Laut Entwurf (BT-Drs. 20/9092) sollen die bisherigen Leistungen Kindergeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusammengeführt werden und im Wesentlichen von einem neu zu schaffenden "Familienservice" bei der Bundesagentur für Arbeit (in Anlehnung an die bisherigen Familienkassen) bearbeitet werden. Die Kindergrundsicherung soll aus drei Teilen bestehen: dem einkommensunabhängigen Kindergarantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen (entspricht dem Kindergeld), dem einkommensabhängigen und altersgestaffelten Kinderzusatzbetrag sowie den Leistungen für Bildung und Teilhabe.
Dadurch, dass Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss bei der Bemessung des Kinderzusatzbetrages grundsätzlich nur zu 45% berücksichtigt werden, soll sich die Situation von Alleinerziehenden, die Bürgergeld erhalten, und Alleinerziehenden mit noch nicht eingeschulten Kindern besonders verbessern. Das Gesetzesvorhaben hatte in den vergangenen Wochen immer wieder für Knatsch in der Ampel-Koalition gesorgt. Strittig war insbesondere die Finanzierung - am Ende gab es eine Einigung. Das Bundeskabinett beschloss die Kindergrundsicherung schließlich Mitte September.
Die jetzt zur Anhörung geladenen Sachverständigen begrüßten zwar einhellig die Grundidee, familienpolitische Leistungen zusammenzuführen und dadurch leichter zugänglich zu machen. Skeptisch zeigten sie sich aber mit Blick auf die Art und Weise, wie dies geschehen soll. Die Haupteinwände lauteten, dass die Vorlage der Regierung nicht dazu führen würde, Mehrfachzuständigkeiten zu beseitigen, und dass Familien die Leistungen weiterhin nicht aus einer Hand bekommen würden. Zudem würde die jetzt geplante Ausgestaltung des neuen "Familienservice" laut Experten die Verwaltungskosten in die Höhe treiben und das System unnötig verkomplizieren.
Viel Kritik, Mahnung und Appelle
Vanessa Ahuja von der Bundesagentur für Arbeit (BA) forderte insbesondere mehr Zeit zur Umsetzung des Gesetzes. Es müsse die IT angepasst, Personal akquiriert und qualifiziert und ein Schnittstellenmanagement aufgebaut werden, um Familien unnötige Weg zu ersparen. Das sei für die BA zum 01.01.2025 nicht realisierbar. Vertreter der kommunalen Spitzenverbände monierten zudem, dass mit der Kindergrundsicherung unnötige Parallelstrukturen geschaffen werden.
Andere Sachverständige mahnten, die vorhandenen Unterstützungsstrukturen nicht zu zerschlagen, die sich in den rund 1.000 Jobcentern für Familien im Bürgergeld-Bezug etabliert haben. 100 Familienservice-Stellen könnten diese nicht ersetzen. Kinderarmut ergebe sich aus Elternarmut, deshalb müsse man die ganze Familie in den Blick nehmen und könne nicht die Kinder vom Familienservice und die Eltern durch das Jobcenter betreuen, so Diana Stolz, Vorsitzende der Betriebskommission des Kommunalen Jobcenters Neue Wege Kreis Bergstraße.
Die Vertreter von Wohlfahrtsverbänden wiederum zeigten sich darüber enttäuscht, dass der Gesetzentwurf bisher keine Anhebung des soziokulturellen Existenzminimums für Kinder vorsieht. Eine Kindergrundsicherung müsse deutlich mehr sein als eine Verwaltungsreform, erklärte Andreas Aust vom Paritätischen Gesamtverband. "Um Armut zu bekämpfen, brauchen Familien schlicht und einfach mehr Geld." Für einen Großteil der armen Kinder würden sich die Leistungen aber nicht ändern, sagte er.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverband VdK Deutschland, sieht in der Bündelung von Leistungen hingegen ein ganz wichtiges Ziel der Kindergrundsicherung; denn das jetzige System funktioniere nicht so, wie es Kinder und Jugendliche eigentlich bräuchten. Sie appellierte an die Abgeordneten, in den Beratungen dafür zu sorgen, dass die Ungleichbehandlung von Familien mit viel Geld und jenen mit wenig Geld abgeschafft wird.
Bernd Siggelkow, Vorstand der Kinderstiftung "Arche", verwies darauf, dass es armen Kindern nicht nur an Geld mangele, sondern auch an Ressourcen, auf die sie zurückgreifen können, unter anderem auf ein ganz anders aufgestelltes Bildungssystem. Auch müsse sichergestellt werden, dass die Leistungen bei den Kindern direkt ankommen, lautete sein Appell an die Abgeordneten.