Der AfD-Politiker hat sich nach seiner Verurteilung wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen kritisch über die Meinungsfreiheit in Deutschland geäußert. "Wenn dieses Urteil Bestand hat, ist die Meinungsfreiheit in Deutschland tot", schrieb Höcke am Dienstagabend auf Englisch auf X und verlinkte auf einen Medienbericht über den Prozess gegen ihn.
Das LG Halle hatte zuvor entschieden, dass Höcke 100 Tagessätze zu je 130 Euro zahlen muss. Der 52-Jährige hatte in dem Prozess die Vorwürfe zurückgewiesen, eine verbotene Parole der SA (Sturmabteilung) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wissentlich verwendet zu haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision ist innerhalb einer Woche möglich. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, gilt Höcke als vorbestraft.
Höcke hatte bei einer Rede im Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg gesagt: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland". Beim dritten Teil des Dreiklangs handelt es sich um eine verbotene Nazi-Losung. Der Politiker hatte erklärt, er habe um die Bedeutung und Herkunft der Worte nicht gewusst.
Das Gericht glaubte Höcke diesbezüglich nicht: Es zeigte sich davon überzeugt, dass Höcke wusste, dass die SA-Parole verboten ist, und sie trotzdem verwendet habe. "Sie sind ein redegewandter, intelligenter Mann, der weiß, was er sagt", sagte der Vorsitzende Richter Jan Stengel in der Urteilsverkündung. Der Deckmantel der Meinungsfreiheit sei von dem Angeklagten "stark strapaziert worden". Auch war das Gericht der Auffassung, die Entscheidung zur Verwendung des Spruchs sei spontan gewesen, "nach dem Motto: Mal gucken, wie weit ich gehen kann."
Staatsanwaltschaft und Verteidigung prüfen Rechtsmittel
Die Staatsanwaltschaft, die im Juni 2023 Anklage erhoben hatte, kündigte nach der Urteilsverkündung an, Rechtsmittel zu prüfen. In seinem Schlussvortrag hatte Staatsanwalt Benedikt Bernzen eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten sowie eine Geldstrafe über 10.000 Euro für Höcke gefordert. Höckes Anwalt Ralf Hornemann sagte am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, noch sei nicht entschieden, ob er und seine Kollegen Revision einlegten. Höcke war vor dem LG Halle von insgesamt drei Anwälten vertreten worden, die seinen Freispruch gefordert hatten. Einer von ihnen hatte schon am Dienstag vor der Urteilsverkündung erklärt, die Verteidigung werde "die Sache nach ganz oben treiben", sollte gegen Höcke eine Strafe verhängt werden.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, bezeichnete Höcke nach dem Urteil als gefährlich. "Björn Höcke ist ein Faschist und lügt wie gedruckt – er ist brandgefährlich", schrieb sie am späten Dienstagabend auf X. Seine Aussagen, als Historiker nichts von der SA-Losung gewusst zu haben, seien vom Gericht als faule Ausreden entlarvt worden.
Der Grünen-Politiker Sebastian Striegel, der die Anzeige gegen Höcke erstattet hatte, begrüßte das Urteil. "In dem Urteil zeigt sich der wache und handlungsfähige Rechtsstaat, den wir brauchen", sagte er dem Nachrichtenportal "t-online". Er habe nicht ertragen wollen und werde nicht ertragen, dass auf den Straßen meiner Heimatstadt SA-Parolen erschallen. "Und Herr Höcke wird wegen ähnlicher Taten erneut vor Gericht stehen. Dann sind mögliche Gesamtstrafen zu bilden, die auch zu einer Haftstrafe führen können."
Weitere Anklagen gegen Höcke
Der Politiker wird voraussichtlich auf die Anklagebank in Halle zurückkehren müssen, weil er im Dezember vergangenen Jahres die Parole "Alles für Deutschland" noch einmal bei einem Auftritt in Gera verwendet haben soll. Dort soll er laut Anklage als Redner den ersten Teil "Alles für" selbst gesprochen und dann das Publikum durch Gesten animiert haben, "Deutschland" zu rufen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Anzeige wegen der Rede in Merseburg und die Ermittlungen längst Thema in den Medien. Am LG Mühlhausen in Thüringen wurde zudem eine Anklage gegen ihn wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Termine gibt es für beide Verhandlungen bislang nicht.
Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet, Höcke ist ihr Landeschef. Direkte Folgen für seine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September hat das jetzige Urteil nicht.