Finanzwende: Gesetz gegen Bürokratie hilft Steuerbetrügern

Im Kampf gegen milliardenschweren Steuerbetrug fürchtet die Bürgerbewegung Finanzwende Rückschläge wegen Gesetzesplänen der Bundesregierung. Der Verein kritisiert das Bürokratie-Entlastungsgesetz IV, das unter anderem eine Senkung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre vorsieht.

Gerade Belege seien wichtige Beweismittel bei schweren Steuerdelikten wie Cum-Ex und Cum-Cum-Aktiendeals, warnte Finanzwende-Geschäftsführerin Anne Brorhilker. "Wenn das Gesetz so durchkommt, werden sehr viele Cum-Cum-Täter ungeschoren davonkommen, Milliarden an Steuergeldern sind dann unwiderruflich verloren." Als Oberstaatsanwältin in Köln hatte Brorhilker jahrelang selbst in Cum-Ex- und Cum-Cum-Fällen ermittelt, bevor sie den Staatsdienst im April verließ.

"Die Täter wissen sehr genau, welchen juristischen Sprengstoff sie in ihren Kellern und auf ihren Servern haben", sagte sie. "Sobald das Gesetz in Kraft ist, werfen die ihre Schredder an." Der Verein hat eine Kampagne gegen das Gesetz gestartet, dass am 26.September im Bundestag beschlossen werden soll. Bereits im Januar hatte der Verein dazu aufgefordert, schneller Cum-Ex-Gelder zurückzuholen.

Aufbewahrungsfristen kürzer als Verjährungsfristen

Bei Cum-Ex-Aktiengeschäften ließen sich Investoren einmal gezahlte Kapitalertragssteuern auf Dividenden mehrfach vom Staat erstatten. Dabei wurden Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag hin- und hergeschoben. Die Deals, die ihre Hochphase zwischen 2006 und 2011 hatten, kosteten den Fiskus geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro. Nur Teile davon haben die Finanzbehörden zurückgefordert. 2021 hatte der BGH die Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung gewertet. Seither werden nach und nach Angeklagte verurteilt, darunter der Steueranwalt Hanno Berger.

Cum-Cum-Geschäfte gelten als artverwandt und weiter verbreitet, aber als noch weniger aufgeklärt. Für diese Delikte seien die Verjährungsfristen wegen der komplexen Ermittlungen eigens von 10 auf 15 Jahre erhöht worden, sagte Brorhilker. "Es ist ohnehin unsinnig, dass die Aufbewahrungsfristen kürzer sind als die Verjährungsfristen."

Cum-Ex- und Cum-Cum-Fälle, in denen schon ermittelt werde, seien zwar nicht von der Neuregelung betroffen - dafür aber alle Fälle, bei denen noch keine Ermittlungen liefen. "Gerade bei Cum-Cum kennen wir bisher nur die Spitze des Eisbergs - und den Rest werden wir mit diesem Gesetz vielleicht nie kennenlernen", glaubt Brorhilker. Der Steuerschaden von Cum-Cum liege konservativ geschätzt bei rund 28,5 Milliarden Euro, zurückgeholt worden sei davon bisher nur ein Bruchteil. Die Bundesregierung könne für Tempo sorgen, forderte Brorhilker, auch mit Blick auf die Zwänge im Bundeshaushalt.

Redaktion beck-aktuell, gk, 20. September 2024 (dpa).