Die Anwaltschaft benötigt weiterhin Sammelanderkonten
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Nachdem die Idee, die Kammern sollten anwaltliche Sammelanderkonten überwachen, im Gesetzgebungsverfahren gescheitert ist, stellt sich die Frage nach der Zukunft solcher Konten. Die Kreditinstitute haben keine einheitliche Linie, fand Martin W. Huff heraus. Grundsätzlich bleiben Sammelanderkonten aber zulässig.

Das Sammelanderkonto ist für viele Anwaltskanzleien für die Abwicklung alltäglicher Fremdgeldeingänge unverzichtbar, es ist wirtschaftlich nicht vertretbar für jede Fremdgeldzahlung ein Einzelanderkonto einzurichten. Ein Beispiel: Verschiedene Gegner eines Mandanten zahlen Raten auf eine offene Forderung. Der Mandant möchte, dass die Zahlungen erst an ihn ausgezahlt werden, wenn alles erledigt ist. Hier muss die Zahlung zur Absicherung auf ein Anderkonto gehen, also ein Konto, auf das Gläubiger des Rechtsanwalts keinen Zugriff haben, weil das Geld treuhänderisch für den Mandaten verwahrt wird.

Anfang 2022 hatten viele Banken die Sammelanderkonten von Anwaltskanzleien für die Fremdgeldverwahrung gekündigt, ohne große Ankündigung und mit sehr kurzer Frist. Hintergrund war, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihren Auslegungs- und Anwendungshinweisen Sammelanderkonten nicht länger als Geschäfte mit geringem Geldwäscherisiko eingestuft hatte. Denn anders als bei Einzelanderkonten sind bei Sammelanderkonten die wirtschaftlich Berechtigten nicht ohne weiteres zu identifizieren. Sie seien also, so war die Meinung, grundsätzlich geldwäscheverdächtig.

Im Vorfeld der Maßnahme war mit der Anwaltschaft und ihren Verbänden überhaupt nicht gesprochen worden. Große Bereitschaft der Kreditwirtschaft und des Bundesfinanzministeriums in Gespräche einzusteigen, gab es nicht. Daher entschied sich die Satzungsversammlung der Anwaltschaft, die auch für die Ausformulierung der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zuständig ist, die einschlägige Vorschrift in § 4 BORA zu ändern.

Über Sammelanderkonten dürfen zukünftig keine Zahlungen abgewickelt werden, bei denen Risiken in Bezug auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung angenommen werden. Deswegen werden seit 1. Juni 2023 Zahlungen aus geldwäscherelevanten Geschäften ausgeschlossen, etwa Immobilien- und Unternehmenstransaktionen, Bareinzahlungen jenseits von 1.000 Euro und Zahlungseingänge aus bestimmten Risikoländern ebenso wie Überweisungen in diese Länder. Ob es solche Zahlungen wirklich gab, weiß bis heute niemand.

Nachdem die Regelung gut eineinhalb Jahre in Kraft war, gab es plötzlich Überlegungen, einen neuen § 73a BRAO zu schaffen, der die Rechtsanwaltskammern verpflichten sollte, Sammelanderkonten anlasslos zu kontrollieren und die Einhaltung des § 4 BORA zu überprüfen. Die Gesetzänderung sollte in das geplante Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Rechtsanwaltsordnung aufgenommen werden. Doch die Idee stieß auf erheblichen Widerstand der Anwaltschaft (und führte dazu, dass der Entwurf der Vorschrift wieder aus dem Gesetzgebungsvorhaben verschwand). Aufgegriffen wurde dies sehr anschaulich in der Bundestagssitzung vom 4. Juli 2024 (Sitzungsbericht Seite 23592 ff.), in der auch die Regierungspartei FDP es begrüßte, dass es keine Regelung zu den Sammelanderkonten geben werde.

Doch wie sieht es mit heute mit Sammelanderkonten aus?

Eine Anfrage des Autors an die drei Spitzenverbände, den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, den Bundesverband Deutscher Banken und des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken wurde eher ausweichend beantwortet:

Die drei Verbände gaben in einer gemeinsamen Stellungnahme an, dass jetzt – bei Einhaltung des § 4 BORA – Sammelanderkonten zulässig seien. Doch die Praxis bei Banken und Sparkassen scheint weiterhin nicht einheitlich zu sein. "Das ist sehr unterschiedlich und richtet sich nach der jeweiligen geschäftspolitischen Ausrichtung jedes Instituts, ob Sammeltreuhandkonten für Rechtsanwälte angeboten werden", heißt es in der Antwort. Und auch Zahlen dazu, wie viele Sammelanderkonten es in Deutschland gibt, haben die Verbände nicht.

Dagegen sehen sie die Regelung in § 4 BORA als ausreichend an. Ob es eine allgemeine Überwachung der Sammelanderkonten durch wen auch immer geben müsse, müsse der Gesetzgeber entscheiden, heißt es in der Stellungnahme.

Dies bedeutet insgesamt für die Anwaltschaft: Das Sammelanderkonto ist weiterhin zulässig und wird von verschiedenen Kreditinstituten auch angeboten. Eingehalten werden müssen nur die Voraussetzungen des § 4 BORA, davon darf man in der Anwaltschaft eigentlich ausgehen.

Wem also sein Sammelanderkonto gekündigt wurde, der sollte das Gespräch mit seiner Hausbank suchen oder aber nach einer anderen Bank mit dem entsprechenden Angebot suchen. Dies macht zwar Arbeit, aber das Sammelanderkonto erleichtert den Zahlungsverkehr in der Kanzlei doch erheblich.

Redaktion beck-aktuell, Martin W. Huff, 23. Juli 2024.