Kreditinstute kündigen Kanzleikonten aus Angst vor Geldwäsche
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Viele Banken und Sparkassen kündigen neuerdings Rechtsanwälten ihre Sammelanderkonten. Die Begründung: Geldwäsche-Risiken. Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein zeigen sich empört. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schreibt den Geldinstituten die Verantwortung zu – und wirft den Anwaltsorganisationen vor, sich bei einer öffentlichen Konsultation im Vorfeld dazu nicht geäußert zu haben.

Welle von Kontokündigungen

Der Shitstorm kam übers Wochenende und traf Verbände, Kammer sowie Aufsichtsbehörde völlig unvermittelt. Der Leipziger Rechtsanwalt Christoph R. Müller schimpfte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Die @DKB_de meint wohl auf RAe verzichten zu können und kündigt das #Sammelanderkonto mit unklarem Verweis auf #GWG und die #BaFin." Auch der Berliner Anwalt Christian Löffelmacher klagte: "Sammelanderkonten bei der @dkb_de sollen nun wegen Änderungen zum GwG und von Auslegungs- und Anwendungshinweisen der #BaFin nicht mehr möglich sein. Wg. § 4 BORA kann ich jetzt für jeden Schuldner ein extra Konto einrichten, das 5 Euro im Monat kostet." Der Kölner Anwaltsforscher Matthias Kilian reagierte schnell: "Gibt es da weitere Fälle in der Anwaltsbubble?", fragte er im Internet. "Ich höre auch, dass von hiesiger Sparkasse Anwaltskonten gekündigt werden. Habe es mal anrecherchiert, beruht wohl auf Disput BaFin - Kreditwirtschaft mit Kollateralschaden Anwaltschaft." Aus allen Ecken der Republik folgten Stimmen, die berichteten, in ihrer eigener Kanzlei die gleiche Erfahrung mit Banken und Sparkassen gemacht zu haben oder von Kollegen genau dies gehört zu haben. Andere hingegen wussten dies nicht zu bestätigen. Aufgeworfen wurde zudem die Frage, ob DAV und BRAK sich im Vorfeld einer Konsultation der BaFin zu dem Thema verweigert hatten oder gar nicht erst gefragt worden waren.

BRAK sieht sich übergangen

Wie die Kammer der NJW auf Anfrage erläuterte, sei Hintergrund der Kündigungen, dass die BaFin neue Auslegungs- und Anwendungshinweise erlassen habe. Die befassten sich in Ziff. 7 auch mit Sammelanderkonten. "Die BRAK ist hierzu weder angehört, kontaktiert oder sonst beteiligt worden", versicherte deren Sprecherin. Die Kammer sei von der BaFin nicht einmal über den Erlass informiert worden. "Dies ist unerfreulich, mag seine Ursache allerdings darin haben, dass Verbändeanhörungen im Wesentlichen im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren erfolgen." Gleichwohl wären eine bessere Informationspolitik und vor allem mehr Transparenz absolut wünschenswert, so die Sprecherin. Doch vor allem: Nach BRAK-Auffassung bedingten die "Auslegungshinweise" keineswegs die Kündigung von (Sammel-) Anderkonten. "Die jetzt von einigen Banken eingeschlagene Richtung halten wir insofern für kritisch und höchst problematisch, als Anwälte und Anwältinnen auf Anderkonten angewiesen sind, um sich rechtskonform zu verhalten." Um die Kolleginnen und Kollegen in dieser prekären Situation zu unterstützen, werde man sich mit Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium in Verbindung setzen.

DAV verlangt Korrekturen

DAV-Vize Martin Schafhausen sagte der NJW auf Anfrage: "Die Änderung der Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz durch die BaFin erschwert die Einhaltung anwaltlicher Berufspflichten." Denn die Banken kennten die jeweiligen wirtschaftlich Berechtigten - sprich: Mandanten - nicht, weil eine Offenbarung dem anwaltlichen bzw. notariellen Berufsgeheimnis widerspräche: "Bisher war das unproblematisch, mit der letzten Änderung wurde diese Privilegierung jedoch gestrichen." Das Führen von Sammelanderkonten müsse - im berufsrechtlich zulässigen Umfang - auch unter Berücksichtigung der Auslegungshilfen der Finanzaufsicht möglich sein. "Wir sind noch dabei, den Sachverhalt aufzuklären. Doch was aus aktueller Sicht am sinnvollsten erscheint, ist eine erneute Änderung der Auslegungshinweise zu erreichen - dafür setzen wir uns ein."

EU-Geldwäscherichtlinie steckt dahinter

Juraprofessor Kilian hat derweil weiter geprüft, was da geschehen ist. "Das Ganze beruht wohl auf der ,Ersten Nationalen Risikoanalyse (NRA) zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung' aus 2018/2019 und den Forderungen der Bankwirtschaft, einen Besonderen Teil ,Kreditinstitute' der BAFin-Auslegungs- und Anwendungshinweise (AuA) zum GwG einzuführen", berichtete er heute mittag auf Twitter mit gründlichen Quellenhinweisen. Mit der NRA habe Deutschland die Vorgaben nach Art. 7 der 4. EU-Geldwäsche-RL umgesetzt. Danach müsse jeder Mitgliedstaat angemessene Schritte unternehmen, um die für ihn bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu ermitteln. "Im Rahmen der NRA sind Rechtsanwälte als ,hohes Risiko' eingestuft worden, allerdings nur aufgrund der Geldwäscheproblematik bei Immobilientransaktionen." Dort heiße es: "Ein besonderes Geldwäscherisiko ist mit Treuhand- und Anderkonten verbunden, insbesondere im Zusammenspiel mit Barzahlungen. Diese Praxis ist insbesondere unter Rechtsanwälten verbreitet." Die BaFin hat laut Kilian – trotz der GwGMeldV Immobilien, die dieses spezifische Problem adressiere – in ihren neuen AuA das Kind gleichsam mit dem Bade ausgeschüttet und zwinge offenbar die Banken nun dazu, bei einem risikoaversen Compliance-Ansatz Rechtsanwälte als hohes Risiko zu bewerten. Eine "pikante Note" nennt er, dass nun auf einmal Anwaltschaft und Legal Tech-Branche in einem Boot säßen. Denn die Konsequenzen träfen Legal Tech-Inkasso-Rechtsdienstleister genau so stark, da sie seit 1.10.2021 zwingend Anderkonten unterhalten müssten (§ 13g RDG).

BaFin: Anwaltsorganisationen haben sich nicht geäußert

"Ein allgemeines Verbot der Führung von Sammeltreuhandkonten für Anwälte oder eine Verpflichtung, diese Konten grundsätzlich zu kündigen, gibt es nicht", versicherte die BaFin der NJW. Die Aufsichtsbehörde habe im Rahmen ihrer Auslegungs- und Anwendungshinweise (Besonderer Teil für Kreditinstitute) die Anforderungen an die Führung solcher Konten unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Ersten Nationalen Risikoanalyse konkretisiert. "Die Konsultation der Auslegungs- und Anwendungshinweise erfolgte öffentlich, weder die Bundesrechtsanwaltskammer noch der Deutsche Anwaltverein haben hierzu eine Stellungnahme abgegeben." Die Sprecherin erklärte: "Die Entscheidung, solche Konten nicht länger zu führen, ist eine geschäftspolitische Entscheidung der Kreditinstitute." Der Bundesverband deutscher Banken konnte auf Anfrage noch keine inhaltliche Stellungnahme abgeben.

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 31. Januar 2022.