Hessen fordert Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Kriminalität

Das Land Hessen fordert eine europarechtskonforme IP-Adressdatenspeicherung, um den Schutz vor schweren Straftaten wie Kindesmissbrauch zu verbessern. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) präsentierte am Freitag in Frankfurt eine entsprechende Bundesratsinitiative und kritisierte das von der Ampelregierung angestrebte "Quick Freeze"-Verfahren.

"Bei Straftaten, die im Internet begangen werden, stellt die IP-Adresse regelmäßig den effektivsten, schnellsten und oft auch einzigen Ermittlungsansatz dar", sagte Rhein. Ohne die beabsichtigte IP-Adressdatenspeicherung sei eine Strafverfolgung vor allem von Kinderpornografie, aber auch von Hate Speech sehr oft nicht möglich.

Der Gesetzentwurf zielt auf eine anlasslose, auf einen Monat begrenzte Mindestspeicherung von IP-Adressen ab. Die Spielräume dafür habe der EuGH eröffnet, so Rhein. Das von der Berliner Ampelregierung kürzlich beschlossene "Quick Freeze"-Verfahren sei "bei weitem nicht ausreichend" für die Verfolgung schwerer Kriminalität, ist er sich mit Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) einig.

Bereits am Donnerstag hatte auch die Innenministerkonferenz (IMK) das geplante Verfahren kritisiert und ein Umdenken des Bundesjustizministers gefordert. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) wandte sich als Vorsitzender der IMK an Buschmann und kritisierte, das Quick-Freeze-Verfahren könne den anhaltenden Kindesmissbrauch nicht stoppen, weil keine Daten auf Vorrat gespeichert werden könnten. Die Bundesregierung schöpfe die Möglichkeiten nicht aus, um Kinder davor zu schützen.

Kritik an Speicherung erst bei Verdacht auf schwere Straftat

Beim geplanten Quick-Freeze-Verfahren, für das Buschmann eintritt, werden die Daten erst dann gespeichert, wenn ein Verdacht auf eine Straftat erheblicher Bedeutung wie etwa Mord oder Totschlag besteht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und das Bundeskriminalamt hatten sich für eine neue rechtskonforme Regelung für eine anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten der Telekommunikation ausgesprochen. Vor kurzem einigte sich die Koalition dann aber auf das Quick-Freeze-Verfahren. Es geht bei der Regelung um eine Abwägung von Datenschutz-Gesichtspunkten und Befugnissen der Sicherheitsbehörden.

Die geplante Einführung von Quick Freeze widerspreche der einheitlichen fachlichen Einschätzung der Länder, sagte Stübgen. "Wir verzeichnen seit Jahren einen stetigen Anstieg im Bereich des Kindesmissbrauchs und der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte. Dass das Strafrecht allein nicht zur Abschreckung ausreicht, dürften die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle von Staufen, Bergisch-Gladbach, Lügde, Münster und Wermelskirchen in aller Deutlichkeit gezeigt haben." Auch der EuGH halte die Vorratsdatenspeicherung für notwendig, um die Identität eines Täters zu ermitteln, der Kinderpornografie erworben, verbreitet, weitergegeben oder im Internet bereitgestellt habe. Derzeit könnten jährlich viele Tausende Hinweise auf Missbrauchsdarstellungen von Kindern nicht weiterverfolgt werden, so der IMK-Vorsitzende.

Auch das Bundeskriminalamt war zu der Einschätzung gekommen: "Für die Identifizierung eines noch unbekannten Tatverdächtigen selbst bietet das Quick-Freeze-Verfahren keinen Nutzen, sofern die relevanten Daten zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nicht mehr oder unvollständig gespeichert sind." Wegen rechtlicher Unsicherheiten war die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt worden.

Laut EuGH dürfen Kommunikationsdaten von Bürgerinnen und Bürgern – das heißt, wer wann wo mit wem telefoniert, SMS oder E-Mails ausgetauscht hat – nicht ohne Anlass gespeichert werden. Eine gezielte und zeitlich begrenzte Speicherung der Daten ist aber bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität könne auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein, hielt der Gerichtshof im September 2022 fest.

Redaktion beck-aktuell, ew, 19. April 2024 (ergänzt durch Material der dpa).