Bun­des­tag be­schlie­ßt kon­trol­lier­te Can­na­bis-Frei­ga­be
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Die Be­für­wor­ter konn­ten es kaum er­war­ten, viele Kri­ti­ker war­nen vor einem his­to­ri­schen Feh­ler: Nach jahr­zehn­te­lan­gen De­bat­ten hat der Bun­des­tag am Frei­tag eine Le­ga­li­sie­rung von Can­na­bis in Deutsch­land be­schlos­sen. Die Ge­set­zes­plä­ne der Ampel-Ko­ali­ti­on sehen keine kom­plet­te, son­dern eine kon­trol­lier­te Frei­ga­be mit di­ver­sen Re­geln vor.

Wohl ab 1. April sol­len Er­wach­se­ne die ers­ten er­laub­ten "Joints" rau­chen kön­nen. Ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach (SPD) setzt dar­auf, Ri­si­ken zu be­gren­zen und den Schwarz­markt zu­rück­zu­drän­gen – doch un­um­strit­ten ist das ganze Vor­ha­ben nicht.

Nach der Neu­re­ge­lung wird Can­na­bis im Be­täu­bungs­mit­tel­ge­setz von der Liste der ver­bo­te­nen Stof­fe ge­stri­chen. Der Um­gang damit soll dann künf­tig zwar per Ge­setz grund­sätz­lich ver­bo­ten sein – aber mit drei fest­ge­leg­ten Aus­nah­men für Per­so­nen ab 18 Jah­ren. Diese be­tref­fen den Be­sitz be­stimm­ter Men­gen, den pri­va­ten Ei­gen­an­bau sowie Anbau und Wei­ter­ga­be in spe­zi­el­len Ver­ei­nen. Ge­ne­rell nicht zu den ver­bo­te­nen Tä­tig­kei­ten zählt gemäß den völ­ker­recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen der Ei­gen­kon­sum, wie es im Ge­setz­ent­wurf heißt. Ein Tabu blei­ben soll Can­na­bis in den mi­li­tä­ri­schen Be­rei­chen der Bun­des­wehr.

Er­laubt wer­den soll der Be­sitz von bis zu 25 Gramm ge­trock­ne­ten Pflan­zen­ma­te­ri­als zum Ei­gen­kon­sum, die man auch im öf­fent­li­chen Raum mit sich füh­ren darf. In der pri­va­ten Woh­nung soll man bis zu 50 Gramm auf­be­wah­ren kön­nen. An­ge­baut wer­den dür­fen dort bis zu drei Pflan­zen. Was dar­über hin­aus­geht, muss so­fort ver­nich­tet wer­den. Ge­ern­tet wer­den darf nur zum Ei­gen­kon­sum, nicht zur Wei­ter­ga­be an an­de­re. Samen, Pflan­zen und ge­ern­te­tes Ha­schisch und Ma­ri­hua­na müs­sen gegen Dieb­stahl und vor dem Zu­griff von Kin­dern ge­schützt wer­den – etwa mit ab­schließ­ba­ren Schrän­ken und Räu­men.

Clubs mit bis zu 500 Mit­glie­dern

Er­laubt wer­den sol­len auch "An­bau­ver­ei­ni­gun­gen" - also so etwas wie Clubs für Voll­jäh­ri­ge, in denen bis zu 500 Mit­glie­der mit Wohn­sitz im In­land Can­na­bis ge­mein­schaft­lich an­bau­en und un­ter­ein­an­der zum Ei­gen­kon­sum ab­ge­ben – an einem Tag höchs­tens 25 Gramm Can­na­bis je Mit­glied und im Monat höchs­tens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jäh­ri­ge sol­len mo­nat­lich 30 Gramm mit höchs­tens 10% Te­tra­hy­dro­can­na­bi­nol (THC) zu­läs­sig sein, das ist der Stoff mit der Rau­sch­wir­kung. Die Clubs sind als nicht kom­mer­zi­el­le Ver­ei­ne zu or­ga­ni­sie­ren und brau­chen eine Er­laub­nis, die be­fris­tet gilt. Das An­bau­ge­bäu­de darf keine Woh­nung sein und keine auf­fäl­li­gen Schil­der haben. Wer­bung ist tabu, auch der Can­na­bis-Kon­sum di­rekt vor Ort. An­bau­flä­chen und Lager müs­sen ge­si­chert wer­den, für Trans­por­te sol­len Re­geln gel­ten.

Um ge­mein­schaft­lich an­ge­bau­tes Can­na­bis zu be­kom­men, muss man es per­sön­lich vor Ort ent­ge­gen­neh­men, den Mit­glieds­aus­weis und einen amt­li­chen Aus­weis mit Foto vor­le­gen. Er­laubt ist nur Can­na­bis in Rein­form, also als ge­trock­ne­te Blü­ten und blü­ten­na­he Blät­ter (Ma­ri­hua­na) oder ab­ge­son­der­tes Harz (Ha­schisch). Ver­bo­ten sind Mi­schun­gen mit Tabak, Ni­ko­tin oder Le­bens­mit­teln. Die Ver­pa­ckung muss neu­tral sein. Auf einem In­fo­zet­tel müs­sen unter an­de­rem das Ge­wicht in Gramm, die Sorte, der durch­schnitt­li­che THC-Ge­halt in Pro­zent und Hin­wei­se zu Ri­si­ken des Kon­sums auf­ge­führt wer­den. Ein Kauf­preis darf nicht ver­langt wer­den, fi­nan­zie­ren sol­len sich die Ver­ei­ni­gun­gen durch ihre Mit­glieds­bei­trä­ge. Ge­re­gelt sind auch Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten und amt­li­che Kon­trol­len.

Für Min­der­jäh­ri­ge blei­ben Er­werb, Be­sitz und Anbau von Can­na­bis kom­plett ver­bo­ten, wie das Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um be­tont. Wei­ter­ga­ben an Kin­der und Ju­gend­li­che sind straf­bar. Der Kon­sum "in un­mit­tel­ba­rer Ge­gen­wart" von unter 18-Jäh­ri­gen soll ver­bo­ten sein, eben­so in Fu­ß­gän­ger­zo­nen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Un­ter­sagt wird Kif­fen auch auf Spiel­plät­zen, in Schu­len, Kin­der- und Ju­gend­ein­rich­tun­gen, Sport­stät­ten und je­weils in Sicht­wei­te davon – also in 100 Me­tern Luft­li­nie um den Ein­gangs­be­reich. Zu­nächst waren 200 Meter an­ge­dacht.

Ge­setz ist nicht zu­stim­mungs­be­dürf­tig

Be­glei­tend prüft das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um ge­ra­de, wie ein THC-Grenz­wert für Can­na­bis am Steu­er ge­fasst wer­den könn­te – ähn­lich wie die 0,5-Pro­mil­le-Gren­ze für Al­ko­hol. Bis Ende März sol­len Ex­per­ten­vor­schlä­ge vor­lie­gen. Ge­re­gelt wer­den auch Sank­tio­nen: Er­wach­se­ne, die bis zu 30 Gramm Can­na­bis da­bei­ha­ben oder bis zu 60 Gramm zu Hause, be­ge­hen eine Ord­nungs­wid­rig­keit. Wenn es noch mehr ist, macht man sich wei­ter­hin straf­bar. Nach In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes soll es je­doch eine Am­nes­tie für ver­gan­ge­ne Ver­ur­tei­lun­gen geben, so­fern die ab­ge­ur­teil­ten Taten künf­tig er­laubt sind. Be­trof­fe­ne kön­nen dann be­an­tra­gen, dass ent­spre­chen­de Ein­trä­ge im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter ge­tilgt wer­den. Re­le­vant ist das etwa für Füh­rungs­zeug­nis­se.

Nach dem Bun­des­tags­be­schluss geht das Ge­setz ab­schlie­ßend am 22. März in den Bun­des­rat. Zu­stim­mungs­be­dürf­tig ist es nicht. Prin­zi­pi­ell könn­te die Län­der­kam­mer aber den ge­mein­sa­men Ver­mitt­lungs­aus­schuss mit dem Bun­des­tag an­ru­fen und die Pläne so noch ab­brem­sen. Für den Auf­bau von Can­na­bis-Clubs dürf­te dann Vor­lauf nötig sein. Eine ge­plan­te zwei­te Säule der Le­ga­li­sie­rung hängt vor­erst in der War­te­schlei­fe: Mo­dell­pro­jek­te zur Ab­ga­be von Can­na­bis in li­zen­zier­ten Ge­schäf­ten, wie es auch im Ko­ali­ti­ons­ver­trag steht.

Redaktion beck-aktuell, ew, 23. Februar 2024 (dpa).