Freispruch für auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B.
© dpaPool / Moritz Frankenberg

Der auch im Fall Maddie mordverdächtige Christian B. ist vom LG Braunschweig vom Vorwurf mehrerer schwerer Sexualstraftaten freigesprochen worden. Der 47-jährige Deutsche bleibt aber im Gefängnis, weil er noch bis September 2025 eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung absitzt.

Nach 38 Verhandlungstagen vor der Strafkammer im niedersächsischen Braunschweig sprachen die drei Berufsrichter und zwei Schöffen den Angeklagten frei. Viele Prozessbeobachter hatten mit diesem Ausgang gerechnet, nachdem die Kammer im Juli auf Antrag der Verteidigung den Haftbefehl gegen den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter aufgehoben hatte. Nach der Aufhebung war die Staatsanwaltschaft mit einem Befangenheitsantrag gegen drei Richter gescheitert.

Das Braunschweiger Verfahren stand im Fokus internationaler Medien, weil der Angeklagte auch im Fall der verschwundenen dreijährigen Madeleine "Maddie" McCann unter Mordverdacht steht. Der Maddie-Komplex ist aber nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Die Ermittlungen dazu gehen weiter, eine Anklage ist bisher aber nicht absehbar.

Gericht: "Lügende Zeugen"

Mit ihrem Urteil folgte die Kammer im Wesentlichen den Forderungen der Verteidigung (Urteil vom 08.10.2024 - 2 KLs 213 Js 52790/18 (15/22)). "Das, was wir an Beweisen hatten, hat für eine Verurteilung des Angeklagten nicht gereicht", sagte die Vorsitzende Richterin Uta Engemann und weiter: "Wir haben es mit unzuverlässigen, mit zum Teilen das Gericht bewusst anlügenden Zeugen zu tun gehabt." Darauf könne die Kammer kein Urteil stützen. Weiter argumentierte sie, dass Zeugen durch die Berichterstattung über Christian B. in ihren Aussagen beeinflusst wurden. Der Angeklagte sei in den Medien "als Sexmonster und Kindermörder stilisiert worden".

Die Vorsitzende Richterin schilderte in der Urteilsbegründung ausführlich die Widersprüche in den Aussagen der beiden Zeugen, die Videos von zwei der drei angeklagten Vergewaltigungen gesehen haben wollen. Beide hätten in ihren polizeilichen Vernehmungen im vorherigen Vergewaltigungs-Prozess 2019 und als Zeugen im aktuellen Prozess in vielen Punkten völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Die beiden Opfer wurden bis heute nicht gefunden.

Dem Opfer der dritten Vergewaltigung, die vor dem Gericht aussagte, glaubte die Kammer zwar die Tat - nicht aber, dass sie den Angeklagten nur anhand der Augenfarbe wiedererkennen könne. Christian B. nahm den Freispruch ohne äußerliche Regungen auf. Er trug ein weißes Hemd und wie schon an den vorherigen Verhandlungstagen ein zerknittertes graues Jackett.

Staatsanwaltschaft forderte 15 Jahre Haft

Christian B. waren zum Prozessauftakt im Februar drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern in Portugal vorgeworfen worden. Nach dem Ende Beweisaufnahme blieb die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen bei ihrer Überzeugung. Sie hielt zwei der Vergewaltigungen und die zwei Missbrauchsfälle für nachgewiesen und forderte insgesamt 15 Jahre Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. In diesem Fall hätte B. nicht nach Verbüßung der Haft entlassen werden können.

Die Verteidigung hatte am Montag einen Freispruch gefordert. B.s Rechtsanwälte argumentierten damit, dass Beweise fehlten und Zeugen nicht glaubwürdig seien. Der Angeklagte hatte am vorletzten Prozesstag die Möglichkeit zu einem letzten Wort, äußerte sich aber nicht. Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft für den Fall eines Freispruchs eine Revision angekündigt.

LG Braunschweig, Urteil vom 08.10.2024 - 2 KLs 213 Js 52790/18 (15/22)

Redaktion beck-aktuell, js, 8. Oktober 2024 (dpa).