B. muss sich derzeit vor dem Landgericht Braunschweig verantworten, weil die Staatsanwaltschaft dem gebürtigen Würzburger fünf schwere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorwirft. Konkret geht es um drei Vergewaltigungen sowie zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern in Portugal zwischen 2000 und 2017.
Die Kammer verneinte den dringenden Tatverdacht hinsichtlich sämtlicher Anklagevorwürfe, wie das Gericht weiter mitteilte. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat. Das sieht das Gericht nun nicht mehr so. Damit liegt bis auf Weiteres nur noch ein hinreichender Tatverdacht vor, der für die Anklage und den Prozess notwendig ist. Bei einem hinreichenden Tatverdacht hält die Kammer eine Verurteilung weiterhin für wahrscheinlicher als einen Freispruch.
Nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme könne der Haftbefehl keinen Bestand mehr haben, sagte Verteidiger Friedrich Fülscher vor der Prüfung durch die Kammer zur Begründung. Schon zum Auftakt des Prozesses hatte der Anwalt angekündigt, sein Mandant sei aus seiner Sicht von allen Anklagepunkten freizusprechen.
Mit dem Antrag zur Aufhebung des Haftbefehls wollten die Verteidiger von Christian B. nun einen Zwischenstand zum bisherigen Verfahren von der Strafkammer einfordern. Denn: Auf seine Haft hat die Entscheidung keine Auswirkung. Wegen einer Verurteilung in einem anderen Verfahren 2019 verbüßt B. derzeit eine siebenjährige Haftstrafe. Damals wurde ihm die Vergewaltigung einer 72 Jahre alten US-Amerikanerin 2005 in Portugal nachgewiesen.
Ereignisreiches Verfahren
Die Entscheidung der Kammer wurde mit Spannung erwartet. In den vergangenen Wochen war der Prozess nur schleppend voran gekommen. In der bisher letzten Verhandlung Ende Juni gab es keine nennenswerten neuen Entwicklungen. Zuvor waren mehrere Prozesstermine wegen der Erkrankung einer Schöffin ausgefallen. Außerdem war der Prozess im Februar vertagt worden, weil eine Schöffin einen Mordaufruf gegen B. in den sozialen Medien lanciert hatte.
In den mittlerweile mehr als 20 Verhandlungstagen wurden zu allen mutmaßlichen Taten Zeugen gehört - teils aufwendig mit Dolmetscher und per Video-Schalte nach Portugal. Viele Fragen bleiben bisher aber offen. Für das Urteil dürfte die Glaubwürdigkeit der Aussagen eine große Rolle spielen.
Der nächste Verhandlungstermin ist am 5. Juli. Der Angeklagte selbst hat sich in dem Verfahren bisher nicht geäußert. Zwischen der Strafkammer, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung kommt es hingegen immer wieder zu heftigen Wortgefechten.
Prozess kann auch für Fall Maddie eine Rolle spielen
Großes Interesse erweckt das Verfahren vor allem, weil der Angeklagte auch im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Madeleine McCann unter Mordverdacht steht. Der Maddie-Komplex ist offiziell nicht Gegenstand des Verfahrens. Für viele Beobachter ist der aktuelle Prozess aber auch eine Art Testverfahren vor einer möglichen Anklage im Fall Maddie.
Kommt es zu einem weiteren Prozess gegen Christian B., dürften wichtige Zeugen erneut in Braunschweig vernommen werden. Ihre Glaubwürdigkeit steht deshalb schon jetzt so sehr im Fokus. Die Ermittlungen zum Verschwinden der dreijährigen Britin Madeleine McCann im Mai 2007 aus einer Ferienanlage im portugiesischen Praia da Luz an der Algarve dauern an.