Ungarn hatte bereits angekündigt, den Haftbefehl nicht vollstrecken zu wollen. Wie Gulyas gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MTI weiter sagte, wolle Ungarns Regierung das Austrittsverfahren noch am Donnerstag in Gang setzen. Das Land verfahre entsprechend seiner eigenen Verfassung und internationalem Recht, fügte er hinzu.
Dass sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban den Vorgaben für ein Mitglied des IStGH nicht verpflichtet fühlt, hatte er bereits deutlich gemacht, nachdem im November der internationale Haftbefehl gegen Netanjahu wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gaza-Krieg erlassen wurde. Orban sprach im Anschluss demonstrativ eine Einladung an seinen Verbündeten Netanjahu aus.
Der Grundlagenvertrag, das sogenannte Römische Statut, verpflichtet die Mitgliedstaaten, Anordnungen des Gerichts auszuführen. Sie müssen Haftbefehle grundsätzlich vollstrecken, wenn sich eine gesuchte Person auf ihrem Hoheitsgebiet befindet. Ob Mitgliedstaaten im Fall von Netanjahu, der als amtierender Staatschef weitreichende Immunität genießt, zur Festnahme verpflichtet wären, ist unter Völkerrechtlern aber jedenfalls nicht unumstritten.
Im Umgang mit dem Staatsgast Netanjahu ist Ungarn kein Einzelfall. Auch Frankreich, Italien und Polen hatten bereits durchblicken lassen, dass sie den Haftbefehl nicht vollstrecken würden. Auch Friedrich Merz, der wohl künftige Bundeskanzler, hatte angekündigt, Netanjahu nach Deutschland einladen zu wollen. Er werde Wege finden, dass dieser nicht festgenommen werden müsse.
Ungarn erstes europäisches Land, das austreten will
Ungarn ist das erste europäische Land, das das Weltstrafgericht verlassen will. Bisher sind nur die Philippinen und das afrikanische Burundi aus dem IStGH ausgetreten. Andere bedeutende Länder, wie du USA, waren nie Mitglied.
Mit einem Austritt wird Ungarn nicht sofort frei von der grundsätzlichen Pflicht, mit dem IStGH zusammenzuarbeiten. Ein Austritt aus dem Grundlagenvertrag des Gerichts tritt erst ein Jahr nach Eingang der schriftlichen Austrittserklärung in Kraft. Aber auch danach bleiben die Verpflichtungen bestehen, die ein Vertragsstaat während seiner Mitgliedschaft übernommen hatte. Der IStGH kommentierte den Austritt zurückhalten: "Der Gerichtshof erinnert daran, dass Ungarn weiterhin verpflichtet ist, mit dem IStGH zusammenzuarbeiten", teilte ein Sprecher mit.
Allerdings sind die Konsequenzen für Ungarn, sollte es dies nicht tun, voraussichtlich überschaubar: Wenn ein Staat seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommt, kann das Gericht den Fall zwar der Vertragsstaatenkonferenz vorlegen, die dann über weitere Maßnahmen gegen diesen Staat entscheidet. Große Folgen aber wird das kaum haben.
Erste Reise Netanjahus nach Europa seit Haftbefehl
Der Besuch in Ungarn ist die erste Reise Netanjahus nach Europa, seit der IStGH den Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Seine Rückreise ist für Sonntag vorgesehen. Orban empfing am Donnerstag Netanjahu mit allen Ehren in der ungarischen Hauptstadt, berichtete das staatliche Fernsehen MTV. Der israelische Gast wollte auch den ungarischen Staatspräsidenten Tamas Sulyok treffen. Einzelheiten zu dem Besuch wurden - entgegen den Gepflogenheiten - vorher nicht bekanntgegeben. Auch auf Anfrage äußerte sich das Pressebüro des ungarischen Ministerpräsidenten nicht dazu.
Orban pflegt seit langem gute Beziehungen zu Netanjahu und unterstützt vorbehaltlos die Vorgangsweise seiner Regierung im Gaza-Krieg. Als Mitglied der Europäischen Union hat Ungarn immer wieder Resolutionen der EU blockiert, die sich für Waffenruhen und mehr Rücksichtnahme auf die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen aussprachen.
Israel begrüßte umgehend die Ankündigung Ungarns, aus dem IStGH austreten zu wollen. "Der sogenannte 'Internationale Strafgerichtshof' hat seine moralische Autorität verloren, seitdem er in seinem energischen Bestreben, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu schädigen, internationales Recht mit Füßen tritt", schrieb Außenminister Gideon Saar auf der Plattform X.