Sammelanderkonten sind für die tägliche Arbeit in vielen Anwaltskanzleien unverzichtbar. Sie dienen zur Abwicklung von Fremdgeldeingängen, also solchen, die nicht für sie selbst, sondern für ihre Mandantinnen und Mandanten bestimmt sind. Denn in vielen Fällen ist es für die Mandantschaft zweckmäßiger, Zahlungen über ihren Anwalt oder ihre Anwältin laufen zu lassen. Diese verwalten das Geld auf dem Anderkonto dann treuhänderisch. Dies insbesondere dann, wenn Zahlungen nicht gleich an den Mandanten ausgezahlt werden können oder sollen. Und weil es nicht umsetzbar wäre, für jeden Fall ein eigenes Anderkonto einzurichten, laufen solche Zahlungen in der Praxis meist über Sammelanderkonten. Geregelt sind diese ausdrücklich in § 4 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA).
Der Streit um die Frage, ob die deutsche Anwaltschaft weiterhin solche Sammelanderkonten unterhalten kann, erreicht in diesen Tagen nun eine neue Dimension. Nachdem sich die Rechtsanwaltskammern nach langen Verhandlungen intern auf eine Lösung zur Überwachung der Zahlungsflüsse auf den Sammelanderkonten geeinigt hatten, haben die deutschen Kreditinstitute eine Zusammenarbeit mit den Kammern abgelehnt. Wenn es nicht doch noch zu einer Einigung kommt, ist damit zu rechnen, dass die Banken vom 01. Januar 2026 an nicht mehr bereit sind, für Anwältinnen und Anwälte solche Konten zu führen. Dies würde die Arbeit in vielen Kanzleien erheblich erschweren. Die Anwaltschaft hofft daher auf ein rasches Einlenken der Geldinstitute und auch die Unterstützung durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) und des Bundesministeriums für Finanzen (BMF).
Banken müssen Kontoinformationen melden
Zum Hintergrund: Nach dem Gesetz zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (FKAustG) müssten alle Kreditinstitute anwaltliche Sammelanderkonten als meldepflichtig behandeln, das heißt sie müssen nach dem europäischen Common Reporting Standard (CRS) bestimmte Informationen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln. Geschieht dies nicht, drohen den Banken hohe Bußgelder. Aber bei den Sammelanderkonten verfügen die Kreditinstitute nicht über die meldepflichtigen Informationen, etwa über die wirtschaftlich Berechtigten der dort vorhandenen Gelder. Auch die Neuregelung in § 4 BORA, die schon eine Verpflichtung der Anwälte zur ordentlichen Führung der Sammelanderkonten vorsieht, ist hier nicht ausreichend.
Daher hatten bereits Anfang 2022 viele Banken Sammelanderkonten gekündigt, unter anderem auch, weil die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre geldwäscherechtliche Risikoeinstufung diesbezüglich geändert hatte. Versuche, Sammelanderkonten von den Überwachungspflichten auszunehmen, sind gescheitert. Darauf kann die Anwaltschaft wohl nicht mehr hoffen.
Frist bis Ende des Jahres
Aufgrund der laufenden Gespräche der Anwaltschaft mit den Banken und dem BMF veröffentlichte das BMF Ende 2022 einen sogenannten Nichtbeanstandungserlass, der mehrfach verlängert wurde, jüngst bis zum 31.12.2025. Danach soll es das Bundeszentralamt für Steuern bis Ende 2025 nicht sanktionieren, wenn Banken anwaltliche Sammelanderkonten nicht als CRS-meldepflichtig behandeln.
Bis dahin wollen das BMF und das BMJV eine dauerhafte gesetzliche Lösung für anwaltliche Sammelanderkonten finden. Ein Anlauf dazu erfolgte im Regierungsentwurf des Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe. Er enthielt eine Regelung in einem neuen § 73a BRAO, die anlasslose Überprüfungen der Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern zum Zwecke der Geldwäscheprävention vorsah. Gegen diese Regelung wehrte sich die Anwaltschaft jedoch erfolgreich.
Das BMF hält gesetzliche Änderungen weiterhin für zwingend erforderlich, um eine angemessene Aufsicht der Kammern über die Sammelanderkonten zu gewährleisten. Nur dadurch kann nach Auffassung des Ministeriums die Ausnahme der Sammelanderkonten von der Meldepflicht ermöglicht werden.
Kammern schlugen Online-Tool zur Erkennung verdächtiger Zahlungen vor
Daher haben die örtlichen Rechtsanwaltskammern und die Bundesrechtsanwaltskammer intensiv verschiedene Möglichkeiten der Überwachung der Sammelanderkonten durch die Anwaltschaft selbst diskutiert und sich im Mai 2025 auf der Hauptversammlung in Landau für ein neues elektronisches Modell entschieden.
Danach stellen die Rechtsanwaltskammern den Kreditinstituten ein Online-Tool mit einer direkten Verknüpfung zu den Kammern zur Verfügung. Über dieses Tool werden den Kammern die Zahlungen auf die Sammelanderkonten gemeldet. Über ein Meldesystem werden dann verdächtige Zahlungen für die Anwaltskammer sichtbar macht. Eine Meldung bei typischen, im System hinterlegten Zahlungen, wie etwa Zahlungen von Rechtsschutzversicherungen, Behörden etc., würden keine Meldung auslösen. Dieses Tool könnte, so ist aus den Rechtsanwaltskammern zu hören, zeitnah fertiggestellt werden.
Kommt es zu einem verdächtigten Geldeingang, dann würde die Anwaltskammer anlassbezogen das Mitglied auffordern, darzulegen, was es mit der Zahlung auf sich hat, um so zu prüfen, ob möglicherweise ein Geldwäscheverdacht im Raum steht. Damit diese Überprüfung stattfinden kann, müsste im anwaltlichen Berufsrecht eine entsprechende Befugnis aufgenommen werden, die die Fremdgeldvorschriften des § 43a Abs. 7 BRAO ergänzt. Im Gegensatz zu einer anlasslosen Prüfung wäre dies eine Prüfung in Bezug auf einen konkreten Fall und dürfte rechtlich kein Problem sein.
Am 4.7.2025 hat die Bundesrechtsanwaltskammer dieses Modell den deutschen Kreditinstituten präsentiert.
"BMJV ist zuversichtlich, zu einer für alle Beteiligten tragbaren Lösung zu gelangen"
Die Banken indes haben ein solches Modell abgelehnt – zur großen Verwunderung der Anwaltschaft, wie die Schatzmeisterin der Bundesrechtsanwaltskammer, Rechtsanwältin Leonora Holling, im Gespräch erklärt. Der Bundesverband deutscher Banken, der in diesem Jahr die Federführung für die Verbände der deutschen Kreditwirtschaft hat, sah sich nicht in der Lage, vor Mitte August eine Stellungnahme zu den Gründen für die Verweigerung abzugeben.
In einer extra zu diesem Thema anberaumten Präsidentenkonferenz aller Rechtsanwaltskammern am 28.07.2025 habe man beschlossen, so Holling, jetzt rasch das Gespräch mit dem BMJV und dem BMF zu suchen, damit es vielleicht doch noch zu dem geplanten elektronischen Modell kommen könne. "Die Abschaffung der Sammelanderkonten ist für die deutsche Anwaltschaft keine Alternative", sagt Holling weiter.
Das BMJV will die Sammelanderkonten ebenfalls retten. Sprecherin Anna-Lena Beckfeld erläutert dazu: "Das BMJV ist sich bewusst, dass Sammelanderkonten für viele Rechtsanwältinnen und -anwälte eine wesentliche Erleichterung ihrer Arbeit bedeuten. Es prüft daher in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen, der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein mögliche Modelle, mit denen die aus dem Geldwäschegesetz folgenden Anforderungen mit vertretbarem Aufwand so umgesetzt werden können, dass die Nutzung von Sammelanderkonten auch künftig möglich bleibt. Das BMJV ist zuversichtlich, zu einer für alle Beteiligten tragbaren Lösung zu gelangen."
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und ehemaliger Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge u.a. zu berufsrechtlichen Themen.