Nachdem die Abstimmung über einen Investoreneinstieg in einem ersten Anlauf im Mai 2023 gescheitert war, stimmten in der Mitgliederversammlung Ende vergangenen Jahres 24 von 36 DFL-Mitgliedern mit "Ja". Damit wurde exakt die erforderliche 2/3-Mehrheit erreicht, die den Einstieg eines externen Investors mit einer auf 20 Jahre begrenzten Minderheitsbeteiligung an den Lizenzerlösen aus der Verwertung der kommerziellen DFL-Rechte ermöglicht. Es kam also auf jede einzelne "Ja"-Stimme an.
Hannover 96 hatte Martin Kind im Vorfeld der Abstimmung angewiesen, bei der Abstimmung mit "Nein" zu stimmen. Kind ist seit 2006 Geschäftsführer der zu 100% dem Verein gehörenden Hannover 96 Management GmbH, die als Komplementärin zur Geschäftsführung der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA berechtigt ist, in die die professionelle Fußballabteilung des Vereins seit 1999 ausgegliedert ist.
Die Abstimmung über den Investoreneinstieg erfolgte allerdings geheim, sodass nicht transparent war, wie Kind abstimmte. Es steht aber, nachdem Kind bereits zuvor mehrfach die Weisungen des Vereins ignoriert hatte, der Verdacht im Raum, dass er entgegen der Weisung des Vereins mit "Ja" gestimmt hat und damit die entscheidende Stimme für die notwendige 2/3-Mehrheit abgab. Hannover 96 hat erklärt, die DFL im Vorfeld der Abstimmung über die Weisung an Kind informiert zu haben: Auch sei der DFL die ablehnende Reaktion von Kinds Anwälten mitgeteilt worden.
Der Verein wirft der DFL vor, mit Blick auf knappe Probeabstimmungen bewusst eine geheime Stimmenabgabe gewählt zu haben, damit Kind unter Verstoß gegen die Weisung mit "Ja" stimmen kann. Die DFL-Satzung jedenfalls sehe für eine solche Abstimmung gar keine geheime Stimmabgabe vor, sondern lediglich für Wahlen. Hannover 96 hält den DFL-Beschluss daher für unwirksam: Die DFL habe das Weisungsrecht des Muttervereins missachtet und gegen die 50+1-Regel verstoßen.
Wäre die Stimmenabgabe wegen Verstoßes gegen die 50+1-Regel unwirksam?
Nach der 50+1-Regel müssen die Vereine 50% der Stimmanteile plus eine Stimme an der Kapitalgesellschaft halten, in die sie ihre Profiabteilung ausgegliedert haben. Damit soll sichergestellt werden, dass die Vereine selber über ihre Schicksale bestimmen können und nicht zum Spielball von Investoren werden. Diese Regel ist in § 8 Abs. 3 der DFL-Satzung verankert.
In Hannover gibt es die Besonderheit des sogenannten "Hannover-96-Vertrags", mit dem die Vereinssatzung geändert wurde. Dadurch wird faktisch die Befugnis des Vereins beschränkt, Kind als Geschäftsführer der Management GmbH und damit als Vertreter des Vereins bei den DFL-Sitzungen abzuberufen. Nur der Aufsichtsrat der GmbH kann laut Satzung Kind abberufen, dieser ist aber mit je zwei Vertretern des Vereins und zwei Vertretern der Investoren besetzt: Eine Pattsituation.
Die DFL hatte darin keinen Verstoß gegen die 50+1-Regel gesehen. Dabei unterstrich sie, dass maßgeblich sei, dass der Verein Hannover 96 "als Alleingesellschafter der Hannover 96 Management GmbH weiterhin ein uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung hat und auch gesellschaftsvertraglich die Rechte des Hannover 96 unverändert bleiben." Hannover 96 moniert, dass sich die DFL dazu in Widerspruch setze und die 50+1-Regel nicht konsequent anwende, weil der Verein eben kein uneingeschränktes Weisungsrecht mehr genieße - oder dieses zumindest nicht mehr durchsetzen könne. Denn Kind könne sich über die Weisungen des Vereins hinwegsetzen, ohne eine Abberufung befürchten zu müssen. Das widerspreche aber dem Zweck der 50+1-Regel.
Das OLG Celle, dass den Versuch des Vereins, Kind dennoch abzuberufen für nichtig erachtete, ließ die Frage offen, ob die Einschränkung der Kompetenzen des Vereins im "Hannover-96-Vertrag" gegen diese Regel verstößt. Bejahte man einen solchen Verstoß, schlösse sich Frage nach den Folgen für die konkrete Stimmenabgabe an.
Die DFL selbst hält den Investorenbeschluss für wirksam. Sie beruft sich darauf, dass Weisungen gegenüber den in der Mitgliederversammlung der DFL vertretungsberechtigten Personen nur im Innen-, nicht aber im Außenverhältnis wirkten. Insoweit wäre etwa zu überlegen, ob – falls Kind mit "Ja" gestimmt hat – die Stimmenabgabe wegen Missbrauchs der Vertretungsbefugnis unwirksam ist. Der Missbrauch könnte möglicherweise auch dennoch im Außenverhältnis durchgreifen, weil sich die DFL mit der geheimen Abstimmung treuwidrig der Kenntniserlangung vom Verstoß gegen die Weisung verschlossen haben könnte.
Mit der 50 + 1-Regel beschäftigt sich auch das BKartA. Laut Hannover 96 hat es den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, sich mit den jüngeren Entwicklungen bei der Anwendung der Regel durch die DFL vertraut machen zu wollen.