Vor der US-Wahl: Was Trump und Harris rechtspolitisch planen
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Es sind nur noch wenige Tage bis zur US-Wahl – Zeit für einen Blick in die Wahlprogramme der beiden Präsidentschaftskandidaten: Trump plant Massendeportationen und mehr Polizeibefugnisse, Harris strengere Waffengesetze und eine Justizreform. Bei Abtreibungen halten sich beide auffällig zurück. 

Am 5. November 2024 wird in den Vereinigten Staaten ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Neben umfangreichen Plänen für die amerikanische Wirtschaft haben die beiden Kandidaten aber auch rechtspolitisch einiges auf der Agenda.

Justiz: Kahlschlag oder Supreme-Court-Reform?

Während seines Wahlkampfs hatte Joe Biden im Juli 2024 eine Reform des Supreme Courts angekündigt. Er plante unter anderem eine Begrenzung der Amtszeit von Verfassungsrichterinnen und -richtern, die aktuell auf Lebenszeit ernannt werden, auf 18 Jahre, sowie einen einheitlichen Ethik-Kodex für das oberste Gericht. Diese Pläne unterstützt Harris nun öffentlich. So heißt es in ihrem Wahlprogramm, sie werde sich „für vernünftige Reformen des Obersten Gerichtshofs einsetzen“.

Hintergrund der Reformidee ist eine zunehmende Politisierung des Supreme Courts. Während seiner Amtszeit als Präsident hatte Trump drei Richterposten gezielt mit den Konservativen Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett besetzt. Für Aufregung sorgte nach dem Dobbs-Urteil, mit dem der Supreme Court 2022 feststellte, dass die amerikanische Verfassung kein Recht auf Abtreibung enthalte, auch die kürzlich ergangene Entscheidung, mit der der Gerichtshof Trump als ehemaligem Präsidenten weitgehende Immunität vor Strafverfolgung zugestand, solange etwaige Taten im Rahmen seiner präsidialen Befugnisse begangen wurden.

Gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten laufen derzeit diverse Gerichtsverfahren, u. a. wegen mutmaßlicher Schweigegeldzahlungen und versuchter Beeinflussung des Wahlergebnisses vom 2020. Harris stellt sich in ihrem Wahlprogramm gegen das Urteil des Supreme Court zur teilweisen Immunität: „In unserer Demokratie sollte niemand über dem Gesetz stehen. Deshalb müssen wir auch dafür sorgen, dass kein ehemaliger Präsident Immunität für Verbrechen genießt, die während seiner Amtszeit im Weißen Haus begangen wurden.“ Den Grundsatz will die Demokratin in der Verfassung verankern.

Trump indes will nichts dergleichen, hofft er doch, von der Immunität zu profitieren. Auch für Veränderungen am obersten Gerichtshof sieht er offenbar keinen Bedarf. Stattdessen will er sich als Präsident anderen Teilen der Justiz widmen, deren Entscheidungen ihm nicht zugesagt haben, und „radikale, marxistische Richter und Staatsanwälte“, die es auf die Zerstörung Amerikas abgesehen hätten, entlassen. So haben in seiner ersten Amtszeit als Präsident der USA immer wieder Richterinnen und Richter seine Vorhaben – wie etwa den „Travel Ban“ – eine Einreisesperre für Menschen aus einigen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern – gestoppt. Auch in den aktuell gegen ihn laufenden Strafverfahren greifen Trump und sein Team die Richterinnen und Staatsanwälte massiv verbal an. Richterinnen und Richter an Bundesgerichten unterhalb des Supreme Courts werden ebenfalls vom Präsidenten ausgewählt. Trump dürfte also seine frühere Agenda weiterverfolgen, ihm gefällige Juristinnen und Juristen in hohe Ämter zu bringen.

Strafverfolgung: Zwei Hardliner?

Die ehemalige Generalstaatsanwältin Harris hat den Ruf, einen harten Kurs in der Strafverfolgung zu fahren. Mit konkreten Plänen hält sich die Juristin in ihrem Wahlprogramm allerdings zurück. Schlüsse auf ihre Pläne könnte aber ihr Wahlkampf von 2020 liefern: Damals stellte Harris einen Plan vor, der die Gefängnispopulation reduzieren und die Isolationshaft abschaffen sollte. Auch setzte sie sich für einen Bundesstandard für den Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte ein und schlug die Einrichtung eines Bundesausschusses vor, der polizeiliche Schusswaffeneinsätze überprüfen sollte.

In ihrer Zeit als Bezirksstaatsanwältin sprach Harris sich auch explizit gegen die Todesstrafe aus. Als sie jedoch später für das Amt der Generalstaatsanwältin in Kalifornien kandidierte – in dem Bundesstaat gibt es die Todesstrafe offiziell noch –, kündigte die 60-Jährige an, die Todesstrafe „wie vom Gesetz vorgeschrieben“ durchzusetzen.

Trump geht auch das Thema Strafverfolgung revisionistisch an. So will er eine Task Force einrichten, die Fälle von Personen überprüfen soll, die angeblich zu Unrecht von der Regierung verfolgt worden sind. Gut möglich, dass es hierbei um Mittäter beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gehen wird. Trump hat bereits angedeutet, diese in einer neuen Amtszeit begnadigen zu wollen. Im Übrigen will er gegen „marxistische“ und „linksradikale“ Strafverfolgungsbehörden vorgehen, womit auch mit Trump ein Umbau des Justizapparates anstehen könnte.

Trump plant nach eigenem Bekunden außerdem, mehr Geld in die Polizei zu investieren, um Kriminalität zu reduzieren, und Angriffe auf Beamte härter zu bestrafen. Im Falle seiner Wiederwahl hat er vor, die Zahl der Inhaftierungen durch härtere Verfolgung und Strafen zu erhöhen und aggressive Polizeipraktiken zu unterstützen. Dazu könnte er die von Präsident Biden 2022 erlassene Durchführungsverordnung zur Polizeiarbeit aufheben. Damit hatte Biden nach der Ermordung von George Floyd der polizeilichen Gewaltanwendung engere Grenzen gesetzt und eine ausdrückliche Pflicht für Beamte geschaffen, einzugreifen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin gegen die Richtlinien verstößt. Im Übrigen spricht sich Trump für eine Ausweitung der Todesstrafe aus.

Waffenrecht: Harris will schärfere Regeln, Trump das Rad zurückdrehen

2022 unterzeichnete Joe Biden das umfangreichste Gesetz zur Bekämpfung von Schusswaffengewalt seit fast 30 Jahren. Es sah vor, dass insbesondere junge Waffenkäuferinnen und -käufer und solche, die bereits vorbestraft sind, strenger überprüft werden. Außerdem erleichtert es das Gesetz, Waffen zu beschlagnahmen. Viele Bundestaaten haben zudem eigene Waffengesetze, die den Umgang mit Waffen unterschiedlich streng regeln.

Harris setzt sich für strengere Waffengesetze ein. Sie kündigte an, nicht nur Gesetze in den Bundesstaaten zu unterstützen, laut ihrem Wahlprogramm möchte sie auch Bundesvorschriften etablieren, die Lücken im Waffenrecht schließen sollen. So sollen auch Verkäuferinnen und Verkäufer auf Waffenmessen und im Internet künftig Hintergrundprüfungen ihrer Kundschaft durchführen. Bisher konnte der Überprüfung entgehen, wer nicht in ein Waffengeschäft ging. Zudem will Harris dafür sorgen, dass Schnellfeuerwaffen nicht länger an Zivilisten verkauft werden dürfen.

Trump dagegen ist bestens vernetzt in der amerikanischen Waffenlobby und betont stets sein Engagement für das Second Amendment, den zweiten Zusatzartikel zur US-Verfassung, der nach Lesart des Supreme Court jeder Bürgerin und jedem Bürger das Recht auf Schusswaffenbesitz garantiert. Er hat daher angekündigt, Bidens Verschärfungen wieder abzuschaffen. Auch soll seiner Meinung nach das verdeckte Tragen von Waffen in allen Bundesstaaten erlaubt sein. Entsprechende Gesetzesänderungen will er als Präsident anstoßen, wenngleich dies Sache der Staaten selbst ist.

Migration: Trump fordert Massendeportationen

Wenn man den Umfragen glauben darf, ist die Migration eines der, wenn nicht das wahlentscheidende Thema. Harris, die als Vizepräsidentin von Biden u. a. mit Migrationsabkommen und der Sicherung der Grenze betraut ist, machte dabei nach mehrheitlicher Ansicht im Land keine gute Figur. Zuletzt hatten sich Demokraten und Republikaner bereits auf ein Gesetz verständigt, dass sowohl Verschärfungen im Asylrecht vorsah als auch die Grenze zwischen USA und Mexiko durch tausende neue Zoll- und Grenzbeamte verstärken sollte. Auch sollten neue Richterstellen zur Bewältigung der Asylstreitigkeiten geschaffen werden. Es war das schärfste Gesetz zur Grenzsicherung seit Jahrzehnten. Harris unterstützte das Gesetz. Doch kurz vor der Verabschiedung sprachen sich Trump und die Republikaner gegen die Neuerung aus – mutmaßlich, weil das Thema sonst im Wahlkampf nicht mehr so viel Angriffspotenzial geboten hätte. Das Gesetz scheiterte damit.

Sollte Harris Präsidentin werden, ist es gut möglich, dass es eine neue Chance bekommt. Gleichzeitig fordert sie zusätzliche Regelungen zur Staatsbürgerschaft. So sollen nicht-dokumentierte Einwanderer die Chance haben, Amerikanerinnen und Amerikaner zu werden. Auch für Nachkommen von Immigrantinnen und Immigranten, die seit dem Kindesalter in den USA leben, soll das möglich werden.

Trump indes kündigte bereits „die größte Deportation in der amerikanischen Geschichte“ an.  Dabei geht es ihm nach eigenem Bekunden vor allem um Kriminelle und Drogendealer. Hierzu will er auch die Strafverfolgungsbehörden mobilisieren. Auch seinen berüchtigten und von Gerichten mehrfach gekippten „Travel Ban“ will der 78-Jährige wieder einführen. U. a. sollen keine Flüchtlinge aus dem Gaza-Streifen ins Land kommen, Sympathisanten der Hamas zudem ihr Visum verlieren.

Abtreibungen: Wie geht es weiter nach dem Ende von Roe vs. Wade?

Das Urteil Roe vs. Wade von 1973 garantierte Frauen in den USA das Recht auf Abtreibung. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit der US-Bevölkerung die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch. 2022 kippte der mehrheitlich konservative Supreme Court das Urteil jedoch – nun obliegt der Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen den Bundesstaaten. In mehreren Staaten ist die Abtreibung nun weitgehend verboten.

Zwar setzt sich Harris öffentlich für das Recht auf Abtreibung ein. Nachdem Roe vs. Wade gefallen war, zeigte sie mit mehreren politischen Aktionen – etwa dem Besuch in einer Abtreibungsklinik – ihre Unterstützung für eine Liberalisierung. Ob sich daraus aber konkrete Pläne für ihre Präsidentschaft ergeben, bleibt aber offen. In ihrem Wahlprogramm heißt es dazu lediglich: „Als Präsidentin wird sie niemals zulassen, dass ein nationales Abtreibungsverbot in Kraft tritt. Und wenn der Kongress ein Gesetz zur Wiederherstellung der reproduktiven Freiheit im ganzen Land verabschiedet, wird sie es unterzeichnen.“ Ein relativ zurückhaltendes Wahlversprechen angesichts ihres früheren Engagements für die körperliche Selbstbestimmung von Frauen.

Trump, der sich vor und während seiner ersten Amtszeit oft und medienwirksam als „Pro Life“ – als Abtreibungsgegner – inszenierte, hat seine starke Position zum Thema inzwischen etwas abgemildert, seine Frau Melania sprach sich in ihrem kürzlich erschienen Buch zudem für ein Recht auf Abtreibung aus. Auch weiß Trump, dass viele Frauen in seiner Wählerschaft zu strenge Abtreibungsgesetze nicht gutheißen und versuchte daher zuletzt, sich nicht festzulegen, sprach sich aber wie Harris gegen ein bundesweites Abtreibungsverbot aus. Unterdessen versucht Trump weiter, seine Rivalin beim Thema zu brandmarken, warf Harris etwa vor, sie sei für die „Hinrichtung von Babys.“

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos und Denise Dahmen, 1. November 2024.