der klagenden Arbeitgeberin, einem IT-Dienstleister, als Gruppenleiter für mehrere Kundenteams verantwortlich, u.a. für den Großkunden K. Im Februar 2014 kündigte K den Vertrag vorzeitig und teilte mit, man habe sich für die Betreuung durch das Konkurrenzunternehmen ICS entschieden. Zeitgleich kündigten der Beklagte und ein weiterer Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis zum 30.6.2014. Beide wechselten nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Firma ICS.

Eine forensische Untersuchung der Dienst-Laptops und E-Mail-Accounts des Beklagten und seines Kollegen ergab den dringenden Verdacht, dass diese maßgeblich dafür gesorgt hatten, dass der Kunde K zur ICS gewechselt war. Daraufhin erstattete die Arbeitgeberin Strafanzeige, u.a. wegen Untreue nach § 266 StGB sowie wegen Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach §§ 17 UWG. Des Weiteren erhob sie beim Arbeitsgericht Schadensersatzklage, teils aus eigenem Recht, teils aus abgetretenem Recht mit der Begründung, ein Teil des Schadens sei bei einem konzernangehörigen Unternehmen entstanden. Geltend gemacht wurde insbesondere ein auf drei Jahre entgangener Gewinn von ca. 6,48 Mio. EUR.

Rechtliche Würdigung

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Das BAG hatte – wie die Vorinstanzen – bereits erhebliche Zweifel daran, ob ein Schaden substantiiert genug dargelegt worden sei. Zwar dürften insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden, da die Beweiserleichterungen des § 252 BGB und § 287 ZPO die Darlegungslast des Geschädigten minderten, zumal es für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gebe. Im vorliegenden Fall seien aber noch nicht einmal ausreichende greifbare Anknüpfungstatsachen vorgetragen worden. Insbesondere sei nicht klar geworden, wo in dem verschachtelten Unternehmensgeflecht des klägerischen Konzerns welcher Schaden entstanden sein sollte.

Im Übrigen sei, so das BAG, bereits Verjährung eingetreten. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung gelte die kurze dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 II HGB nicht nur für Handlungsgehilfen, sondern für alle Arbeitnehmer. Überdies erfasse nach ständiger Rechtsprechung die kurze Verjährungsfrist des § 61 II HGB auch sämtliche deliktischen Ansprüche, die im Zusammenhang mit Wettbewerbstätigkeit stünden, insbesondere solche aus § 823 I BGB und solche aus § 823 II BGB i.V.m. § 17 UWG.

Offengelassen hat das BAG hingegen, ob auch Schadensersatzansprüche wegen Untreue (§ 266 StGB) von § 61 HGB erfasst seien, weil jedenfalls im vorliegenden Fall solche Ansprüche nicht bestanden hätten.

Nicht von der kurzen Verjährungsfrist des § 61 II HGB erfasst seien zwar mögliche Schadensersatzansprüche konzernverbundener Gesellschaften, da die kurze Verjährungsfrist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Beteiligten voraussetze. Allerdings habe trotz Bestreitens der Beklagten und entsprechender Hinweise der Untergerichte die Klägerin die Abtretung nicht schlüssig dargelegt, insbesondere trotz Aufforderung nie ordnungsgemäße schriftliche Abtretungserklärungen vorgelegt.

Praxishinweis

Die kurze Verjährung des § 61 II HGB ist eine klassische Anwaltsfalle, die auch hier wieder zugschnappt ist. Die Norm steht seit mittlerweile 118 Jahren unverändert im Gesetz, ist aber vielen Anwälten unbekannt.

Das Urteil zeigt wieder einmal deutlich auf, wie schwierig – oder unmöglich – es in einer immer arbeitsteiliger werdenden Wirtschaft ist, Schadensersatzansprüche hinreichend substantiiert vorzutragen. Schadensersatzprozesse gegen Arbeitnehmer scheitern fast immer, es sei denn, der Arbeitnehmer hat in die Kasse gegriffen. Das unterstreicht die Bedeutung von Vertragsstrafen. Insbesondere vertragliche und nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind ohne Absicherung durch Vertragsstrafen regelmäßig wirkungslos.

Redaktion beck-aktuell, 25. September 2018.