Wirecard-Prozess: Kronzeuge Bellenhaus attackiert Ex-Vorstandschef Braun

Im Wirecard-Prozess bringen sich der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft Oliver Bellenhaus und Ex-Vorstandschef Markus Braun gegenseitig in Misskredit. Bellenhaus – bis 2020 Wirecard-Manager in Dubai – wehrte sich gestern gegen die Vorwürfe von Brauns Verteidigern und beschuldigte Braun seinerseits schwer.

Damit hat am 74. Prozesstag im Münchner Wirecard-Prozess die Auseinandersetzung zwischen Bellenhaus und Braun ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Nach einer früheren Darstellung der Verteidigung Brauns sollen der seit 2020 untergetauchte Vertriebsvorstand Jan Marsalek, Bellenhaus und Komplizen über ein Schattengeflecht von Firmen an die zwei Milliarden Euro veruntreut haben, die eigentlich dem Konzern zugestanden hätten. Braun wusste demnach von den Aktivitäten dieser kriminellen Bande im Unternehmen nichts.

Bellenhaus nannte diese Darstellung seinerseits "abwegig". "Belege dafür finden sich nicht", sagte der Manager, der ebenso wie Braun seit über drei Jahren in Untersuchungshaft sitzt. "Hier wird vor allem ein Krieg um die öffentliche Meinung geführt." In seiner Stellungnahme warf Bellenhaus Brauns Verteidigern vor, vielfach falsch gerechnet zu haben. "Worin läge das Motiv, eine solche Schattenstruktur aufzubauen und über ein Jahrzehnt am Laufen zu halten", sagte der Kronzeuge. Gleichzeitig zog Bellenhaus die Aussage der Verteidigung in Frage, wonach Braun nichts von den kriminellen Machenschaften gewusst haben soll: "Es stellt sich die Frage, ob Herr Dr. Braun die letzten 20 Jahre taub und blind in der Wirecard verbrachte."

Noch keine Entscheidung über Beweisanträge der Verteidigung gefallen

Bellenhaus ist der einzige der drei Angeklagten, der ein Geständnis abgelegt hat. Laut Anklage waren sowohl Braun als auch Bellenhaus Mitglieder der kriminellen Wirecard-Bande. Sie sollen seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben.

Brauns Verteidiger sprechen jedoch Bellenhaus jede Glaubwürdigkeit ab: "Eine kreative Aneinanderreihung von Nebelkerzen", sagte Anwalt Alfred Dierlamm zu den Ausführungen des Kronzeugen. "Wir werden dazu detailliert Stellung nehmen." Die Entscheidung des Gerichts über die Beweisanträge der Braun-Verteidiger steht nach wie vor aus.

Zuletzt musste der frühere Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann vor Gericht Rede und Antwort stehen, konnte aber auch kein Licht ins Dunkel bringen.

Redaktion beck-aktuell, gk, 24. Oktober 2023 (dpa).