Seit Jahrzehnten verstoße Israel bewusst gegen internationales Recht, sagte Riad al-Maliki am Montag vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag. "Die Kraft des Rechts muss siegen." Die UN-Generalversammlung hatte 2022 ein Rechtsgutachten des Gerichtshofes beantragt. Es soll prüfen, inwieweit die 57 Jahre dauernde Besatzung legal ist und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Das Gutachten ist zwar nicht bindend, kann aber den internationalen Druck auf Israel im aktuellen Gaza-Krieg weiter erhöhen.
Nach Auffassung der Rechtsvertreter Palästinas verstößt Israel seit 1967 gegen internationales Recht, indem es breite Streifen Land annektiert habe und den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht nicht zugestehe. Insgesamt beteiligen sich 52 Staaten und drei internationale Organisationen an der auf sechs Tage angesetzten Anhörung - eine Rekordzahl in der Geschichte des Gerichts. Israel selbst will nicht das Wort ergreifen, aber schriftlich Stellung nehmen. Bis das Gutachten vorgelegt wird, kann es Monate dauern.
Bei dieser Anhörung geht es nicht um den aktuellen Krieg im Gazastreifen, sondern die Besatzung beziehungsweise Kontrolle Israels über das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Die Vereinten Nationen hatten Palästina 2012 den Status als Beobachterstaat eingeräumt. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt.
Eilantrag Südafrikas im Völkermord-Verfahren abgewiesen
Die Anhörung ist auch losgelöst vom Völkermord-Verfahren, das Südafrika gegen Israel wegen des Gaza-Krieges angestrengt hatte. In diesem Verfahren hatten die höchsten Richter Ende Januar in einem Zwischenentscheid Israel aufgetragen, alles zu tun, um Tod, Zerstörung und Völkermord im Gazastreifen zu verhindern. Südafrika wirft Israel die Verletzung der Völkermordkonvention vor. Israel weist die Vorwürfe entschieden zurück. Nachdem Israel vor Kurzem eine Militäroffensive in Rafah angekündigt hatte, stellte Südafrika Anfang der vergangenen Woche einen Eilantrag. Das Weltgericht solle die Rechtmäßigkeit dieser Operation prüfen und klären, ob diese nicht gegen die Anordnung von Ende Januar verstoße.
Am Freitag wies der IGH den Eilantrag zurück. Er erachtete seine an Israel im Januar ergangene Aufforderung für ausreichend. Zusätzlicher Maßnahmen bedürfe es nicht. Die Aufforderung müsse Israel unverzüglich und wirksam umsetzen. Sie habe Geltung für den gesamten Gazastreifen, einschließlich Rafah. Der IGH hatte Israel aufgegeben, einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern und alles in seiner Macht Stehende zu tun, um das Leben der Palästinenser zu schützen. Israel muss auch mehr humanitäre Hilfe zulassen.
In Rafah unmittelbar an der ägyptischen Grenze drängen sich auf engstem Raum 1,3 Millionen Menschen zusammen. Die meisten von ihnen sind aus anderen Teilen des Gazastreifens geflohen, um dort unter schwierigsten Bedingungen Schutz vor dem Krieg zu suchen. Israel beteuert, vor Beginn einer Militäroffensive die Menschen in Sicherheit bringen zu wollen. Verbündete des jüdischen Staates wie die USA und Deutschland machten zuletzt deutlich, dass sie Israel von einem großangelegten militärischen Vorgehen in Rafah entschieden abraten. Die Vereinten Nationen haben für den Fall einer solchen Offensive vor einer humanitären Katastrophe größten Ausmaßes gewarnt. Auslöser des Gaza-Kriegs war ein beispielloser Überfall der Terrororganisation Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober 2023 auf den Süden Israels.