Dieselskandal: EuGH bestätigt Rechtsprechung des BGH zum Differenzschaden

Der BGH hat in Dieselfällen die Abrechnung eines Differenzschadens ermöglicht, dabei Nutzungsvorteile angerechnet und die Entschädigung auf 15% des Kaufpreises gedeckelt. Alles in Ordnung, sagte nun der EuGH, betrieb aber in einem Punkt etwas Feintuning.

Zwei Käufer von VW-Dieseln hatten vor dem LG Ravensburg Schadensersatz verlangt. In einem Fahrzeug war bereits bei Auslieferung ein sogenanntes "Thermofenster" installiert, eine Software, die bei Außentemperaturen unter 10°C die Abgasrückführung verringert, dadurch aber auch die Emissionen von Stickoxiden ansteigen lässt. In die Systeme des anderen VW wurde eine solche Software erst im Rahmen eines Updates eingespielt. Volkswagen argumentierte, dass die EG-Typgenehmigung die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung bestätigt habe und berief sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum hinsichtlich der Unzulässigkeit der Einrichtung.

In Anbetracht dieses Vorbringens einerseits und des Urteils des BGH vom 26.06.2023 andererseits hatte das LG Ravensburg dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung einschlägiger unionsrechtlicher Bestimmungen vorgelegt (Urteil vom 26.06.2023  – VIa ZR 335/21). Die Karlsruher Richterinnen und Richter hatten damals großen Schadensersatz ausgeschlossen, sofern der Hersteller sich auf einen Verbotsirrtum berufen konnte. Gleichzeitig aber hatten sie einen sogenannten Differenzschaden ermöglicht, wenn das Vertrauen eines Käufers bei Vertragsabschluss in ein regelkonformes Fahrzeug enttäuscht wurde.  

Begrenzung auf 15% nur bei angemessener Entschädigung

Auf die Vorlagefragen des LG Ravensburg hat der EuGH den Differenzschaden nun weitgehend abgenickt. Ein Automobilhersteller könne sich nicht allein deshalb von seiner Haftung für eine unzulässige Abschalteinrichtung entlasten, weil eine zuständige nationale Behörde eine EG-Typgenehmigung für den Fahrzeugtyp oder die Einrichtung selbst erteilt habe, entschied die Luxemburger Richterinnen und Richter. Die Genehmigung bedeute nicht zwangsläufig, dass die Behörde die Einschätzung des Herstellers zur rechtlichen Zulässigkeit der Abschalteinrichtung geteilt habe (Urteil vom 01.08.2025 – C-666/23).

Nach Auffassung des EuGH macht es für die Haftung auch keinen Unterschied, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung bereits bei Herstellung des Fahrzeugs eingebaut wurde oder erst zu einem späteren Zeitpunkt. In beiden Konstellationen könne ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen.

Der Gerichtshof stellte außerdem klar, dass das Unionsrecht einer Anrechnung von Nutzungsvorteilen auf den Schadensersatz grundsätzlich nicht entgegensteht. Einem Abzug des wirtschaftlichen Vorteils, den Käuferinnen und Käufer aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen haben, stehe europarechtlich nichts im Wege.

Auch eine pauschale Begrenzung des Schadensersatzes auf einen Anteil von 15% des Kaufpreises sei nicht ausgeschlossen, erklärten die Richterinnen und Richter. In diesem Punkt allerdings ergänzten sie die BGH-Rechtsprechung zum Differenzschaden um einen Punkt: Die Begrenzung dürfe nicht verhindern, dass die Entschädigung in jedem Fall eine angemessene Wiedergutmachung des tatsächlich erlittenen Schadens gewährleistet. Ob das im konkreten Verfahren gegeben sei, müsse das nationale Gericht prüfen.

"Letzte Runde" für die Aufarbeitung des Dieselskandals

Der Vorsitzende Richter am OLG Koblenz Christoph Syrbe erklärte auf beck-aktuell-Anfrage, dass der EuGH mit seiner Entscheidung klargestellt habe, dass der vom BGH entwickelten Rechtsfigur des Differenzschadens keine grundlegenden unionsrechtlichen Bedenken entgegen stehen. Die Entscheidung werde vermutlich die "letzte Runde" in der zivilrechtlichen Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals einleiten. Dass allein die Genehmigung von Fahrzeugtyp oder Einrichtung durch die zuständige nationale Behörde keinen "Freifahrtschein" darstellt, hatte die überwiegende deutsche Rechtsprechung laut Syrbe bereits "eingepreist". Ähnliches gelte für die nunmehrige Klarstellung des maßgeblichen Zeitpunkts des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung.

Die wohl zentrale Aussage des EuGH-Urteils für die gerichtliche Praxis sieht Syrbe darin, dass der EuGH weder gegen die Rechtsfigur des Differenzschadens als solche noch gegen die Anrechenbarkeit von Nutzungsvorteilen Bedenken erhebt und auch die grundsätzliche Begrenzung des Differenzschadens auf 15% des Kaufpreises als nicht unionsrechtswidrig einstuft. "Allein, dass künftig auch für jeden Einzelfall zusätzlich darauf zu achten ist, dass diese Entschädigung eine angemessene Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden darstellt, führt ein gewisses Korrektiv ein, für welches der zwischenzeitlich weitgehend neu zusammengesetzte VIa. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung noch moderat wird anpassen müssen", so Syrbe abschließend.

EuGH, Urteil vom 01.08.2025 - C-666/23

Redaktion beck-aktuell, cil, 1. August 2025.

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