VW hatte den 61-jährigen Kläger, der seit 2002 in Wolfsburg als freigestelltes Mitglied im Betriebsrat sitzt, im Februar 2023 rückwirkend ab Oktober 2022 um zwei Entgeltgruppen heruntergestuft und das Gehalt laut Betriebsrat um rund 650 Euro pro Monat gekürzt. Das sei unzulässig gewesen, urteilte nun das LAG (Urteil vom 08.02.2024 - 6 Sa 559/23). Es schloss sich damit dem ArbG Braunschweig an, gegen dessen Entscheidung VW Berufung eingelegt hatte.
Nach BGH-Urteil: Arbeitsrechtliches Gebot wird zu strafrechtlichem Risiko
Hintergrund ist ein Urteil des BGH von Anfang des vergangenen Jahres. Dessen Strafsenat hatte Freisprüche für vier frühere VW-Personalmanager gekippt, denen vorgeworfen worden war, Betriebsräten zu hohe Gehälter bewilligt zu haben. Die Strafrichter verwarfen die auch in anderen Unternehmen übliche Praxis für Gehaltssteigerungen bei langjährigen Arbeitnehmervertretern. Sie setzen strengere Regeln an als das BAG, an dem sich die Arbeitsgerichte orientieren. Das, so ein Sprecher des Betriebsrats, habe zur Folge: "Arbeitsrechtlich ist etwas geboten, was gleichzeitig strafrechtlich im Risiko stehen kann."
Um sich nicht strafbar zu machen, hatte VW nach dem BGH-Urteil mehreren Betriebsräten die Gehälter gekürzt. Viele zogen dagegen vor Gericht. Laut Betriebsrat gab es allein bei Volkswagen bisher 38 Urteile in erster Instanz, von denen 36 zugunsten der klagenden Betriebsräte ausgingen. Nur in zwei Fällen habe VW gewonnen. Weitere Verfahren gab es bei Konzerntöchtern wie Porsche. Dort hatte erst am 2. Februar der Leipziger Betriebsratsvorsitzende Knut Lofski vor dem ArbG Leipzig gewonnen. Das Verfahren vor dem LAG in Hannover war laut VW-Betriebsrat nun die erste Entscheidung in der zweiten Instanz. Ein weiteres Berufungsverfahren ist für den 18. Februar abgesetzt, ebenfalls in Hannover. Weitere sind laut Gericht bereits anhängig.
Richterin hofft auf Klärung durch BAG
Das Urteil des BGH habe für viel Verunsicherung gesorgt, sagte auch die Vorsitzende Richterin Karola Klausmeyer, die über das erste Berufungsverfahren entschied. Es sei weiter streitig, welche Auswirkungen das auf die Rechtsprechung des BAG habe. Die Richterin ließ daher ausdrücklich eine Revision zu. "Das BAG sollte die Gelegenheit haben, sich dazu zu positionieren, insbesondere mit Blick auf das, was der BGH dazu sagte." Und fügte nach ihrem Urteil hinzu: "Ich bin gespannt, was das BAG daraus macht."
Dem Kläger kam im verhandelten Fall zugute, dass VW ihm 2015 tatsächlich eine Stelle angeboten hatte, die seiner jetzigen Bezahlung entsprochen hätte. "Und das war kein Fake-Angebot", erklärte die Vorsitzende Richterin. "Er hätte die Stelle auch bekommen." Es sei daher korrekt gewesen, ihn danach auch als Betriebsrat so zu bezahlen. Für die Zurückstufung durch VW habe es keinen Grund gegeben.
VW machte zunächst keine Angaben, ob es gegen das Urteil in Revision gehen werde. "Zunächst werden wir die schriftliche Urteilsbegründung zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sorgfältig prüfen, um über etwaige weitere juristische Schritte zu entscheiden", erklärte ein Konzernsprecher auf Anfrage der dpa. Grundsätzlich begrüße Volkswagen aber "die arbeitsgerichtlichen Klärungen, da Reichweite und Grenzen der Entscheidung des BGH-Strafsenats auf diesem Wege durch die Arbeitsgerichte als zuständige Fachgerichtsbarkeit eingeordnet werden", fügte er hinzu.
Zwar deuteten die bisherigen Urteile darauf hin, dass die Arbeitsgerichte die bisherige Praxis weiter für zulässig erachteten. Da es sich aber jeweils um Einzelfälle handle, könne daraus noch keine grundsätzliche Klärung abgeleitet werden, so der Sprecher. "Eine rechtliche Grundsatzklärung steht leider weiterhin aus."