Manche mag es überraschen, aber die Vermögensteuer gibt es längst in Deutschland. Bereits seit 1952 existiert ununterbrochen bis zum heutigen Tage das Vermögensteuergesetz, ohne dass es jemals abgeschafft worden wäre. Die Vermögensteuer wird lediglich seit 1997 nicht mehr erhoben, nachdem 1995 das BVerfG die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz erkannt hatte, insbesondere mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom BVerfG bei verfassungswidrigen Steuern traditionell zugebilligte Frist zur Neufassung ließ der Gesetzgeber seinerzeit ungenutzt verstreichen und verzichtete stattdessen einfach darauf, sie weiterhin zu erheben.
In der Vermögensteuerentscheidung 1995 monierte das BVerfG vor allem die ungleichen Bewertungsmethoden für die von der Steuer erfassten Vermögensarten. Während etwa für Barvermögen der Nennwert, für Wertpapiere der Kurswert und für Betriebsvermögen der gemeine Wert galt, wurden für Grundvermögen die Einheitswerte zugrunde gelegt. Diese Einheitswerte wiederum fußten auf Wertfeststellungen aus dem Jahr 1964 und hatten mit den aktuellen realen Verkehrswerten häufig nichts mehr zu tun. Im Schnitt bewirkten die Einheitswerte eine deutlich niedrigere Bewertung und bevorzugten so Grundvermögen gegenüber anderen Vermögensarten, ohne dass für die Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorlag.
Die Gleichheitsverletzung ergab sich dabei noch nicht einmal unmittelbar aus dem Vermögensteuergesetz, sondern erst aus dem in Bezug genommenen Bewertungsgesetz. Das Bewertungsgesetz enthält Bewertungsmethoden für diverse Vermögenskategorien und sollte eine einheitliche Wertfeststellung für verschiedene Steuerarten wie Vermögensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer oder Grundsteuer ermöglichen. Der Finanzverwaltung gelang es jedoch nicht, wie eigentlich vorgesehen, die Einheitswerte für Grundvermögen regelmäßig neu festzustellen und so für eine realistische Fortschreibung der Werte zu sorgen.
Vermögensteuer ist nicht verfassungswidrig
Die Vermögensteuer ist also nicht per se verfassungswidrig, sondern lediglich die Ausgestaltung ihrer Bemessungsgrundlage. Das BVerfG hat das Vermögensteuergesetz auch nicht für nichtig erklärt, sondern nur für unvereinbar mit dem GG. Die prinzipielle Zulässigkeit ergibt sich im Übrigen aus dem GG selbst, da die Vermögensteuer in Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG explizit genannt ist. Und eine von der Verfassung vorausgesetzte Steuer kann nicht generell verfassungswidrig sein.
Die realitätsfernen Einheitswerte für Grundvermögen brachten auch andere Steuern zu Fall, so etwa die Erbschaft- und Schenkungsteuer und zuletzt die Grundsteuer. Auch dort erkannte das BVerfG Verletzungen des Allgemeinen Gleichheitssatzes und verlangte gesetzliche Neuregelungen. In diesen Fällen reagierte der Gesetzgeber aber und reformierte die Bemessungsgrundlagen. Das wird bei der Grundsteuer deutlich, für die statt der alten Einheitswerte nunmehr die Grundsteuerwerte nach marktorientierten Maßstäben zu ermitteln sind. Wenngleich in Teilen weiterhin umstritten, liegt doch zumindest eine aktuelle, praktikable und realitätsgerechtere Alternative zu den alten Einheitswerten vor. Was läge daher näher, als diese Bewertungskonzeption nunmehr auch für die Vermögensteuer fruchtbar zu machen und auch diese wieder zu erheben?
Nicht nur der politische Wille fehlt
In der Tat ist die Entscheidung, dies nicht zu tun, zunächst einmal eine politische. So lehnen etwa die Unionsparteien und die FDP die Vermögensteuer ausdrücklich ab. Die Wiedereinführung scheitert jedoch nicht allein am politischen Willen, sondern auch an rechtlichen Maßstäben.
Gegenüber der Grundsteuer unterscheidet sich der Steuergegenstand. Die Grundsteuer beschränkt sich auf Grundvermögen, während die Vermögensteuer ihrem Wesen nach das gesamte Vermögen einer Person und damit zwangsläufig völlig verschiedene Vermögensarten erfassen muss. Die Rechtsprechung verlangt, die Vermögensteuer in einer Gleichheit im Belastungserfolg zu erheben. Das bedeutet: Sämtliche Vermögenkategorien müssen in Relation zueinander gleichermaßen erfasst und gleichheitsgerecht bewertet werden. Dazu gehören das Grundvermögen genauso wie Gesellschaftsanteile oder Betriebsvermögen, aber auch private Sammlungen wie Kunstwerke, Oldtimer oder Briefmarken. Gerade für solche privaten Sammlungen fehlen vielfach verlässlich feststellbare Marktwerte. Versicherungswerte dürften oft überhöht angesetzt sein, Auktionswerte zufällig oder nicht repräsentativ. Andererseits lassen sich solche Vermögenswerte nicht generell ausblenden, wenn doch der Steuergegenstand das Vermögen in seiner Gesamtheit ist.
Über den Allgemeinen Gleichheitssatz hinaus ergeben sich weitere Grenzen. In der Vermögensteuerentscheidung hat das BVerfG den fast schon legendären Halbteilungsgrundsatz genannt, wonach die steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen Steuern an die öffentliche Hand und der verbleibenden Privatnützigkeit für den Steuerpflichtigen bleiben muss. Von diesem Halbteilungsgrundsatz ist das Gericht zwar wieder abgerückt. Es betont vielmehr, dass die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG nur konkrete vermögenswerte Rechtspositionen schützt, aber grundsätzlich nicht das Vermögen als solches und somit auch nicht vor Steuerpflichten. Eine prozentuale Grenze zieht das GG nicht.
Wie hoch darf die Vermögensteuer sein?
Eine Grenze ist nach der Rechtsprechung aber bei erdrosselnden Steuern erreicht, welche die Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie einem Zugriff auf das Eigentumsobjekt gleichkommen, weil dieses zur Begleichung der Steuer veräußert oder aufgegeben werden muss. Dementsprechend charakterisiert die Rechtsprechung die Vermögensteuer als eine Soll-Ertragsteuer. Das bedeutet, die Steuer muss im typischen Fall aus den Erträgen bezahlbar bleiben, welche das zugrunde gelegte Vermögen im Normalfall abwirft. Im Gegensatz zu den Ertragsteuern wie Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer kommt es zwar nicht auf die tatsächlich erzielten Erträge an. Der Gesetzgeber darf typisieren und pauschalieren. Er muss sich dabei aber am Normalfall eines durchschnittlich erzielbaren Ertrages orientieren. Auch deshalb ist der Steuersatz verhältnismäßig moderat im niedrigen einstelligen Prozentbereich anzusetzen.
Die Charakterisierung als Soll-Ertragsteuer ist durchaus umstritten. Nach anderer Ansicht ist die Vermögensteuer eine Substanzsteuer, da bereits das Innehaben von Vermögensgegenständen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Bedürfnisbefriedigungspotential vermittele, was bereits die Besteuerung rechtfertige, ohne dass es auf Erträge ankäme. Mit dieser Sichtweise ließe sich auch leichter die vielfach geäußerte Motivation vereinbaren, Vermögen von Wohlhabenden umzuverteilen und mittels Steuern Gesellschaftspolitik zu betreiben.
Die auf Soll-Ertragsteuern festgelegte Rechtsprechung hat indes die Erwartung an den Gesetzgeber formuliert, der Vermögensteuer die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten zugrunde zu legen und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abzubilden. Bei wertvollen, aber keinen Ertrag bringenden Vermögensgegenständen wie privat genutzten Wohnimmobilien oder privaten Sammlungsobjekten wird dies schwerlich gelingen. Sie deshalb von vorneherein aus der Bemessungsgrundlage auszusondern, wirft jedoch wiederum gleichheitsrechtliche Probleme auf.
Was passiert mit Familienunternehmen?
Besonders bei Betriebsvermögen zeigt sich ein weiteres Dilemma im Spannungsverhältnis von Gleichheitssatz und Eigentumsfreiheit. Da hohe Vermögenswerte oft in Betriebsvermögen stecken, wären gerade sie von einer Vermögensteuer betroffen. Doch der Raum für eine Besteuerung ist hier sehr begrenzt. Die Steuer auf Betriebsvermögen müsste eine Ertragserwartung feststellen, die über dem Betriebsgewinn liegt, auf den bereits die Ertragsteuern zugreifen. Denn auch, wenn Vermögen- und Ertragsteuern kumulativ greifen, muss die Steuerlast aus den erzielbaren Erträgen finanzierbar bleiben. Die Vermögensteuer darf also nicht im Zeitverlauf zu einer schleichenden Enteignung führen. Reformvorschläge sehen daher auch Bewertungsabschläge und großzügige Freibeträge für Betriebsvermögen vor. Solche großzügigen Ausnahmen kollidieren wiederum mit den gleichheitsrechtlichen Anforderungen. Nicht umsonst betrachtet die Rechtsprechung die ähnlich motivierten Privilegien für Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit großem Argwohn.
Die Vermögensteuer zu reaktivieren ist also durchaus möglich, aber nur in engen Grenzen und im Detail sehr umstritten. Wenngleich es eine politische Entscheidung bleibt, scheint ihre baldige Wiederauferstehung wenig wahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich hingegen ist, dass sie auch zukünftige Wahlprogramme bereichern wird.
Prof. Dr. Dennis Klein ist Professor für Allgemeines und Besonderes Steuerrecht am Fachbereich Steuerverwaltungsdienst der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen und im Nebenamt Steuerberater.