Forderung aus Union: Steinmeier soll Cannabis-Gesetz aufhalten

Der Bundesrat hat das Cannabis-Gesetz passieren lassen. Die Kritik verstummt trotzdem nicht. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge will nun, dass der Bundespräsident die Notbremse zieht. Das BfJ weist schon mal darauf hin, dass Tilgungsanträge noch nicht möglich sind.

"Das Gesetz sollte nach der chaotischen Debatte der letzten Wochen vorerst gestoppt werden. Dafür ist es noch nicht zu spät", sagte Sorge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). "Wir appellieren an den Bundespräsidenten, das Cannabis-Gesetz nicht zu unterzeichnen."

Der Bundesrat hatte das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Cannabis-Legalisierung am Freitag passieren lassen. Trotz viel Kritik kam in der Länderkammer keine Mehrheit dafür zustande, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat – wie von drei Bundesratsausschüssen empfohlen – anzurufen und das Gesetz damit auszubremsen. Dieses erlaubt den Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum – eine Zäsur in der deutschen Drogenpolitik.

Die Reform kann damit am Ostermontag in Kraft treten. Zuvor muss sie aber noch von Steinmeier unterzeichnet und amtlich verkündet werden. Der Bundespräsident prüft Gesetze im Wesentlichen darauf, ob sie nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen sind. Nach überwiegender juristischer Meinung steht ihm daneben in engen Grenzen auch ein materielles Prüfungsrecht zu. Danach kann er die Unterschrift unter ein Gesetz verweigern, wenn dessen Inhalt ganz offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt. Im hitzigen Streit über die Cannabis-Legalisierung hatte die Frage einer möglichen inhaltlichen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes aber bisher praktisch keine Rolle gespielt.

Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktionen in den deutschen Landtagen, des Deutschen Bundestages und der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion hatten das Staatsoberhaupt schon Anfang März aufgerufen, seine Unterschrift zu verweigern. Sie begründeten dies damit, dass die Legalisierung aus ihrer Sicht gegen das Völker- und Europarecht verstößt. Die Bundesregierung vertritt dagegen die Auffassung, dass das beschlossene Modell zulässig ist.

Das Bundesamt für Justiz wies am Freitag sofort darauf hin, dass derzeit noch keine Anträge auf Tilgung von Verurteilungen im Zusammenhang mit Cannabis aus dem Bundeszentralregister gestellt werden können. Dazu müsse erst das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Die Regelungen zur Tilgung von Eintragungen würden voraussichtlich ein Jahr nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Das Amt werde auf seiner Internetseite und seiner Fachseite zum Bundeszentralregister über die gesetzlichen Verfahrensregelungen informieren. Die Justiz befürchtet seit Wochen, durch die rückwirkenden Straferlasse für Cannabis-Straftaten überlastet zu werden. Größere Amtsgerichte gehen von tausenden Verfahren aus, in denen sie die Akten mit Cannabis-Bezug heraussuchen und die BtM-Delikte teilweise aus schon gebildeten Gesamtstrafen herausrechnen müssen. Geschehen muss das mangels Digitalisierung händisch. 

CSU prüft Klage

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die Teil-Liberalisierung. "Die jetzige Drogenpolitik ist auf jeden Fall bei Cannabis klar gescheitert", sagte der SPD-Politiker am Freitagabend im WDR-Fernsehen. "Wir haben eine Verdopplung des Konsums bei den 18- bis 25-Jährigen, 50% mehr bei den 12- bis 17-Jährigen in den letzten zehn Jahren." Die Regierung will den Schritt mit einer Präventionskampagne begleiten und argumentiert, dass durch die Teil-Liberalisierung der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden könne.

Dieser Einschätzung widersprach der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU). "Glauben Sie denn, dass die, die organisierte Kriminalität im Drogenhandel machen, sagen: Okay, jetzt geben wir auf, jetzt machen wir nichts mehr?", sagte der CDU-Politiker in den ARD-"Tagesthemen". "Die werden neue Wege finden. Die werden stärkere Dosen anbieten, die werden andere Preise auf dem Markt anbieten." Reul äußerte zudem Zweifel an der Kontrollierbarkeit der neuen Regeln, die schon in wenigen Tagen greifen sollen. Er sei "fassungslos", sagte er. "Ich hab' noch nie erlebt, dass man so in ein Gesetz reinstolpert." Offensichtlich sei in Berlin eine Regierung am Werk, "die um jeden Preis irgendwas hinkriegen muss."

Derweil prüft die CSU in Bayern eine Klage gegen das Cannabisgesetz. "Wir vonseiten des Freistaats Bayern, wir werden uns an allem beteiligen, was dieses Gesetz außer Kraft oder verzögert oder später oder anders in Szene setzen lässt", sagte Parteichef Markus Söder am 26.02.2024 in München.

Ramelow kritisiert "rumpelige Beziehung" zwischen Bund und Ländern

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Unionsländer sollten nicht den Eindruck erwecken, dass die Suchtgefahr nun wegen der Cannabis-Legalisierung steige. "Sie war immer da. Die Entkriminalisierung muss der Einstieg sein, dass wir uns um Suchtprävention kümmern und dass wir den kriminellen Strukturen das Geschäftsfeld entziehen."

Zugleich forderte der Linken-Politiker eine bessere Beteiligung der Länder bei Gesetzgebungsverfahren durch den Bund – denn es seien die Länder, bei denen es um Vollzug und Umsetzung gehe. "Wir erleben derzeit eine ziemlich rumpelige Beziehung zwischen Bund und Ländern – auch schon vor dem Cannabis-Gesetz. Das ist nicht gut."

Redaktion beck-aktuell, bw, 25. März 2024 (ergänzt durch Material der dpa).