Angriff auf Schulgebäude in Gaza: Was sagt das Völkerrecht?

Israel rechtfertigt seinen Angriff auf ein Schulgebäude im Gazastreifen: Das Gebäude sei von der Hamas für Attacken genutzt worden. Auch hier gilt: Das Völkerrecht differenziert von Fall zu Fall.

Das humanitäre Völkerrecht soll insbesondere Zivilisten bei Kampfhandlungen schützen. Wer weder Waffe noch Uniform trägt, darf nicht attackiert werden. Was einfach klingt, kann in der praktischen Beurteilung schwierig sein. Was gilt etwa dann, wenn Zivilisten von einer Konfliktpartei als Schutzschild missbraucht werden?

"Es ist verboten, Zivilpersonen als Schutzschild für militärische Ziele zu missbrauchen oder die Bewegungen der Zivilbevölkerung so zu lenken, dass sie militärische Ziele vor Angriffen abschirmen oder Kriegshandlungen decken", heißt es im Völkerrecht. Nach den Worten der Völkerrechts-Expertin der Universität Basel, Anna Petrig, ist der Einsatz von Zivilisten als Schutzschild eindeutig ein Kriegsverbrechen.

Israel wirft der islamistischen Hamas vor, zivile Objekte als Versteck oder Kommandozentralen und Zivilisten als lebende Schutzschilde zu missbrauchen. Damit erklärt es auch, dass unter den Opfern von Angriffen, die den Terroristen gelten, immer wieder auch Zivilisten sind.

Können auch Schulen ein legitimes Ziel sein?

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das über die Einhaltung des Völkerrechts wacht, erklärte in einem früheren Fall: "Ein Krankenhaus oder eine Schule kann jedoch ein legitimes militärisches Ziel sein, wenn es zu bestimmten militärischen Operationen des Gegners beiträgt und seine Zerstörung einen eindeutigen militärischen Vorteil für die angreifende Seite darstellt." Krankenhäuser und Schulen müssen nach humanitärem Völkerrecht geschützt werden, aber sie verlieren ihren Schutzstatus unter bestimmten Bedingungen: "Zum Beispiel, wenn ein Krankenhaus als Ausgangspunkt für einen Angriff, als Waffendepot oder als Versteck für gesunde Soldaten/Kämpfer genutzt wird", so das IKRK.

Zunächst einmal entbinden die Handlungen einer Partei die andere Konfliktpartei nicht von ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht, wie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, vor wenigen Monaten erklärte. In jedem Fall hängt es von den genauen Umständen ab, ob ein ziviles Ziel angegriffen werden darf, wenn sich dort militärische Kämpfer verstecken. Es muss abgewogen werden, ob der zu befürchtende Schaden im Verhältnis zum erhofften Ziel steht.

Aber was ist verhältnismäßig? Das wird in den Bestimmungen des internationalen Völkerrechts nicht definiert. Was nicht mehr verhältnismäßig wäre, können nur Gerichte feststellen, die alle Gesichtspunkte berücksichtigen. Dasselbe gilt für Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit: definitive Aussagen können nur Gerichte machen.

Konfliktparteien müssen alle Vorkehrungen treffen, um den Verlust von Menschenleben in der Zivilbevölkerung, die Verletzung von Zivilpersonen und die Beschädigung von zivilen Objekten zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört, dass Vorwarnungen ausgesprochen werden, wenn dies möglich ist, und ein Angriff abgebrochen wird, wenn sich herausstellt, dass er den Grundsätzen der Notwendigkeit, der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit nicht mehr entspricht.

Wie beurteilt das UN-Menschenrechtsbüro die Lage im Krieg zwischen der Hamas und Israel?

Es sei offensichtlich, dass einige Verantwortliche auf beiden Seiten die Tötung von Zivilisten entweder als akzeptablen Kollateralschaden oder als absichtliche und nützliche Kriegswaffe betrachteten, sagte Türk schon Ende 2023. "Dies ist eine humanitäre und menschenrechtliche Katastrophe. Sie stellt einen Zusammenbruch der grundlegendsten Achtung vor humanen Werten dar."

Ende Januar hatte der IGH entschieden, dass Israel seinen Militäreinsatz in Gaza zwar nicht aussetzen, aber mehr für den Schutz der dortigen Zivilbevölkerung unternehmen müsse. Im Mai ordnete er an, Israel müsse sein mi­li­tä­ri­sches Vor­ge­hen in Rafah umgehend einstellen.

Redaktion beck-aktuell, bw, 12. August 2024 (dpa).