Es war wohl der Justizskandal des vergangenen Jahres: Die mutmaßlich linksextremistische Person Maja T. wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von den deutschen Justizbehörden nach Ungarn ausgeliefert, ehe das BVerfG intervenieren konnte – was es schließlich dennoch tat. Anfang dieses Jahres bestätigte Karlsruhe auch in der Hauptsache, dass die Auslieferung rechtswidrig war – unter anderem, weil die Behörden die Haftbedingungen in Ungarn für eine Person wie T., die sich als non-binär, also keinem Geschlecht zugehörig, identifiziert, nicht hinreichend geprüft hätten.
Der Ablauf war damals folgender: Nachdem das KG die Auslieferung am 27. Juni 2024 zunächst genehmigt hatte, brachte das LKA Sachsen in Absprache mit der Berliner Generalstaatsanwaltschaft die zu diesem Zeitpunkt 23-jährige Person T. in den frühen Morgenstunden des Folgetages aus der Justizvollzugsanstalt in Dresden per Helikopter an die Grenze zu Österreich, von wo sie nach Ungarn weiter transportiert wurde. T.s Anwälte hatten ihrem Bekunden nach in der Nacht zuvor angekündigt, gegen die Auslieferung vor das BVerfG zu ziehen und dort um Eilrechtsschutz zu ersuchen. Stunden später ordnete das BVerfG auch an, die Auslieferung zu stoppen und ggf. T.s Rückführung nach Deutschland zu erwirken. Zu dieser Zeit befand sich T. jedoch schon nicht mehr in Deutschland. Ab diesem Punkt besteht nach Auffassung zahlreicher Experten keine rechtliche Handhabe mehr, eine einmal ausgelieferte Person wieder zurückzubeordern. Daran ändert auch nichts, dass das BVerfG die Abschiebung auch in der Hauptsache als rechtswidrig bewertet hat.
Isolationshaft, stündliche Kontrolle und vor dem Fenster eine Plastikscheibe
Der Vorgang schlug hohe Wellen, zahlreiche Medien berichteten und die Vorgänge wurden im Berliner Abgeordnetenhaus ebenso diskutiert wie im Innenausschuss des Bundestags. Auch die Linke-Fraktion im EU-Parlament befragte die Kommission zu ihrem Standpunkt. Doch seither ist nicht viel passiert. T. sitzt in ungarischer Untersuchungshaft und der Strafprozess gegen T. hat im Februar begonnen.
T. wird die Beteiligung an gewaltsamen Überfällen auf Rechtsextremisten in Budapest vorgeworfen, im Falle einer Verurteilung wäre eine Haftstrafe von bis zu 24 Jahren möglich. Die mutmaßlichen Mittäterinnen und Mittäter haben sich in Deutschland inzwischen den Behörden gestellt, der mutmaßliche Kopf der Gruppe ist festgenommen worden. Ein erster Prozess gegen die laut Anklage mitbeteiligte Hanna S. ist im Februar in München gestartet.
Im Vorfeld des Prozesses in Ungarn hatte T. ein Angebot der Staatsanwaltschaft abgelehnt, sich gegen eine Verurteilung zu 14 Jahren Haft schuldig zu bekennen. T. verbringt die aktuelle Untersuchungshaft nach übereinstimmenden Berichten in Isolationshaft, hat kaum soziale Kontakte und lediglich eine Stunde Hofgang am Tag. Die Haftbedingungen sind nach Bekundungen aus ihrem Umfeld schlecht: Die hygienischen Bedingungen seien unzureichend, es gebe Ungeziefer und das Essen sei miserabel. Aus der Zelle sei nicht einmal der einzige Baum zu erkennen, den es im Gefängnishof gebe. Eine Plastikscheibe verdecke das kleine Fenster von außen, berichtet T.s Vater Wolfram Jarosch im Gespräch mit beck-aktuell. Zudem werde sein Kind stündlich kontrolliert, an normalen Schlaf sei so nicht zu denken. In den ersten Monaten sei T. zudem per Kamera überwacht und in Hand- und Fußfesseln durch das Gebäude geführt worden, diese Maßnahmen sollen nun immerhin abgeschafft worden sein.
T. im Hungerstreik
Vor etwas mehr als einer Woche nun kündigte Maja T. einen Hungerstreik als Protest gegen die Haftbedingungen und den Prozess an. Seither nimmt T. hauptsächlich Saft zu sich und ist nach Ansicht des Vaters psychisch wie physisch zunehmend angegriffen. T. habe demnach bereits sechs Kilogramm an Gewicht verloren. "Natürlich mache ich mir Sorgen um die Gesundheit meines Kindes, auch um Majas Leben" erklärt Jarosch. Gleichzeitig erlebe er T. auch als sehr stark, doch die Isolationshaft sei eine "psychische Foltermethode". "Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen Kontakt zu anderen", so Jarosch. Dieser sei jedoch auf das Minimum an Umgang mit dem Anstaltspersonal und die Besuche von Anwälten und Familie beschränkt. Die Situation setze seinem Kind mehr und mehr zu, auch weil so vieles ungewiss sei.
Ungewiss ist vor allem, wann T. Aussichten auf eine Rückkehr nach Deutschland hat. Zwar haben die ungarischen Behörden entsprechend § 80 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) vor der Auslieferung zugesichert, dass T. – eine Person, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt – eine etwaige Strafe auch in Deutschland verbüßen könne. Doch wann der Prozess ein Ende findet, ist noch nicht absehbar, wie ihr deutscher Verteidiger Sven Richwin im beck-aktuell-Gespräch erklärt. "Das Gericht hat zwar angekündigt, bis September zu einem Urteil kommen zu wollen, aber danach könnte auch ein Berufungsverfahren folgen", so Richwin. Außerdem müssten sich Deutschland und Ungarn im Fall einer Überstellung über die Modalitäten der Strafvollstreckung einigen, was angesichts einiger Differenzen im Strafrecht womöglich nicht einfach wäre. Eine Haftstrafe von über 20 Jahren ohne vorherige Entlassungsperspektive zum Beispiel ist im deutschen Recht gar nicht vorgesehen.
T.s Anwalt berichtet von Beweisführung nach Aktenlage
Richwin wohnt dem Prozess an fast jedem Verhandlungstag bei und spricht sich mit einem ungarischen Kollegen, der T. vor Gericht als Verteidiger vertritt, ab. Das Verfahren beschreibt er als nach deutschen Maßstäben befremdlich. So bestünden wesentliche Teile bloß aus einer Verlesung der Ermittlungsakten, unmittelbare Beweiserhebung in der Hauptverhandlung gebe es nur ergänzend. Zeugenaussagen würden lediglich zur Bestätigung eingeholt und könnten von der Verteidigung kaum hinterfragt werden. Richwin berichtet etwa von Zeugen, die aus Polen gemeinsam per Video zugeschaltet worden seien. Vor dem Gericht sei es zudem bei den Verhandlungsterminen zu Kundgebungen von Rechtsextremisten gekommen.
Die Zeit des Prozesses wird T. jedenfalls wohl bis zum Ende in Ungarn verbringen müssen, eine Überstellung nach Deutschland, um hier eventuell ein Strafverfahren durchzuführen, habe der Richter abgelehnt. Auch gegen die Haftbedingungen versuchte man bislang erfolglos, juristisch vorzugehen. Eine entsprechende Beschwerde werde seit Monaten nicht bearbeitet, was das Verteidigerteam auch daran hindere, die Angelegenheit vor den EGMR zu bringen, so Richwin.
Richter lehnt Unterbrechung ab
Inwiefern auf politischer Ebene Bemühungen stattfinden oder stattgefunden haben, T.s Rückkehr nach Deutschland zu veranlassen, ist weder dem Verteidiger Richwin noch dem Vater Jarosch bekannt. Dennoch hoffen sie auf eine diplomatische Lösung, um T. aus der Isolationshaft zu befreien. Eine Betreuung durch das deutsche Konsulat finde zwar statt, erzählt Richwin. Doch auch dessen Möglichkeiten seien sehr begrenzt. Dennoch findet er den Zustand skandalös: "Es ist doch merkwürdig, dass eine Entscheidung des BVerfG ergeht, in der klargestellt wird, dass die Auslieferung gegen das Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung verstoßen hat und dieser Verstoß auch immer noch andauert, daraus aber rein gar nichts folgt."
Am Donnerstag gab es einen weiteren Gerichtstermin, in dem T.s ungarischer Verteidiger eine Unterbrechung des Prozesses wegen Verhandlungsunfähigkeit durch die Folgen des Hungerstreiks beantragte. Dies lehnte der Richter jedoch ab. Am Wochenende will T.s Vater Jarosch nun eine Pressekonferenz geben, um die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge zu informieren. Öffentliche Aufmerksamkeit und Druck sind nach Lage der Dinge die einzigen Mittel, die T. im Moment noch hat.