Oops! I did it again: LG Ravensburg ruft den EuGH in Dieselsache an
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Die Diesel-Problematik landet wieder vor dem EuGH. Auf erneute Vorlage des LG Ravensburg soll dieser unter anderem klären, ob die Rechtsprechung zum unvermeidbaren Verbotsirrtum europarechtskonform ist. Noch im Dezember will der EuGH zudem über eine Vorlage aus Ravensburg zu Kilometerleasing entscheiden.

Insgesamt geht es in der neuen Vorlage dabei um fünf Schadensersatzverfahren mit eingebauten Thermofenstern beim VW T6 Multivan Comfortline 2.0 TDI, VW Golf 2.0 TDI und beim VW Sharan 2.0 TDI. Beim Sharan wurde nach Bekanntwerden des Abgasskandals zwar ein Software-Update aufgespielt, damit allerdings auch eine andere Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters installiert. Der Autokonzern hielt das Thermofenster in allen Fällen für zulässig, da es zum sicheren Fahrzeugbetrieb notwendig sei. Vorsorglich machte die Fahrzeugherstellerin einen unvermeidbaren Verbotsirrtum geltend und berief sich dabei auf eine hypothetische Genehmigung des Kraftfahrtbundesamts.

Wie bereits zuvor in einem anderen Dieselfall, in dem die Entscheidung des EuGH im März 2023 für einen Paradigmenwechsel gesorgt hatte, hat die 2. Zivilkammer des LG Ravensburg die Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 27.10.2023 – 2 O 331/19, 2 O 190/20, 2 O 425/20, 2 O 16/21, 2 O 57/21). Die Luxemburger Richterinnen und Richter sollen entscheiden, ob der Schadenersatzanspruch des Fahrzeugerwerbers gegen den Hersteller wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Autos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 verneint werden kann, wenn ein unvermeidbarer Verbotsirrtum des Herstellers vorliegt. Zudem sollen sie klären, ob ein Verbotsirrtum schon dann unvermeidbar ist, wenn die Zulassungsbehörde die Abschalteinrichtung genehmigt hat oder der Autohersteller hypothetisch von einer Genehmigung ausgehen konnte. Sie sollen auch prüfen, ob sich der Autohersteller schadenersatzpflichtig gemacht hat, wenn er mit dem Software-Update eine unzulässige Abschalteinrichtung aufgespielt hat. Geklärt werden soll auch, ob die nationale Rechtsprechung, den sogenannten kleinen Schadenersatz auf maximal 15% des Kaufpreises zu begrenzen, mit Unionsrecht vereinbar ist.

LG: Verbotsirrtum-freundliche Rechtsprechung der Obergerichte mit Europarecht unvereinbar?

Dabei könne ein Anspruch der Fahrzeugerwerber auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz bestehen. Nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung könne sich das Unternehmen aber auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, indem es einen Verbotsirrtum als solchen und auch dessen Unvermeidbarkeit konkret darlege und beweise. Das LG verweist auf die jüngere Rechtsprechung der Obergerichte, die vermehrt von einem solchen unvermeidbaren Irrtum ausgegangen seien.

Dem schließt sich das LG nicht an und beruft sich dabei unter anderem auf einen Aufsatz von Beate Gsell und Thomas Mehring in der NJW. Es vertritt den Standpunkt, dass die Verbotsirrtum-freundliche Rechtsprechung der Obergerichte nicht mit dem Europarecht vereinbar sein dürfte. Denn das Verbot von Abschalteinrichtungen sei im Unionsrecht geregelt. Gleiches gelte für den Anspruch eines Fahrzeugerwerbers auf angemessenen Schadenersatz wegen des Erwerbs eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Dieser europarechtliche Schutz dürfe durch nationale Einschränkungen (hier die Frage des Vorsatzes) nicht unterlaufen werden.

Über eine weitere Vorlage des Gerichts zu Leasingverträgen über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung will der EuGH am 21.12.2023 entscheiden (C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21). Hierzu liegen Schlussanträge des Generalanwalts Collins vor.

LG Ravensburg, Beschluss vom 27.10.2023 - 2 O 331/19

Redaktion beck-aktuell, ns, 4. Dezember 2023.