Schon seit Mittwoch haben die neuen Ministerinnen und Minister jeweils eine Stunde Redezeit im Bundestag, um ihr Jahresprogramm vorzustellen und sich den Fragen der Fraktionen zu stellen. Am Freitag war Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) an der Reihe. Sie legte den Fokus auf einen erneuerten Pakt für den Rechtsstaat, effektiven Gewaltschutz on- und offline sowie die Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Demokratie. Bei der Migration sei sie mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt auf einer Linie.
Drei Säulen für eine starke Justiz
"Die Demokratie in Deutschland steht vor Herausforderungen." Bevor die neue Justizministerin mit ihrer rechtspolitischen Agenda "ans Eingemachte" ging, nutzte sie die Gelegenheit einer ihrer ersten Reden im Bundestag, um die Bedeutung des Rechtsstaats und der Rechtspolitik hervorzuheben. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe Deutschland seine "zweite Chance" gut genutzt und fest auf dem Boden der Verfassung gestanden. Kräfte, die gegen den Rechtsstaat, gegen unabhängige Gerichte und ein geeintes Europa arbeiteten, werde man entschieden bekämpfen. Es gelte, Probleme zu lösen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Rechtspolitische Themen werde sie "ernsthaft und wachsam" angehen. "Es ist unsere Aufgabe, die Herausforderungen zu meistern", so Hubig.
Dafür sei es entscheidend, dass die Justiz stark sei, denn das bedeute auch eine Stärkung der Demokratie. Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz versprach, den Bundesländern im Rahmen des Pakts für den Rechtsstaat unter die Arme zu greifen, und nannte drei zentrale Ansatzpunkte: Die Modernisierung der Verfahrensordnungen, die zu deutlich kürzeren Verfahren führen solle, mehr Personal und Unterstützung bei der Digitalisierung. In diesem Zusammenhang erwähnte sie auch die Erprobung von Online-Verfahren, die sie weiter vorantreiben wolle. Den Strafverfolgungsbehörden widmete Hubig ebenfalls Redezeit. Es gelte, sie mit den Mitteln und Befugnissen auszustatten, die nötig seien, "um ihre Arbeit tun zu können". Dabei, so die Ressortchefin, werde die Rechtsstaatlichkeit stets hochgehalten.
Gewaltschutz zentral – Tempo bei der Mietpreisbremse
Hubig ging ferner auf den Anstieg von Gewaltdelikten in Deutschland ein, insbesondere die Zunahme häuslicher Gewalt und von Gewalt gegen Frauen. Prävention und Gewaltschutz würden demnach zentrale Themen ihrer Rechtspolitik sein. Es gelte, Opfer effektiv schützen, im öffentlichen Raum wie auch im Internet oder beim Rettungseinsatz. Dabei verortete sie das Thema Gewaltprävention aber nicht nur im Strafrecht. "Wir werden uns darum kümmern, dass häusliche Gewalt im Sorge- und Umgangsrecht berücksichtigt wird", stellte Hubig klar.
Als dritten wichtigen Aspekt machte sie – wenn auch nur kurz – das Mietrecht zum Thema. Weil die Regelungen zur Mietpreisbremse Ende des Jahres auslaufen, versprach sie bei einer Neuregelung Tempo. Eher stichwortartig sprach Hubig weitere Themen an, die ihrer Ansicht nach eine wichtige Rolle in der Rechtspolitik der nahen Zukunft spielen werden, unter anderem Reformen im Familien- und Urheberrecht. Eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen werde das BMJV vorschlagen und die internationale justizielle Zusammenarbeit stärken. "Die Welt hat sich verändert und so muss sich auch das Recht verändern", schloss Hubig: "Unser Land braucht neue Erfahrungen des Gelingens, (…) dazu möchte ich beitragen."
Hubig streift Migrationsdebatte und Verbraucherschutz
Etwas stiefmütterlich behandelte sie in ihrer Rede den Verbraucherschutz, der nun wieder in ihrem Ministerium verortet ist. Geplant sei etwa der Schutz von Verbrauchern bei telefonischen Abo-Verträgen. Insgesamt solle das Leben der Bürgerinnen und Bürger bezahlbarer und gerechter werden.
Ebenfalls nur kurz streifte Hubig das Thema Migration. In ihrer noch kurzen Amtszeit hat die neue Bundesregierung hier bereits deutlich den Ton verschärft. Innenminister Dobrindt, der kurz vor Hubig im Bundestag gesprochen hatte, hat zuletzt umstrittene Zurückweisungen an den Grenzen angeordnet und dafür im Parlament einige Kritik vonseiten der Opposition geerntet – auch wegen einem Kommunikations-Chaos zwischen ihm und Kanzler Friedrich Merz (CDU). Hubig konnte das Thema also nicht gänzlich ausschweigen und sagte knapp: "Es geht um die Besserung der Lage mit rechtsstaatlichen Mitteln. Da bin ich mir mit dem Bundesinnenminister einig."
Was Hubig nicht sagt: Anwälte kommen nicht vor
Die Vorstellung des Jahresprogramms und die darauffolgende Debatte sind immer auch eine Gelegenheit für die Parteikollegen, neue Minister zu beglückwünschen und willkommen zu heißen. Das taten Vertreterinnen und Vertreter der CDU und SPD und nutzten die Chance, selbst noch einige Punkte anzubringen, die ihnen rechtspolitisch wichtig sind.
So nannte Günter Krings (CDU) den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch mittels Speicherung von IP-Adressen und die Verschärfung des Strafrechts im Hinblick auf Vergewaltigung und Nachstellung. Sonja Eichwede (SPD) nannte ein umfassendes Gewaltschutzgesetz und Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) thematisierte die Resilienz der Gerichte – insbesondere des BVerfG. Carsten Müller (CDU) appellierte an Hubig, das Thema Betreuervergütung anzugehen und den Rechtsstandort Deutschland zu stärken. Von der Linken (Aaron Valent) kam der Wunsch, das LkSG beizubehalten.
Doch auch die Opposition meldete sich zu Wort und wies auf Punkte hin, die aus ihrer Sicht in Hubigs Agenda zu kurz kommen. So machte Helge Limburg (die Grünen) die neue Ministerin auf einen Akteur in ihrem Ressort aufmerksam, der in ihrer Rede keinerlei Erwähnung gefunden hatte: die Anwältinnen und Anwälte. Hier sei die im Koalitionsvertrag geplante Streichung eines gesetzlich verankerten Rechtsbeistands für Asylsuchende eine Rolle rückwärts: "Sie wären die erste Ministerin, die anwaltlichen Schutz wieder zurückdreht – ein Armutszeugnis", sagte Limburg. Die Arbeit von Anwälten solle endlich angemessen wertgeschätzt werden.